Kroatien kann erstmals in Finale einziehen und spielt bislang eine tolle WM. Was geht dort in diesen Tagen ab?
Dragan: Das ganze Land bebt! Sport steht in Kroatien an erster Stelle. Man muss sich vorstellen: Das Land hat ja nur vier Millionen Einwohner. Der Erfolg puscht alle. Auch die vielen Kroaten, die im Ausland leben.

Warum wäre ein Sieg gegen England so wichtig?
Dragan: Wenn Kroatien ins Endspiel kommt oder gar Weltmeister wird, wäre das wie eine Initialzündung für das ganze Land. Vielleicht so wie 1954 für Deutschland. Die Kroaten haben so viel durchgemacht. Nach dem Jugoslawienkrieg gab es viele politische Fehler. Heute gibt es dort eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Einige wenige sehr reiche Familie - und viele arme Leute.
Dragan wurde in Kempten geboren. Seine Eltern zogen 1969 als Gastarbeiter ins Allgäu. Ursprünglich stammt die Familie aus der kroatischen Küstenstadt Zadar (75.000 Einwohner). Der gelernte Schreiner ist zweisprachig aufgewachsen. Er verbrachte viele Jahre in Kroatien. Seit einem Jahr lebt und arbeitet er wieder in Kempten.
Was sagen Deine Allgäuer Freunde zum Halbfinale?
Dragan (lacht): Die drücken natürlich den Kroaten die Daumen, damit die England raushauen. Aber sicher nur nicht deshalb. Viele Deutsche finden super, wie die Kroaten spielen. Das ist ein Team mit feinen Technikern, die aber auch kämpfen können.
Was gibt es noch für Gründe, "Pro"-Atien zu sein?
Dragan: Das Land und die Leute sind wunderbar. Das sagen alle meine Kumpels, die schon mal im Urlaub dort waren. Kroatien ist sehr vielseitig: Es gibt Gebirge, Meer, Nationalparks und über 1000 Adria-Inseln, von denen die meisten nicht bewohnt sind. Dazu das Essen! Fischspezialitäten, Lamm, Ćevapčići und natürlich gute Weine. Wobei ich mir als Allgäuer Kroate beim Halbfinale-Schauen im Chaplin eher ein Weizenbier genehmigen werde.

Kein Widerspruch?
Dragan: Überhaupt nicht. Die Kroaten und die Bayern haben ein sehr gutes Verhältnis. Schau Dir nur mal den FC Bayern München an: Zlatko Cajkovski führte die Mannschaft Mitte der sechziger Jahre von der Regionalliga in die Bundesliga. Mit Branko Zebec wurde der Verein dann 1969 erstmals seit 1932 wieder Deutscher Meister. Ohne Kroaten wäre der Verein wohl nicht das, was er heute ist. Dass jetzt mit Nico Kovac wieder ein Kroate Trainer ist, passt ins Bild.
Wer sind Deine Lieblingsspieler in der kroatischen Nationalmannschaft?
Dragan: Torhüter Danijel Subasic, Mittelfeldspieler Luka Modric, Außenverteidiger Sime Vrsaljk und Dominik Livakovic, derzeit dritter Torhüter.
Kuriose Mischung...
Dragan: Ja, aber sie haben alle etwas gemeinsam: Sie stammen aus Zadar, der Heimatstadt meiner Familie. Besonders bewegt es mich, dass Subasic die Erinnerung an seinen verstorbenen Freund und Mitspieler Hrvoje Custic bei der WM hochhält. Er verunglückte vor zehn Jahren bei einem Spiel im Stadion in Zadar. Neben der Außenlinie war eine Betonwand gegen die er mit dem Kopf gekracht ist. Heute wäre er bestimmt stolz darauf, was die Nationalmannschaft bei der WM leistet. Ganz egal, wie die beiden nächsten Spiele enden.