Es ist ein sonniger, aber windiger Herbstnachmittag, an dem die beiden Brüder Elias und Jonas Ouahmid mit ihren Boards über das Wasser des Rottachsees bei Petersthal (Oberallgäu) gleiten.
Mit Gummischuhen sind sie an das Brett geschnallt, mit den Händen steuern sie einen Lenkdrachen. Abwechselnd setzen die beiden Kitesurfer dabei zu Sprüngen bis zu 15 Meter Höhe an. Auf ihrem Board erreichen sie eine Maximalgeschwindigkeit von 40 Kilometer pro Stunde. „Es ist cool, auf dem Wasser zu stehen und sich dabei einfach frei zu fühlen“, beschreibt Elias die Faszination seines Lieblingshobbys. Ein Hobby, das für die zwei Brüder in den vergangenen Jahren aber längst zu einem zentralen Bestandteil ihres Lebens geworden ist und auch schon große Erfolge nach sich gezogen hat.
Heuer sorgten die beiden Kemptener, deren Vater aus Marokko stammt und früher selbst professioneller Surfer war, wieder einmal für Furore in der Kitesurf-Szene. Der 18-jährige Elias holte sich in zwei der drei Disziplinen, im Slalom und Racing, den deutschen Meistertitel der Altersklasse U 19. In der dritten Kategorie (Freestyle), bei der es hauptsächlich um Tricks in der Luft geht, zog er im Finale ausgerechnet gegen seinen jüngeren Bruder Jonas (15) den Kürzeren.
Dieser erinnert sich noch heute gerne an das Duell zurück: „Ich habe mich riesig darüber gefreut, meinen Bruder besiegt zu haben“, sagt der Wirtschaftsschüler. Und auch Elias kann sich trotz der familieninternen Niederlage für seinen Bruder freuen: „Das Finale war zwar echt eng. Aber Jonas ist eben einfach der bessere Freestyler. Er hat sich gerade im vergangenen Jahr enorm verbessert“, sagt er anerkennend.
Der weiteren Entwicklung des 15-Jährigen scheinen keine Grenzen gesetzt. Jüngst gewann er die Junioren-Weltmeisterschaft im Freestyle an der Costa Brava in Nordspanien. Für Jonas war das der Höhepunkt einer für ihn ohnehin äußerst erfolgreichen Saison. „Ich hätte nicht damit gerechnet, Weltmeister zu werden. Das ist ein tolles Gefühl“, sagt der Kemptener, der sich auch weiterhin ambitionierte Ziele setzt. „Ich will an der Spitze bleiben und im nächsten Jahr meinen Titel bei den Junioren verteidigen.“ In zwei Jahren, sagt Jonas, wolle er dann auch schon bei den Männern angreifen.
"Die Schule hat Vorrang." Vater Fouad, der aus Marokko stammt und früher selbst Surf-Profi war.
Ihr Hobby später einmal zum Beruf zu machen und Kitesurf-Profi zu werden, ist für die Ouahmid-Brüder ihr „größter Traum“ – und sie sind auf dem besten Weg dorthin.
Erste Sponsorenverträge haben die Allgäuer bereits unterschrieben. Aber Elias, der derzeit die Vorklasse an der Fachoberschule Kempten besucht, weiß auch: „Man muss zweigleisig fahren. Alleine vom Kitesurfen kann man nicht leben.“ Aufgrund ihres zeitaufwendigen Sports, der die beiden schon um den halben Erdball geführt hat, ist es umso wichtiger, dass auch die schulischen Leistungen stimmen. „Ich bin mega stolz auf meine Jungs, dass sie Sport und Schule unter einen Hut bringen“, sagt ihr Vater Fouad Ouahmid, mahnt aber gleichzeitig: „Die Schule hat trotzdem immer Vorrang. Darauf achten wir sehr.“

Ans Pauken und Lernen ist für die beiden Brüder an jenem Nachmittag am Oberallgäuer Rottachsee aber bei weitem nicht zu denken, wenn sie mit dem Drachen durch die Lüfte schweben und anschließend über die Wasseroberfläche schlittern. Auch wenn ihnen dabei nicht immer alles gelingen will, nach Tricks in der Luft stürzen die beiden Talente oft auch mit einem unsanften „Bauchklatscher“ auf die Seeoberfläche, ist ihnen der Spaß am Kitesurfen deutlich anzusehen. Angst vor Verletzungen haben die Zwei sowieso nicht. Elias sagt: „Blaue Flecken habe ich so gut wie nie und wirklich weh tun die Stürze mir auch nicht.“ Bis Ende Oktober, erklären sie, könne man auf dem Rottachsee noch Kitesurfen. „Ab November wird es dann schwierig. Da müssen wir dann wieder in wärmere Länder."