Inmitten des verschärften Lockdowns in der Corona-Krise in Deutschland und weiten Teilen der Welt findet in Ägypten die 27. Handball-Weltmeisterschaft vom heutigen Mittwoch, 13., bis zum 31. Januar statt. Die deutsche Nationalmannschaft steigt am Freitag, 15. Januar, in das Turnier mit der Partie gegen Uruguay (19 Uhr) ein. Alle Spiele der Mannschaft um Trainer Alfred Gislason werden live in ARD oder ZDF in die deutschen Stuben übertragen.
Weiter geht es mit den Vorrunden-Partien gegen die Kapverdischen Inseln (17. Januar/19 Uhr) und Ungarn (19. Januar/21.30 Uhr). Erstmals findet eine WM mit 32 Mannschaften statt (zuvor 24). Deutschland trägt seine Vorrunden-Begegnungen in der 4500 Zuschauer fassenden Halle in Gizeh aus. Das ist die kleinste der vier Hallen, in denen gespielt wird. Doch auch diese wird leer bleiben, da sich der Handball-Weltverband nach zähem Ringen für eine Veranstaltung ohne Zuschauer entschieden hat.
Drei Spieler sagen ab und bleiben stattdessen bei ihren Familien
Das deutsche Team fährt alles andere als in Bestbesetzung an den Nil. Gislason muss zum Beispiel auf die Stammspieler Patrick Wiencek (146 Länderspiele), Hendrik Pekeler (109) oder Finn Lemke (78) verzichten. Sie alle haben abgesagt, weil sie während der Corona-Pandemie bei ihren Familien bleiben möchten. Das hatte dem Trio im Vorfeld der WM massive Kritik von Torhüter Andi Wolf eingebracht. Diese hatte er nach dem EM-Qualifikationsspiel der Deutschen gegen Österreich am Sonntag (34:20) wiederholt.
Insgesamt acht Spieler stehen aus persönlichen oder gesundheitlichen Gründen nicht zur Verfügung. Zu Sinn und Unsinn dieser Veranstaltung und ob die WM in dieser Zeit und angesichts der Absagen überhaupt auf Interesse stößt, haben wir Experten aus der Region befragt.
- Timm Schwegler (Spieler des Landesligisten HSG Dietmannsried/Altusried): Ich habe gemischte Gefühle, was die WM angeht. Ich habe dabei ein lachendes und ein weinendes Auge. Zum einen freue ich mich, dass es losgeht. Zum anderen ist es in dieser Zeit unverantwortlich, eine WM zu spielen. Das sendet falsche Zeichen. Ob Spieler zu Hause bleiben, müssen die für sich entscheiden. Sportlich brechen wichtige Säulen weg. Ich bin ein Fan von Trainer Gislason. Aber wie weit die deutsche Mannschaft kommt, ist angesichts der Absagen schwierig zu sagen. Ich will mich nicht festlegen. Alles ist offen.“
- Elmar Romanesen (Trainer des Bezirksoberligisten SG Kempten/Kottern): „Ich freu mich schon drauf. Endlich wieder hochklassiger Handball im Fernsehen. Dass die WM ohne Zuschauer stattfindet, begrüße ich. Das war die richtige Entscheidung. Zum Auftakt geht es gegen leichtere Gegner. Das ist gut für das Team, um sich einzuspielen. Deutschland gilt ja als Turnier-Mannschaft, die sich Schritt um Schritt steigert. Ich bin selbst Familien-Vater und kann die Entscheidung der Spieler nachvollziehen, bei den Familien zu bleiben. Ich gehe davon aus, dass Deutschland mindestens ins Viertelfinale kommt.“
- Uli Kolb (Trainer des Bezirksoberligisten TV Waltenhofen): „Es ist gut für den Handball, dass die WM trotz alledem stattfindet. Dass sie ohne Zuschauer gespielt wird, macht es mir einfacher, es gut zu finden. Man muss die Entscheidung der Spieler akzeptieren, in dieser Situation daheim zu bleiben. Es wird interessant werden, wie sich die Mannschaft ohne einige Führungsspieler zusammenrauft. Wenn sich das Team findet, kann ein Effekt entstehen. Ich traue Deutschland zu, ins Halbfinale zu kommen. Dass sie dabei gegen Uruguay oder die Kapverdischen Inseln spielen, passt nicht ins Leistungsgefüge.“
- Andreas Mehr (Trainer des Frauen-Bezirksoberligisten TV Waltenhofen): „Gerade weil wir Amateur-Handballer auf unseren Lieblingssport verzichten müssen, ist die Freude auf die WM besonders groß. Dass sie nun doch ohne Zuschauer ausgetragen wird, finde ich richtig. Dass das gut gehen kann, hat die EM der Frauen im Dezember 2020 gezeigt. Ich bin gespannt, ob Dänemark die Titelverteidigung gelingt. Norwegen mit Sander Sagosen ist mein Top-Favorit, Deutschland mein Geheim-Tipp. Das Team kann frei aufspielen. Das Viertelfinale wird erreicht – und dann ist alles offen.“