Und danach? "Ein schönes Eis. Oder Schokolade. Eher was Süßes. Ich brauche nichts Deftiges," sagt Nina Maruhn und lacht. So einen knackigen Schweinekrustenbraten mit Blaukraut und Knödel würde ihr Körper wahrscheinlich im Moment auch gar nicht verkraften. Dafür hat die 19-Jährige zu sehr ihre Ernährung umgestellt. Seit nunmehr 22 Wochen hält sie sich an einen ausgeklügelten Ernährungsplan mit viel Ei, Haferflocken, Obst, Gemüse. Wahrscheinlich hätte sie schon längst wieder zu Schokolade gegriffen, wenn nicht die Erfolge gewesen wären. Also hält die Marktoberdorferin weiter durch, zieht sich wieder ihren glitzernden Bikini an und startet am Samstag bei der Bodybuilding- und Fitness-Weltmeisterschaft.
Einst Jugendbuch-Autorin
Das hätte sie nicht mal zu träumen gewagt. In der Kindheit erinnerte ihre Figur noch "an einen Bleistift", so schlank. Gedanken brauchte sie sich um ihr Aussehen nicht zu machen. Bis sie sich regelrecht in einer eigenen Welt verkroch. Von ihrer Umgebung und auch von sich nahm sie nur das Nötigste wahr. Sie war derart in Fantasy-Geschichten eingetaucht, dass sie selbst ein Jugendbuch schrieb: "Die Chroniken von Tydia: Wellenreiter". "Jeden Tag saß ich am Computer, um mich herum Süßigkeiten." Sie griff in die Tasten und in die Packung. Die einzige anhaltende Bewegung war die ihrer Finger.

Nach Abschluss des Werks fand sie vor dem Spiegel ins wirkliche Leben zurück. Nina war mitten in der Pubertät und hatte ordentlich zugenommen. Nicht zu viel, aber es reichte, um erst Frust zu schieben und dann Abnehmversuche zu starten. "Aber die gingen ernährungstechnisch in die völlig falsche Richtung. Irgendwann war ich auch psychisch kaputt." Ihr Vater griff ein.
Schon der Papa war Bodybuilding-Meister
Peter Maruhn erstellte ihr einen Ernährungsplan, der auch funktionierte - und nicht diesen verflixten Jo-Jo-Effekt mit sich brachte. Er weiß aus eigener Erfahrung, was dem Körper guttut. Denn 1993 hatte er seinen Körper derart perfekt in Form gebracht, dass er deutscher Meister im Bodybuilding wurde. Als Nina 15 war, nahm er sie mit in sein Sportstudio Allgäu, das er im Micheletalweg betreibt, zeigte ihr Geräte und Hanteln. "Einfach nur mal so. Ich bin nie zu irgendwas gezwungen worden."
Wenn man eine körperliche Stärke entwickelt, ist das die coolste und beste Motivation. Ich fühl' mich super!Nina Maruhn
Aha, Vaters Fußstapfen, habe sie oft zu hören bekommen. "Ich hätte ja nicht in sie hineintreten müssen." Aber sie fand Gefallen. "Wenn man eine körperliche Stärke entwickelt, ist das die coolste und beste Motivation", sagt sie. Doch es ging auch um mentale Stärke. Es ging darum, Körper und Geist wieder in Einklang zu bringen, über den Sport wieder Freude zu finden, das Leben positiv zu sehen.
"Du stehst vor dem Spiegel und siehst, wie sich dein Körper entwickelt", das allein sei Antrieb genug, sich auch mal zu schinden, an Grenzen zu gehen, und so 120 Kilogramm Eisen mit der Kniebeuge zu bewältigen. "Ich fühl’ mich super." Sie ist so begeistert, dass sie ihr Hobby zum Beruf machen will. Sie studiert an der deutschen Hochschule für Sport und Prävention in München Sport- und Fitnessökonomie.
Keine Qual
Wenn sie vom Sport erzählt, huscht oft ein Lächeln über ihr Gesicht. Wenn sie vom Training mit Gewichten erzählt ebenso wie bei ihrer Diät. Sie sagt lieber Ernährungsumstellung dazu. Nichts dürfe zur Qual werden, sagt sie. Selbst größten Anstrengungen gibt sie einen positiven Sinn. Nicht als Schutzfunktion, sondern weil es ihre Lebenseinstellung geworden ist. Und die versucht sie, auf die Bühne zu übertragen. "Du siehst beim Wettbewerb genau, wer nur den Pokal vor Augen hat. Und wenn er ihn dann nicht gewinnt, ist die Enttäuschung groß. Ich mag diesen Druck nicht. Ich will einfach mein Bestes geben, den Auftritt genießen. Und wenn ich dann auch noch gewinne, ist das grandios." In jüngster Zeit gab es mehrere Gründe für sie, sich zu freuen. Vor einem Jahr war sie drittbeste Juniorin in Deutschland in der Klasse Figur. Die geht eher in Richtung Bodybuilding, obwohl es das für Frauen als Wettbewerb nicht mehr gibt. Trotz des Erfolgs: "Das war nicht ganz mein Fall", sagt Nina. "Ich bringe von Natur aus diese Muskelmasse nicht mit. Und nur für den Wettbewerb unter Zwang zehn Kilo Muskelmasse aufbauen? Nein."
Vertrauter Ruhepol
Heuer trat sie in der Bikini-Klasse an, "eine Mischung aus Sport und Misswahl". Wieder wurde sie Dritte und schaffte in einem zweiten Wettbewerb auch die Qualifikation für die WM, die an diesem Wochenende im rumänischen Bistrita, im Nordosten Siebenbürgens, ausgetragen wird. Ein letzter Test war vor wenigen Tagen die internationale süddeutsche Meisterschaft der Frauen in Gersthofen. Die 19-Jährige gewann in der Klasse III (+169 Zentimeter). Als ihr Vater die Siegerehrung vornehmen und seiner Tochter den Pokal überreichen durfte, "hatten wir beide Tränen in den Augen".
Ihr Vater begleitet sie auch zur WM, betreut sie, gibt ihr Tipps. "Er ist mein Vertrauter, mein Ruhepol." Zu Hause drücken Mutter Manuela, Bruder Nico und Freund Matthias Nowak die Daumen. Auch diesmal will sie die Jury mit gut definiertem Körper und positiver Ausstrahlung überzeugen. Egal wie es ausgeht: Die Teilnahme an sich fühlt sich für sie schon wie ein Sieg an. Und danach? "Ein schönes Eis. Oder Schokolade." Nina lacht.