Sprachlosigkeit gibt meist kein gutes Bild ab. Erst recht nicht bei Führungspersonen, von denen man klare Ansagen erwartet. So passiert am 21. Februar beim Spiel des Eishockey-Zweitligisten ESV Kaufbeuren in Weißwasser. Mit einem Sieg wäre ein Abrutschen in die Abstiegsrunde vorzeitig verhindert worden, doch die Joker fielen in sich zusammen, verloren hoch mit 1:6.
Der als Erfolgstrainer bekannte Andreas Brockmann, der wie berichtet seit Donnerstagabend nicht mehr Coach des ESVK ist, zeigte damals eine neue Seite von sich: Er rang nach der Partie um die richtigen Worte. Letztlich kamen nur inhaltsleere Sätze wie „Wir können nur den Fokus nach vorne richten“ oder „Es ist alles sehr eng“ aus ihm heraus.
An zu hohen Erwartungen gescheitert?
Die Fans hatten hohe Erwartungen vor der Saison. Recht offen äußerten sie den Wunsch, nach drei Halbfinalteilnahmen endlich das Finale zu erreichen. Davon war der ESVK im Februar aber weit entfernt. Die Fans nahmen allen Beteiligten vor allem zwei Freitagsspiele in der heißen Schlussphase übel; neben dem Auftritt in Weißwasser auch das 2: 7 gegen Bayreuth zu Hause. Vorausgegangen war zwar eine starke Phase zwischen November und Januar, aber eben auch ein miserabler Saisonstart mit teils fünf Niederlagen am Stück. Beobachter im Stadion bemängelten, dass Brockmann zu wenig spreche, kein glückliches Händchen beim Timing von Auszeiten mehr habe.
Richtig ist, dass es schlicht zu Brockmanns Naturell gehört, nicht im Übermaße zu kommunizieren – über weite Strecken fuhr der Coach damit auch gut. Irgendwie schien aber das Projekt ESVK mit Trainer Brockmann in der Saison 2019/2020 festzustecken. Am Ende aber schafften es die Joker mit Ach und Krach in die Pre-Play-offs und hätten sich im März sogar noch im Play-off-Viertelfinale gemessen – wäre Corona nicht dazwischengekommen. Doch die Unzulänglichkeiten, die spielerisch über eine teils schwache Abwehr hinausgingen, mündeten nun darin, dass der ESVK Brockmann kein neues Angebot machte.
Rein sportlich ist die Entscheidung des Vereins nicht verkehrt. Wir hatten drei Jahre großen Erfolg, seine Taktik hat gegriffen, aber schon in der vergangenen Saison sind wir berechenbarer geworden.
ESVK-Verteidiger Florin Ketterer
Wie immer bei ausbleibenden sportlichen Erfolgen oder ungewöhnlichen Begebenheiten (zu erwähnen sei auch, dass der ESVK schon im Winter in Bayreuth eine 5: 0-Führung nicht über die Zeit brachte) standen im Team längst nicht mehr alle hinter dem langjährigen Erfolgscoach, sondern wünschten sich einen Neuanfang. Verteidiger Florin Ketterer etwa betonte, dass es menschlich natürlich immer blöd sei, wenn eine Zusammenarbeit ende. „Rein sportlich ist die Entscheidung des Vereins nicht verkehrt. Wir hatten drei Jahre großen Erfolg, seine Taktik hat gegriffen, aber schon in der vergangenen Saison sind wir berechenbarer geworden.“
Viele Befürworter im Team
Eigengewächs Daniel Oppolzer sagte unserer Redaktion: „Ich maße mir nicht an, nun zu sagen, ob die Entscheidung richtig oder falsch war. Ich finde, dass wir in den vergangenen Jahren großteils sehr erfolgreich waren und Andi und die Mannschaft einen super Job gemacht haben. Im Sport ist es aber immer leichter, den Trainer zu tauschen als große Teile des Teams. Es ist auch bekannt, dass von Trainerwechseln meist ein gewisser Effekt ausgeht.“
Welch große Verdienste sich Brockmann in den vier Jahren, in denen er die Joker immer in die Play-offs führte, erwarb, zeigt sich aber auch darin, dass er durchaus noch eine Vielzahl an Befürwortern im Team hatte. Zu ihnen gehört Max Lukes, der vergangenen Herbst aus Bietigheim in seine Allgäuer Heimat zurückkehrte. „Seit ich hier bin, hat Andi mir sein Vertrauen geschenkt. Er hat immer ein offenes Ohr gehabt“, berichtete der Stürmer, der in Kaufbeuren noch einen Vertrag bis 2022 hat. „Manche haben das nicht wahrgenommen. Ich bin echt schockiert und traurig darüber, dass Andi nicht mehr unser Trainer ist.“ Lukes könne die Entscheidung in Anbetracht des Erfolgs nicht verstehen. „Er hat die Mannschaft erreicht, sonst wären wir nicht ins Viertelfinale gekommen.“
Ich bin echt schockiert und traurig darüber, dass Andi nicht mehr unser Trainer ist. Er hat die Mannschaft erreicht, sonst wären wir nicht ins Viertelfinale gekommen.
Stümer Max Lukes
Großen Dank sprachen auch die Gesellschafter des Vereins in einem gemeinsamen Statement aus. Darin hieß es unter anderem, dass aus der Zusammenarbeit eine schöne Freundschaft entstanden sei, „die dies überdauert.“
Andreas Brockmann will derzeit keine Interviews geben
Brockmann, der auf die Entscheidung des Vereins angeblich „emotional“ reagiert haben soll, hat auch am gestrigen Freitag die Anfragen unserer Redaktion unbeantwortet gelassen. Er ließ ausrichten, dass er derzeit keine Interviews geben wolle, er würde da vermutlich nur Unüberlegtes sagen.
Derweil laufen beim ESVK die Planungen der Zukunft: Ganz offenbar gibt es schon konkrete Kandidaten für die Brockmann-Nachfolge, allerdings noch keinen unterschriebenen Vertrag, wie ESVK-Geschäftsführer Michael Kreitl betont. Wahrscheinlich ist, dass es auf eine Lösung mit einem ausländischen Trainer hinausläuft. „Der Markt an deutschen Trainern ist rar gesät. Um unsere Kaderplanung weiter zu forcieren, werden wir versuchen, schon in Kürze einen neuen Trainer zu präsentieren“, kündigte Kreitl an.
Der Funktionär erklärte aber auch, dass die Suche nach neuen Spielern von Corona massiv beeinflusst werde. „Jeder ist momentan sehr vorsichtig. Die Kaderplanung hängt auch mit der weiteren Corona-Entwicklung zusammen“, sagt Kreitl mit Blick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen des Shut-Downs.