Als das zuvor mit 8000 Zuschauern volle Stadion schon wieder so gut wie leer war, trug Geschäftsführer Mario Loy zwei Kisten mit roten Bodenseeäpfeln aus der Gästekabine. In die Schale waren mit einem Laser das Logo des FC Bayern München und jeweils ein Spielername eingraviert worden. Die vitaminhaltigen Gastgeschenke ließ der Rekordmeister nach seinem Besuch am Bodensee aber zurück - ebenso wie viele enttäuschte Fans.
Ohne ein Dutzend Topstars entging der Doublesieger nur knapp einer Blamage und gewann erst durch zwei späte Tore das Jubiläumsspiel bei der SpVgg Lindau mit 4:2 (2:1) - einem Neuntligisten. "Die waren ganz schön angefressen", verriet Lindaus Spielertrainer Marco Mayer. Und so war der Bayern-Bus bereits eine halbe Stunde nach dem Abpfiff wieder weg. Die geduldig ausharrenden Fans warteten vergeblich auf die angekündigten Autogramme oder Selfies. Auch die Medien bekamen keine Interviews.
Der Verein hatte alles für ein Fußballfest vorbereitet. Der nach Vorgabe der Bayern auf exakt 1,6 Zentimeter zurechtgestutzte Rasen im städtischen Stadion war in einem Topzustand. Die ersten Fans warteten bereits über vier Stunden vor Spielbeginn auf den Einlass, auf der großen Zusatztribüne herrschte trotz vorübergehendem Regen eine ausgelassene Volksfeststimmung.
Robben und Ribery doch nicht dabei
Als Mats Hummels als erster Profi um 16.39 Uhr das Stadion betrat, brandete lauter Jubel auf. Die Bayern-Spieler trugen sich zuerst ins Goldene Buch der Stadt ein, ebenso Karl-Heinz Rummenigge, Hasan Salihamidzic und Niko Kovac. Wer genau hinsah, stellte hier schon fest: Viele Stars fehlten. Allen voran Arjen Robben und Franck Ribery.

Dabei war das Freundschaftsspiel zum 100-jährigen Bestehen der SpVgg Lindau als deren Abschiedsvorstellung im Bayern-Trikot angekündigt worden. Auch Neuer, Müller, Alaba, Lewandowski oder Thiago waren nicht dabei. Wieso nicht, brachte niemand so genau in Erfahrung. "Die Saison war lang", habe er auf Nachfrage als Auskunft erhalten, erzählte Lindaus Pressebeauftragter Markus Trilfinger hinterher.
Obwohl sie viele Amateure und Nachwuchsspieler einsetzten, waren die Bayern natürlich überlegen. Aber sie trafen das Tor nicht. Lindaus Keeper Alexander Koppers erwischte an seinem 25. Geburtstag einen Sahnetag und zeigte vor der Pause ein halbes Dutzend Glanzparaden.
Mein Highlight war: Süle kam im Spiel zu mir her und sagte: ‘Stabil, Bruder!’ Da war ich echt geflasht. Was will man mehr?Lindaus Torhüter Alexander Koppers
"Du bist ein Gigant", adelte ihn Stadionsprecher Wolfram Hofer. Und Präsident Werner Mang, der das Spiel eingefädelt hatte, verriet: "Rummenigge hat zu mir gesagt, den Koppers will ich kaufen."
Durch Tore von Resul Türkkalesi (22.) und Paul Will (25.) führte Bayern zwar mit 2:0, doch vom vermeintlich gigantischen Unterschied zwischen Bundesliga und Kreisliga war phasenweise kaum etwas zu sehen. Lindau spielte mutig mit und kam sogar zu Torchancen. Als dann Musa Gaye das 1:2 köpfte (44.), explodierte das Stadion förmlich.
Und es sollte noch besser kommen: In der zweiten Halbzeit glich Lindau tatsächlich zum 2:2 aus. Amir Bolic traf nach einem missglückten Klärungsversuch von Joshua Kimmich (73.). "Das passiert dir nur einmal - davon kannst du dein Leben lang erzählen", schwärmte der Torschütze.
Der Pfosten verhindert das 3:3
Und das Spiel blieb verrückt: Als Daniel Fritzler per Eigentor das 2:3 erzielt hatte (82.), schien der Widerstand der Amateure gebrochen. Doch dann bekam Lindau einen Freistoß an der Strafraumgrenze: Der eingewechselte Marco Mayer schoss, Torwart Christian Früchlt ließ abprallen - und Benedikt Chupik traf aus kurzer Distanz nur den Pfosten. Es wäre für die Feierabendkicker der erneute Ausgleich gewesen.
In der Schlussminute erzielte Kingsley Coman nach einem Konter über Renato Sanches noch das 2:4. Ein Ergebnis, mit dem nicht einmal die kühnsten Optimisten gerechnet hätten. "Ich dachte, es wird zweistellig", sagte Lindaus Stürmer Antonio Paturzo, der sich in der Halbzeit als Andenken das Trikot von Niklas Süle geschnappt hatte.
Und so feierten die 8000 Fans den Auftritt des krassen Außenseiters, der um den Aufstieg in die Bezirksliga kämpft, fast mehr als den der Bayern, bei denen Mats Hummels kurz vor Schluss verletzt vom Feld ging. "Das war der Hammer. Wir haben uns sensationell präsentiert. Das war eine gute Werbung für Lindau", sagte Marco Mayer.
Wie viele seiner Spieler fand auch er es "schade", dass Robben und Ribery doch nicht dabei waren. Aber der 34-Jährige hatte auch Verständnis: "Die wollen in den Urlaub."
Das Spiel in Zahlen
SpVgg Lindau - FC Bayern München 2:4 (1:2)
Lindau Koppers (46. Uyunc, 69. Thommes), Fetscher (46. Bolic), Riedesser (46. Cientanni), Misios (46. Drozdek), Akkas (46. Chupik), Paturzo (46. Christmann), Hörtkorn (46. Bergmann), Houssein (46. Adopler), Rupflin (27. Milijasevic, 60. Mayer), Gaye (46. Gümüs), Nikolaidis (46. Fritzler)
Bayern Ulreich (46. Früchtl), Türkkalesi (46. Zaiser), Süle (46. Hummels), Senkbeil, Davies (46. Jelisic), Tolisso (46. Sanches), Will - Franzke (46. Batista Meier), Shabani (46. Kimmich), Gnabry (46. Coman), Zirkzee
Tore 0:1 Türkkalesi (22.), 0:2 Will (25.), 1:2 Gaye (44.), 2:2 Bolic (73.), 2:3 Fritzler (82./Eigentor), 2:4 Coman (89.)
Gelbe Karten - / Kimmich
Zuschauer 8000
Schiedsrichter: Fimpel (Bad Wurzach)