Wenn man Helmut Balk in seinem weißen Trikot und der Aufschrift seines Heimatvereins TTV Dirlewang an der grünen Tischtennisplatte stehen sieht, könnte man nicht meinen, dass der Mindelheimer kürzlich seinen 90. Geburtstag im Kreise seiner Familie und Freunde gefeiert hat. Mit lockerer Hand schlägt er die kleinen Zelluloidbälle und bringt seinen Gegner ganz schön zum Schwitzen.
Wenn Balk anfängt, über seine Tischtenniskarriere zu erzählen, dann wird einem erst bewusst, wie viele aktive Jahre der rüstige Rentner schon auf dem Buckel hat. Als der damals 17-Jährige am Ende des Zweiten Weltkrieges in amerikanische Gefangenschaft kam, hat seine Liebe zum kleinen runden Ball begonnen. So unglaublich es klingen mag, so schön ist es zu hören, dass die schrecklichen Kriegsereignisse auch einen kleinen Funken Positives bewirkt haben. Denn im Nordwesten Frankreichs, in Le Havre, verbrachte Helmut Balk die Gefangenschaft. Ein amerikanischer Soldat drückte ihm eines Tages einfach einen Schläger in die Hand. "Damals wusste ich nicht wirklich, was ich damit anfangen soll", erzählt er.
Seit 1961 in Dirlewang
Ganz heimlich zeigte ihm der Amerikaner, wie er spielen müsse, und brachte ihm viele Tricks und Kniffe bei. "Das musste natürlich komplett geheim ablaufen, da die Vorgesetzten keinem Gefangenen helfen durften. Wenn sie uns entdeckt hätten, wäre er schwer bestraft worden." 1957 trat Balk in seinem damaligen Wohnort Augsburg in einen Verein ein. Nur knapp vier Jahre später zog er aus beruflichen Gründen nach Mindelheim. "Da es dort damals keinen Tischtennisverein gab, bin ich durch einen Kunden auf Dirlewang aufmerksam geworden", berichtet er mit leuchtenden Augen. 1961 waren die Tischtennisspieler in Dirlewang noch eine Abteilung des FSV. Erst 1977 machte sich der Verein selbstständig.
Tischtennis hat mich von Anfang an gefesselt.Helmut Balk
"Er zeigte uns von Anfang an, wie ein technisch schönes Spiel abläuft", sagt Schriftführer Johann Irsigler über Balk. In Dirlewang entstand eine tiefe Freundschaft mit Walter Hilebrand, der den Tischtennissport in der Marktgemeinde mitbegründet hat. Obwohl Hilebrand aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr spielen kann, nutzen die beiden noch immer jede freie Minute zur Geselligkeit.
"Tischtennis hat mich von Anfang an gefesselt", erzählt Helmut Balk. Heiße Matches liefert er sich mittlerweile allerdings nicht mehr, doch dafür kommt er jeden Mittwochabend in die Turnhalle, um den Ball über das Netz zu spielen. Das Training ist für ihn wöchentliches Pflichtprogramm geworden - auch ohne den Punktspielbetrieb. Sein letztes Punktspiel absolvierte er 2010.
Bei schummrigem Licht bis spät in die Nacht
Der Belag des Schlägers, die vielen Regeln und das schnelle Spiel seien die größten Veränderungen des Sportes in den vergangenen Jahrzehnten, sagt Helmut Balk. Er lobt den damaligen Tischtennis-Kreisvorsitzenden Dieter Ramsch: "Er war maßgeblich daran beteiligt, auch kleineren Dörfern den Tischtennissport näherzubringen und ihn dort zu verbreiten." Im Altlandkreis Mindelheim gab es zunächst nur in Bad Wörishofen, Türkheim und Dirlewang einen Verein. Heute ist das Aushängeschild der TTSC Warmisried - in einem Dorf mit ein paar Hundert Einwohnern.
Die Gründungsgeschichte des TTV Dirlewang ist für heutige Verhältnisse schier unglaublich: Anfang der Sechzigerjahre lieferten sich neun Hobbyspieler im früheren Schuhhaus Thauer bei schummrigem Licht bis spät in die Nacht spannende Duelle. Dass die Tischtennisplatte zu lang und nicht breit genug war, wurde erst einige Zeit später bemerkt und galt als perfekte Ausrede, wenn einige Spiele auf fremden Platten verloren gingen.
Tischtennis-Sibirien in Mittelschwaben
Das größte Problem zur damaligen Zeit war es, ein passendes Spiellokal zu finden. Der Wirt des Cafés Schaumann stiftete die erste Platte. Das Platzangebot in der Gaststätte war jedoch alles andere als optimal, und so begann die Suche nach einer anderen Lokalität. Bei gutem Wetter wurden die grünen Platten in der alten Schule aufgestellt, später war der Saal im Gasthaus Rössle Schauplatz des Spielgeschehens.
Ein Ende fand die Spiellokal-Suche im Speicher der Schreinerei Leinsle. Aber auch dort mussten die Spieler so manches Hindernis überwinden: Im Winter war von "Tischtennis-Sibirien in Mittelschwaben" die Rede. Und trotzdem war der TTV Dirlewang der zweite seiner Art im Altlandkreis Mindelheim - nach den Tischtennisfreunden Bad Wörishofen. Entsprechend stolz sind die Mitglieder des TTV, dass sie mit Helmut Balk ein wahres Urgestein des Tischtennissports in ihren Reihen haben. Sie hoffen, dass Balk noch lange an der Platte steht und die Dirlewanger Spieler zum Schwitzen bringt.