Es gibt diesen einen besonderen Moment mit dem gerade gestorbenen Jürg Tiedge, der einer ganzen Generation von Jugendspielern des EV Füssen immer in Erinnerung bleibt. 2010 war das. Eine lange und damit erfolgreiche Saison war gerade zu Ende gegangen. Der Erfolg damals: Er schmeckte süß wie lange nicht mehr. Im März, an einem Mittwochabend, verteidigte das Jugendteam des EV Füssen den deutschen Meistertitel. Ausgerechnet in Kaufbeuren, beim hohen Favoriten.
Euphorisch ließen es die Spieler, alles Schüler, anschließend krachen, als gäbe es kein Morgen, feierten im Stammlokal Moskito bis tief in die Nacht. „Und Herr Tiedge war mittendrin“, sagt Lukas Jentsch, einer der Meisterspieler. Seinen Stolz haben sie an diesem Abend alle gespürt.
Ein jahrelanger Kampf um den Erhalt des EVF
Ich bin überzeugt: Es gäbe den EV Füssen nicht mehr, wenn Jürg Tiedge nicht in die Bresche gesprungen wäre.Füssens Bürgermeister Paul Iacob
Es ist diese eine Szene, die der bisher letzten goldenen Generation von Spielern des EV Füssen dieser Tage in den Sinn gekommen ist – der Anlass aber ist ein trauriger. Am Dienstag ist Jürg Tiedge, der dem EV Füssen von 1992 bis 2015 vorstand, mit 65 Jahren im Krankenhaus in Augsburg gestorben. Er hatte sich vor einiger Zeit schon einem komplizierten Eingriff unterzogen, von dessen Folgen er sich nicht mehr erholte.
„Alle sind ergriffen und unendlich traurig“, sagt Jentsch für jene Spieler, die mit dem damaligen geschäftsführenden Vorstand eine rauschende Feier erlebten. Nie hatten sie Tiedge so gelöst und so stolz erlebt, wie in jener Nacht. Allzu oft hatte er verbissen um den Erhalt dieses großen Traditionsvereins gekämpft, kämpfen müssen, den er schwer angeschlagen übernommen hatte.
Weit über 700.000 Mark an Verbindlichkeiten hatte der Verein angehäuft – und war am Ende. „Ich bin überzeugt: Es gäbe den EV Füssen nicht mehr, wenn Jürg Tiedge nicht in die Bresche gesprungen wäre“, sagt Füssens Bürgermeister Paul Iacob. Tiedge schaffte damals, woran niemand mehr glaubte: Er entschuldete den Verein mittels eines außergerichtlichen Vergleichs und hauchte ihm neues Leben ein. Dabei ging er selber mit der Zeit ein hohes Risiko ein, setzte privates Geld ein, bürgte mit Haus und Hof.
Er war der EV Füssen
Diese Symbiose wurde mit der Zeit immer enger: Tiedge war der EV Füssen. Und der EV Füssen war Tiedge. Wie untrennbar sie miteinander verbunden waren, zeigte die Tatsache, dass er nie gegangen ist, obwohl er sich in all den Jahren häufiger zurückziehen wollte. Vielleicht nie gehen konnte. Bis zur Insolvenz 2015.
Selbst nach einem Herzinfarkt im Jahr 2012 saß er schneller wieder im Büro im Eisstadion, als es ihm selber lieb war. „Hätte ich nach dem Herzinfarkt bloß aufgehört“, habe Tiedge einmal zu ihm gesagt, sagt Markus Gmeiner, der zu seinen engsten Vertrauten gehört – und nun um einen Freund trauert.
Jürg Tiedge war ein Kämpfer für das deutsche Eishockey.DEB-Präsident Franz Reindl
Ihm wäre vieles erspart geblieben. Vor allem die Insolvenz mit allen Folgen, die bis zu seinem Tod noch immer nicht abgeschlossen war. „Das hat ihn schwer belastet“, sagt Gmeiner. „Jürg Tiedge war ein Kämpfer für das deutsche Eishockey“, würdigt ihn DEB-Präsident Franz Reindl, der wie so viele geschockt ist von dessen unerwarteten Tod. „Er hat viel für den Verein und gerade den Nachwuchs getan“, sagt Lukas Jentsch.
Der Respekt vor Tiedges Lebensleistung ist riesig – daran werden sie sich immer erinnern. Genau wie an jene Nacht 2010.