Die Corona-Pandemie stellt auch den Sport derzeit vor ungeahnte Herausforderungen. Umfassende Hygienekonzepte werden erstellt, Fahrpläne zur Rückkehr in den Trainingsalltag und neue Haus- und Spielordnungen. In der Krise beweisen Verbände und Vereine Kreativität. Der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) hat zuletzt sogar eine „Task Force“ gebildet, die sich in diesen schwierigen Zeiten um die Zukunft des Sports kümmern soll. Interdisziplinär arbeiten dort Sportler, Hersteller, Mediziner und Wissenschaftler an einer passenden Strategie. Unter anderem wurde dabei der geschlossene Helm mit Vollvisier als Teil der Lösung ins Gespräch gebracht.
Die Ansteckungsgefahr über Speichel und Schweiß soll verhindert werden
Basierend auf bisherigen Modellen soll der Marktführer für Eishockey-Helme den Prototypen für die Coronazeit entwickeln. So soll die Ansteckungsgefahr über Speichel und Schweiß eingedämmt werden. „Daran wird bereits gearbeitet“, bestätigt Stefan Schaidnagel, DEB-Sportdirektor aus Sonthofen. Das beauftragte Unternehmen hat in den vergangenen Wochen schon einen Gesichtsschutz für den medizinischen Bereich binnen weniger Tage zur Serienreife gebracht. Ist das Vollvisier also künftig ein prägendes Merkmal eines neuen Eishockey-Alltags? Schaidnagel will sich derzeit noch nicht darauf festlegen. Er sagt: „Wir müssen alle Möglichkeiten und Eventualitäten überprüfen.“
Vorgeschrieben ist ein Vollgesichtsschutz bislang nur für Frauen und Jugendspieler bis 18 Jahre. Allerdings trägt kaum jemand Plexiglas am Helm, sondern Gitter. Nationalspielerin Daria Gleißner, die für den ECDC Memmingen in der Bundesliga aktiv ist, sagt: „Es ist alles eine Sache der Gewöhnung. Wenn es diese Auflage sein soll, damit wir bald wieder unserem Sport nachkommen können, geht das zu 100 Prozent in Ordnung.“ In anderen Ländern sei das Vollvisier schließlich schon länger auf dem Markt.
Die Hemmschwelle für üble Checks und Attacken gegen den Kopf sinkt
Und auch in Deutschland ist diese Ausrüstungsdiskussion nicht neu. Die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) denkt schon viel länger darüber nach. Vor mittlerweile zehn Jahren lud die VBG erstmals zu einer Diskussionsrunde ein, an der damals unter anderem Ex-Nationalspieler Stefan Ustorf aus Kaufbeuren beteiligt war. Und er hatte sich nicht nur wegen der schlechten Sicht gegen die Spezialglasscheibe ausgesprochen. Die Hemmschwelle für üble Checks und Attacken gegen den Kopf würde sinken. Ein Vollvisier erwecke den Eindruck, Spieler könnten sich nicht verletzen und seien unverwundbar.
In der Vergangenheit trugen Eishockey-Profis einen solchen Helm meistens nur nach schweren Verletzungen. So wie Florian Schnitzer, der Anfang der 2010er Jahre bei den Augsburger Panthern spielte. Er hatte sich an einem Auge und am Kiefer verletzt und setzte anschließend auf den Plexiglas-Schutz. Er monierte aber seinerzeit, die Sicht nach unten sei nicht gut. Außerdem beschlage das Visier.
All das berücksichtige man heute in der Entwicklung, betont DEB-Sportdirektor Schaidnagel. Von den Vereinen gebe es bislang recht wenig Resonanz auf diesen Vorstoß. Auch Michael Kreitl, Geschäftsführer des Zweitligisten ESV Kaufbeuren, sieht dem gelassen entgegen. Er meint: „Es ist ja nur eine von vielen Ideen. Jede Maske, jedes Schild ist momentan sehr umstritten. Fußball, Handball, Basketball. Das sind auch Kontaktsportarten. Muss da jemand auf dem Spielfeld eine Maske tragen? Wohl kaum.“