Zagreb, Istanbul, Rabat, Madrid, Rom, Nürnberg, Paris – und jetzt das Allgäu. In nur acht Wochen hat Ex-Tennis-Profi Dieter Kindlmann zuletzt all diese Stationen abgearbeitet. Der Blaichacher, der gestern seinen 37. Geburtstag feierte, arbeitet inzwischen als Trainer für Top-Spielerinnen, derzeit mit Ajla Tomljanovic. Mit ihr reist er von Turnier zu Turnier, die Australierin belegt Rang 47 der Weltrangliste. „Ich bin unglaublich heimatverbunden und versuche, jede freie Minute im Allgäu zu verbringen“, sagt Kindlmann und ergänzt: „Ich lebe zur Zeit in Florida und bin ständig auf der ganzen Welt unterwegs: In den letzten acht Monaten war ich nur drei oder vier Wochen hier.“ Dass er dennoch am zurückliegenden Wochenende für die Männer 30 des TSV Kottern im Regionalliga-Heimspiel aufschlagen konnte, ist für die Kemptener Vorstädter ein Glücksfall, den sie einigen Zufällen zu verdanken haben.
Das Allgäu ist wunderbar, einfach etwas ganz Besonderes.Dieter Kindlmann
Denn bei der 3: 6-Niederlage der St. Manger (Rang sechs) gegen den verlustpunktfreien Tabellenführer TVA 1860 Aschaffenburger bestritt Kindlmann nicht nur seine ersten offiziellen Partien seit sieben Jahren. Wäre seine Klientin nicht in der ersten Runde der French Open an der Nummer drei der Welt (Simona Halep/Rumänien) gescheitert, hätte Kindlmann seinen Heimaturlaub verschieben müssen, um ihr weiter beizustehen – und damit auch seine Premiere für die Allgäuer.

Gegen den Spitzenspieler der Gäste, Christoph Schuhmann, unterlag Kindlmann sowohl knapp im Einzel im Match-Tiebreak (3: 6; 6: 3; 8: 10) als auch im Doppel mit Moritz Maier (3: 6; 5: 7). Doch wie kam es überhaupt, dass die ehemalige Nummer 130 der Welt für die Kemptener gemeldet ist? TSV-Tennis-Sportwart Philipp Mendoza erklärt: „Dieter und ich haben früher oft gegeneinander gespielt und kennen uns gut. 2018 haben wir uns zufällig bei einem Trainer-Lehrgang getroffen und danach Kontakt gehalten.“ Im Herbst habe Mendoza „optimistischerweise“ gefragt, ob sich sein alter Bekannter vorstellen könne, für Kottern in Deutschlands zweithöchster Spielklasse dieser Kategorie anzutreten. „Wir haben uns im Oktober getroffen – und er war einverstanden“, erinnert er sich.
Aus Marketing-Sicht war Kindlmanns Auftritt ein Erfolg: Es kamen deutlich mehr Menschen zum Heimspiel als üblich. 160 Zuschauer verfolgten laut Sportlichem Leiter Bernd Scholz die Partien – sonst finden oft nur rund 30 Fans den Weg zu den Anlagen. Kindlmann berichtet: „Ich habe mich echt gefreut: Ich habe im Allgäu immer noch viele Freunde und Familienmitglieder. Einige davon sind als Zuschauer gekommen.“
Ich bin unglaublich heimatverbunden und versuche, jede freie Minute im Allgäu zu verbringen. Dieter Kindlmann
Zum frühen Scheitern seiner Klientin beim Grand-Salam-Turnier in Frankreich sagt Kindlmann: „Das war unglücklich. Gegen viele andere Gegnerinnen hätten wir wahrscheinlich mehr Chancen gehabt.“ Immerhin gelang Tomljanovic aber ein Satzgewinn (2: 6; 6: 3; 1: 6). Kindlmann erklärt: „Sie hat sich wirklich teuer verkauft, aber am Ende zählt in diesem Geschäft eben nur der Erfolg.“
Kindlmann spricht von Leistungsdruck, kräftezehrenden Reisen und hoher Belastung: „Ich bin rund um die Uhr mit meiner Spielerin unterwegs, und wir müssen immer liefern. Das kann anstrengend sein. Man muss da einen Mittelweg zwischen Freundschaft und Arbeit finden. Mal muss ich Druck von ihr nehmen, mal aufbauen. Mal muss ich sie beruhigen, mal aufmuntern – das ist nicht nur Sport, da ist auch die menschliche Komponente sehr wichtig.“ Die vielen Turniere auf der ganzen Welt ließen kaum Zeit für Privatleben. „Es hört sich total cool an, wo wir überall hinkommen. Wir sind 40 Wochen im Jahr unterwegs. Aber die Leute vergessen oft: Wir fahren da ja nicht zum Urlaub hin, wir arbeiten“, erklärt Kindlmann, stellt aber sofort klar: „Ich liebe meinen Job sehr!“

Entlastung findet er in der Heimat: „Ich bin extrem gern Allgäuer. Wenn ich hier bin, gehe ich wandern, fahre Fahrrad oder unternehme was mit Freunden. Die Berge, die Seen, allgemein die Natur: Hier kann ich toll abschalten. Außerdem bin ich eng mit meiner Familie verbunden. Ich selbst bin zwar Single, aber ich bin stolzer Onkel und besuche meine Eltern so oft es geht. Sowas ist mir wichtig.“
Ob es in dieser Saison noch mit einem zweiten Einsatz für den TSV Kottern klappt, kann er noch nicht sagen. Am Freitag verlässt der Oberallgäuer seine Heimat wieder. Innerhalb kürzester Zeit geht es für ihn dann nach Nottingham, Mallorca, Eastbourne und Wimbledon. Doch schon jetzt freut er sich darauf, wenn er das nächste Mal „heim“-kommen kann: „Das Allgäu ist wunderbar, einfach etwas ganz Besonderes.“