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Fußball-EM 2024: Southgates England und die Frage nach der Taktik

Fußball-EM 2024

Zitterpartie statt Triumphzug: Southgates England und die Frage nach der Taktik

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    Das Team von Gareth Southgate stand gegen die Slowakei kurz vor dem Aus.
    Das Team von Gareth Southgate stand gegen die Slowakei kurz vor dem Aus. Foto: Marius Becker, dpa

    Auf sozialen Netzwerken kursiert gerade ein Bild, das Englands Nationaltrainer Gareth Southgate zeigt. Neben ihm steht sein Spieler Conor Gallagher, bereit zur Einwechslung. Dazu ist ein Dialog zu lesen. Southgate stellt dem 24-Jährigen des FC Chelsea die Frage: "Du weißt, was zu tun ist?" Der antwortet: "Nein." Southgate daraufhin: "Ich auch nicht. Grüß Jude von mir." Natürlich hat dieser Dialog so nie stattgefunden. Die Leistungen der Three Lions werfen aber durchaus die Frage auf, welchen Plan und welche Taktik der Coach seinen Spielern vor den bisherigen vier Turnierauftritten gegeben hat. 

    England, das im Vorfeld zu den großen Turnierfavoriten zählte, zeigte bislang durchweg grausige Auftritte. Dabei hatte das Team oft einfach Glück, über überragende Einzelkönner wie jenen erwähnten Jude zu verfügen, der auf den Nachnamen Bellingham hört und die Engländer mit einem Ausgleich in allerletzter Minute gegen die Slowakei vor dem Ausscheiden bewahrt hatte. In der Verlängerung besorgte mit Harry Kane ein weiterer Topstar die 2:1-Führung, die bis zum Schluss halten sollte.

    Gary Neville
    Gary Neville Foto: Kai Försterling/EFE FILE/dpa/Archiv

    TV-Experte Gary Neville: "Wir waren elendig schlecht"

    Ein 1:0 gegen Serbien, ein 1:1 gegen Dänemark, ein furchtbar anzusehendes 0:0 gegen Slowenien und dann das Beinahe-Aus im Achtelfinale gegen die Slowakei - das ist viel zu wenig angesichts der Möglichkeiten, die dieser Kader aufweist. Der ehemalige Nationalspieler Gary Neville, heute als TV-Experte im Einsatz, sagte dazu beim Sender ITV: "Wir waren elendig schlecht und zwar in allen vier Spielen." Die 26 englischen Spieler weisen laut dem Branchenportal Transfermarkt.de einen Marktwert von 1,52 Milliarden Euro auf. Es ist der mit Abstand höchste Wert bei diesem Turnier, dahinter folgen Frankreich (1,2 Milliarden) und Portugal (eine Milliarde).

    Die Kritik der englischen Medien und Fans konzentriert sich auf Southgate. Der Vorwurf: Der 53-Jährige, seit 2016 im Amt, lässt ohne erkennbares Konzept spielen und verschwendet das enorme Potential dieser Mannschaft. Der einzig erkennbare Ansatz sei es, völlig auf die Defensive zu setzen und damit das kreative Potential seiner Offensivspieler zu ersticken. Ein anderer Running Gag, der derzeit in England kursiert, lautet: "Wenn Southgates Handy-Akku bei 99 Prozent steht, wechselt er in den Energiesparmodus."

    Eigentlich schien das englische Team reif für den Titel bei der EM 2024 zu sein

    Southgate, so scheint es, hat jenseits der EM keine sonderlich große Perspektive. Schon vor Anpfiff des Achtelfinales pfiffen einige englische Fans, als bei der Mannschaftsaufstellung der Name des Trainers verkündet wurde. Und das, obwohl er sich in seiner Amtszeit Stück für Stück eine positive Reputation aufgebaut hat. Gekommen als Notlösung, sah sich der ehemalige Nationalverteidiger von Beginn an mit Vorbehalten konfrontiert - und lieferte auf sportliche Weise Argumente. Bei der WM 2018 landete England auf Rang drei, beim Turnier 2022 in Katar war im Viertelfinale gegen Frankreich Schluss. Bei der EM 2021 verpasste Southgate den Titel erst im Elfmeterschießen denkbar knapp. Schon der Mannschaft vor drei Jahren fehlte nicht viel - vielleicht ein bisschen mehr Erfahrung. 

    Die hat das Team nun im Übermaß und scheint nun reif für den Titel zu sein. Spieler wie Bukayo Saka etwa, vor drei Jahren noch einer der Newcomer, ist seither eine Stammkraft bei Arsenal und gilt als einer der besten Flügelstürmer der Welt. Dazu ist Bellingham spätestens seit seinem Wechsel zu Real in der Weltklasse angekommen, in der Kane ohnehin schon lange spielt. Alles gilt als angerichtet - und ausgerechnet jetzt stottert der Motor der englischen Mannschaft erheblich. Gegen die Schweiz muss nun endlich das Gaspedal gefunden werden. Das ist vor allem eine Aufgabe für Gareth Southgate, wie Gary Neville bei ITV sagte: "Für Gareth heißt es jetzt oder nie. Er muss eingreifen und das Drehbuch, das er das ganze Turnier über hatte, über den Haufen werfen." Ob Southgate etwas fundamental ändert, wird am Samstag zum 18 Uhr gegen die Schweiz zu sehen sein. Für den 53-Jährigen ist es das 100. Länderspiel als England-Trainer - verliert er, wird es wohl auch sein letztes sein.

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