Die Unterkunft für ihr zweiwöchiges Trainingslager haben sich die Mitglieder der deutschen Freeski-Nationalmannschaft selbst organisiert. Groß und billig sollte die Ferienwohnung sein. Dass die sechsköpfige Reisegruppe mit Laax ausgerechnet auf einen Skiort in den Schweizer Bergen als Destination fixiert war, mag bei diesen Suchkriterien verwundern. Aber Laax ist mit seinem gigantischen Snowpark nun mal das Mekka der alternativen Schneesportszene. Wohl nirgendwo sonst im Alpenraum gibt es bessere Schanzenlandschaften und Slopestyleparcours - was in der Schweiz natürlich ebenfalls seinen besonderen Preis hat. Immerhin gibt es über den deutschen Skiverband verbilligte Lifttickets für die Trainingsgemeinschaft.
Mit Tobias Müller und Sebastian Geiger gehören ihr auch zwei Allgäuer an. Tobias Müller kommt aus Lengenwang und ist bis zu seinem 13. Lebensjahr Skirennen gefahren. Dann entdeckte er auf den Kickern, Boxen und Rails die große Skifreiheit - und mischte innerhalb kürzester Zeit die deutsche Nachwuchsszene auf. Heute ist Müller 21 Jahre alt, startet im Weltcup und profitiert dabei nach wie vor von seiner turnerischen Ausbildung im Schüleralter, vor allem bei den Big-Air-Wettkämpfen. In bis zu sieben Metern Höhe wirbeln die Athleten durch die Luft, greifen sich während ihrer komplizierten Flugmanöver an die Ski, versuchen damit dem Sprung einen eigenen "Style" zu geben, was bei den "Judges" (Kampfrichter) besonders gut ankommt.
Coole Atmosphäre

Als kürzlich die Freeski-Weltelite in Mönchengladbach halt machte, wo auf grüner Wiese aus unzähligen Stahlrohren eine riesige Schanzenanlage aufgebaut worden war und mehrere tausend Zuschauer im Auslauf die Stars der Freeski-Szene feierten, sog Müller "die richtige coole Atmosphäre" in sich auf. Dass er nach seinen beiden Qualifikationssprüngen auf Platz 24 das Finale der besten Zehn verpasste, trug der Ostallgäuer mit Fassung. "Ich habe meine beiden Tricks gestanden und war mit meiner Leistung zufrieden", resümiert Müller in der für ihn typisch unaufgeregten Art.
Andreas Neuhauser, der Müller in jungen Jahren in sein Mountain Action-Team geholt hatte, wo der Rohdiamant seinen ersten Schliff erhielt, attestiert seinem Schützling "eine entspannte Hartnäckigkeit". Wenn sich Müller etwas vorgenommen habe, verfolge er sein Ziel "mit einer unwahrscheinlichen Ausdauer", meint der Kemptener, der sich seit Jahren intensiv um die Allgäuer Freeski-Talente kümmert und dem Müller nach eigenen Worten sehr viel zu verdanken hat. Eines der Ziele heißt: Teilnahme an den Olympischen Spielen im Februar 2018. Zählt der Informatik-Student bis dahin zu den besten 30 der FIS-Slopestyle-Weltrangliste - neben Big Air und Halfpipe eine von drei Freeski-Disziplinen - darf er in Südkorea an den Start gehen. Dafür muss er in dieser Saison schon mal Weltcup-Punkte sammeln.
Ritt über Rails, Boxen und Kicke
Sebastian Geiger, Müllers Teamkollege aus Oberstdorf, macht sich weniger Hoffnungen auf einen Olympia-Start. Der Ritt über Rails, Boxen und Kicker zählt nicht mehr zu seinen absoluten Stärken. Seine Parade-Disziplin Big Air ist aber im Gegensatz zu Slopestyle nicht Teil des olympischen Programms. Was der 24-Jährige auf den Riesenschanzen kann, demonstrierte er in Mönchengladbach. Dort schaffte der Dienstälteste im deutschen Freeski-Team als einziger männlicher DSV-Vertreter den Einzug ins Finale und belegte am Ende Platz zehn.
Zwar wird auch Geiger ab Januar bei Weltcups an den Start gehen. Aber er will sich in den kommenden Monaten ausreichend Zeit für Filmprojekte nehmen. Damit schlägt "Sebi", wie ihn alle nennen, den klassischen Freeskier-Karriereweg ein: sich zuerst in den Contests einen Namen machen und dann auf Videoproduktionen konzentrieren.
Momentan profitiert Geiger wie sein Teamkollege Müller vom Nationalmannschaftsstatus. Auch wenn es laut Geiger nicht "mega viel Geld" vom Verband gebe, sei die Unterstützung von dieser Seite sehr wichtig. "Ohne sie würde es nicht gehen", meint gar Müller. Geiger, der an der Hochschule Ansbach mit anderen Leistungssportlern "Internationales Management" studiert, nennt unter anderem die physiotherapeutische Betreuung am Olympiastützpunkt in Oberstdorf als großes Plus. Ein Luxus, auf den die deutsche Freeskier-Elite in ihrer Ferienwohnung im schweizerischen Laax verzichten muss.