Über Nacht kam der Schnee. Angezuckert wie ein Guglhupf liegt der Grünten im Sonnenlicht des frostigen Herbsttages. Unbeeindruckt vom Gewimmel und Gewusel zu seinen Füßen, harrt der Wächter des Allgäus dem Ansturm, der ihn erwartet. Am Fuße, in der Steigung, ebenso wie am Gipfel und beim Anstieg herrscht reges Treiben. Die 13. Grüntenstafette stößt mit 1.200 Teilnehmern in eine neue Dimension vor. 202 Teams, bestehend aus je sechs Athleten, waren gemeldet – 200 wagten sich letztlich an den Start des Spektakels.
„Ich glaube, dass Facebook einen gehörigen Anteil an diesem Teilnehmerrekord hat“, glaubt Hans-Peter Noeske, Wettkampfbüroleiter und Schriftführer des TSV Burgberg. „Unsere Eventagentur hat ganze Arbeit geleistet.“ Damit sind nicht zuletzt Marlon Wörndl und seine Mitstreiter von der Allgäu-Triathlon GmbH gemeint. Das Video von der Vorjahres-Stafette verzeichnete im Netz immerhin über 60.000 Klicks. Noeske ergänzt lachend: „Ich bin überzeugt davon, dass die Verbreitung Schuld an dem gigantischen Starterfeld ist.“
Gigantisch ist auch die Akribie, mit der sich manch einer auf den Staffellauf vorbereitet. Obwohl der Agathazeller Flugplatz nach drei Tagen Dauerregen einem Schlammfeld gleicht, strampeln sich die ersten Rennradfahrer auf Rollentrainern warm. Es wird gehüpft, gedehnt, gesprintet – aber die Schwierigkeit liegt nicht immer im konditionellen Bereich, sagt zum Beispiel Crossläufer Simon Sauter: „Unser Mountainbiker hat vor Nervosität die ganze Nacht nicht geschlafen.“
Schlammfeld am Flugplatz
Sechs Athleten pro Team bedeuten fünf Wechselpunkte rund um den Grünten. Jeder Sportler ist selbst dafür verantwortlich, rechtzeitig vor Ort zu sein, um den imaginären Stab – ein Armband mit Chip – in Empfang zu nehmen. Die Crossläufer machen den Auftakt am Flugplatz. Und der Andrang bei der Rekordstafette spricht für sich: Tradition liegt im Trend.
„Als ich 2013 das erste Mal dabei war, gab es 80 Teams“, erinnert sich Andrea Geiger, Mountainbikerin der „Turboschnecken“ und Teamkollegin der krankheitsbedingt abwesenden Weltcup-Skilangläuferin Hanna Kolb. „Der Hype für Outdoor-Events ist riesig und wenn man sieht, woher die Leute anreisen: das ist beeindruckend.“ Der Parkplatz des Flugplatzes ist gefüllt mit auswärtigen Kennzeichen. Neben Regensburg, Ulm, Augsburg und Stuttgart steht dort ein Fahrzeug aus Bochum. Auch Teams aus Italien sind erstmals dabei.
Nachdem sich das 200-köpfige Feld nach dem Startschuss unter rotem Qualm und frenetischem Jubel aufgemacht hat, kehrt Ruhe ein im Startbereich. 6,4 Kilometer überwinden die Läufer auf matschigem Untergrund und nassen Wiesen bis die Rennradler an der Zötlerbrauerei übernehmen. Diese reichen den Chip 355 Höhenmeter später an ihre Bergläufer weiter. Vorbei an der Grüntenhütte hat es der drei Kilometer lange Anstieg in sich, ehe ein erneuter Wechsel am Jägerdenkmal des schneebedeckten Grüntengipfels auf 1.750 Metern erfolgt. Dort haben die Alpinläufer mit schwierigen Bedingungen zu kämpfen. „Bei der eisigen Rutschpartie war es intelligenter auf den Wegen zu bleiben“, sagt Christian Fink vom Titelverteidiger Team „Sport Haschko“, der zehn Minuten für die 455 abfallenden Höhenmeter braucht.
Und während sich zahlreiche Athleten auf dem Flugplatz schon mit Obst und Energydrinks stärken, geht es für die vorletzten Staffelläufer erst los. Über anspruchsvolle Feldwege führt die Mountainbike-Route zwölf Kilometer bergab. „Rutschig aber machbar“, fasst Andrea Geiger zusammen.
Kaiserwetter mit verschneiten Bergen – das macht richtig Bock. Es waren mega viele Leute an der Strecke, die uns angefeuert haben. Ein geiler Wettkampf.Sebastian Eisenlauer
Als die ersten Straßenläufer beim letzten Wechselpunkt auf die Schlussetappe von fünf Kilometern gehen, atmet Marlon Wörndl erleichtert auf. „Wir sind wirklich happy“, sagt der Mitorganisator: „Wenn jetzt irgendwann alle im Ziel sind, sind wir absolut zufrieden“. Unter dem Jubel von Teamkollegen und Zuschauern überquert Michael Walter von den „Haschko-Jungs“ als erster Läufer die Ziellinie. Insgesamt 1:53:09 Stunde haben er und seine Mitstreiter für die Grüntenstafette 2017 gebraucht – damit holen sie das Triple. Und das mit über zwei Minuten Vorsprung. „Wir sind es sportlich angegangen, weil wir die meisten Teams nicht einschätzen konnten. Dass es so ausgehen würde, haben wir nicht erwartet“, sagt Teamchef Peter Haschko.
Auch Sebastian Eisenlauer von „Allgäu Ein&zwanzig“ schwärmt von der Rekordstafette: „Kaiserwetter mit verschneiten Bergen – das macht richtig Bock. Es waren mega viele Leute an der Strecke, die uns angefeuert haben. Ein geiler Wettkampf“, sagt der 27-jährige Sonthofer. Den Skilanglaufstar inmitten der anderen Ausdauersportler zu sehen, macht auch Vater Dieter – Mitgründer der Grüntenstafette – stolz. „Wir haben das wichtigste Ziel, einen erfolgreichen Wettkampf ohne Verletzungen, erreicht“, und Gründerkollege Max Uhlemayr ergänzt: „Wir haben die Bedingungen am Gipfel abchecken lassen. Der Schnee bedeutet immer ein Risiko für die Teilnehmer, aber es war alles ok und jeder ist heil angekommen“. Die Stafette 2017 ist Geschichte – größer und spektakulärer als je zuvor.