Entspannt lehnt Christian Winkler in der Sitzbank. Eine Hand am Latte-Macchiato-Glas, schweift sein Blick aus dem Fenster in den Flockenwirbel. „Es sind wilde Tage zur Zeit“, sagt der 47-Jährige, genießt aber den seltenen ruhigen Moment. Beim Gespräch mit unserem Reporter im deutschen Teamhotel strecken fast im Minutentakt die Gäste ihre die Köpfe in die Lobby, um zu sehen, wer denn der Mann in der grünen DSV-Jacke ist. Es ist der Co-Trainer von Skisprung-Bundestrainer Werner Schuster – der Mann im Hintergrund, wenn man so will.
„In der täglichen Arbeit geht es für mich darum, Tagesaufgaben zu erarbeiten – von der Kniebeuge, über den Hürdensprung, bis zu allem, was wir über den Kopf ansteuern“, beschreibt Winkler seinen Job. „Ich will eine Vorstellung erarbeiten, wie ich mit jedem einzelnen Athleten arbeiten kann.“ Und schon ist Winkler mitten im Thema, rührt den Löffel immer bestimmter im Glas, legt die Jacke ab, beugt sich über den Tisch – ist voll in seinem Element. „Im Alltag der Vorbereitung geht es darum, das Pflänzchen zu pflegen, das im Winter blühen soll.“
Seit Mai sind bei Richard ein paar Mosaiksteine in die richtige Richtung gerutscht. Dabei sah es lange nicht so aus, als würde sich das Ganze so entwickeln.Christian Winkler über Tournee-Hoffnung Richard Freitag
Und am Beispiel von Richard Freitag beweist Winkler, dass er über einen grünen Daumen verfügt. Denn der Weltcup-Führende ist seit seinem Umzug nach Oberstdorf im vergangenen Sommer unter Winklers Fittichen – und fühlt sich richtig wohl. „Seit Mai sind bei Richard ein paar Mosaiksteine in die richtige Richtung gerutscht. Dabei sah es lange nicht so aus, als würde sich das Ganze so entwickeln“, sagt Winkler. Es seien nicht mehr als Kleinigkeiten gewesen, an denen er mit Freitag gefeilt hat – die Position in der Hocke, die Skiführung oder die Körperform in der Luft. „Wir haben das Skispringen nicht neu erfunden. Und es ist auch nicht so, dass es nur die neuen Besen sind, die gut kehren“, sagt Winkler und ergänzt im Hinblick auf die mentale Komponente: „Richie fühlt sich in der WG wohl, hat hier ein Umfeld gefunden, das zu ihm passt. Für mich als Trainer ist es die größte Genugtuung zu sehen, dass er alle Aufgaben, die er erledigt, mit einem Lächeln angeht.“

Der "harte Hund" freut sich über ein Lächeln
Denn auch diese Seite hat der in der Szene als „harter Hund“ betitelte Winkler. Der gebürtige Nordrhein-Westfale begann 1992 als nordischer Berufstrainer, ehe er 1998 seine Lizenzen über die DSV-Trainerschule in Köln erworben hat. Über verschiedene Stationen – unter anderem über Andreas Bauer und Reinhard Heß – wurde er 2008 zum Assistenten von Schuster als Bundestrainer berufen. Als Stützpunkt-Trainer in Oberstdorf betreut er die Athleten vor allen Dingen in den „Zwischen-Trainings-Phasen“, begleitet Tests von Schuhen, Stäben, Anzügen. „Werner gibt die Marschrichtung vor – das ist vor allem während der Weltcups ganz klar geregelt. Ansonsten geht es im täglichen und wöchentlichen Betrieb um eine grobe Absprache, was strukturelle Inhalte betrifft“, erklärt Winkler die Aufgabenteilung im Trainerteam: „In diesen Phasen ist der Kontakt auch seltener, weil sich über die Jahre eine vertrauensvolle Zusammenarbeit herausgebildet hat.“
Vielleicht lieben mich manche nicht dafür, aber für mich gelten Fleiß, Wille und Disziplin.Christian Winkler über seine Ruf als "Schleifer"
Seine Philosophie beschreibt der Stratege im deutschen Team so: „Vielleicht lieben mich manche nicht dafür, aber für mich gelten Fleiß, Wille und Disziplin. Nur als Schleifer geht es aber nicht – man braucht auch Feingefühl. Es geht darum, Vertrauen zu gewinnen, damit sich Athleten trauen, Routinen aufzubrechen, wenn es ihnen eine Verbesserung bringen kann.“ Und dazu ist Winkler da.
Wenn die Springer – wie dieser Tage - am Anschlag arbeiten, geht es für den 47-Jährigen in erster Linie darum, zu begleiten. „Wir setzen in diesen Tagen nur noch kurze Spitzen im muskulären Bereich, damit der optimale Reiz da ist“, sagt Winkler: „Eingreifen können wir Trainer auch, um die Aktiven vor zu vielen äußeren Einflüssen zu schützen und aktive Entspannungsphasen einzufordern.“ Als Winkler das Wort „Entspannung“ über die Lippen kommt, lehnt er sich zum Ende des Gesprächs prompt wieder zurück. Raus aus dem Angriffsmodus. „Das ist mein Job“, sagt er knapp. „Nicht mehr und nicht weniger. Wer welchen Anteil am Erfolg hat, kann man sowieso nie genau sagen.“ Aber Christian Winkler leistet einen gehörigen Beitrag.