+++ Dieser Artikel stammt aus dem Archiv von allgaeu.life und erschien zunächst am 1. Februar 2017 ++++
Robert hat mich gewarnt. Aber ich wollte nicht hören. Weil ich immer an die Chance des Außenseiters glaube. Weil mich Boxen genau deshalb fasziniert. Ein einziger Zufallstreffer kann die Welt auf den Kopf stellen – und selbst den größten Champion auf die Bretter schicken.

Deshalb sind wir hier. Ich, der allgaeu.life-Reporter, fordere den besten Allgäuer Boxer zu einem Trainingskampf heraus. Eine Runde mit einer Länge von drei Minuten haben wir ausgemacht. Dafür habe ich mich mit einem Fitnessbox-Kurs eigens vorbereitet - und bin guter Dinge. "Du darfst Dich bei Ali aber nicht täuschen", hat mir Robert eingebläut. "Er kann ganz lieb und treuherzig schauen. Aber im Ring wird er zum Pitbull."
Robert muss es wissen: Er ist einer der besten Box-Kumpels von Ali, den sie in der Szene respektvoll "Bavarian Bull" nennen. Für mich hat der amtierende Kickbox-Weltmeister, der am Samstag Deutscher Meister bei den Profi-Boxern werden will, auch schnell einen Kampfnamen gefunden: "Du siehst aus wie ein Allgäuer Bär", sagt Ali Celik grinsend. Anfangs denke ich, dass er damit auf meine 30 Kilo-Zusatzgewicht anspielt.
Doch kaum ist das Startkommando erklungen, erfahre ich den wahren Grund für die Bezeichnung: Meine Bewegungen sind im Vergleich zum Profi tapsig, meine Tatze ungestüm. Sobald ich zuschlage, ist mein Ziel längst woanders hingesprungen. Es ist, also ob ich gegen meinen Schatten boxe. Dummerweise lacht er sich bei jedem meiner Angriffsversuche auch noch ins Fäustchen.
Der bayerische Bulle spielt Rodeo mit mir. Er schüttelt mich ab, schnaubt immer wieder warnend – und nimmt mich auf die Hörner. Kurz und schnell. Bam. Bam. Meine Reaktion: "Ahhhhh…." Noch im Ausweichen wundere ich mich über das Tempo und die Wucht, mit der die Schläge auf mich einprasseln. "Warum sieht das im Fernsehen immer so leicht aus?", ist mein letzter Gedanke. Dann höre ich noch das dumpfe Geräusch eines erfolgreichen Leberhakens – und wende mich röchelnd ab. Aus. Ende. Finito. Der Allgäuer Bär will nicht mehr.
Luftringend und mit vorn übergebeugtem Kopf stütze ich mich an der Hallenwand. Doch die eigentliche Lektion steht erst noch bevor. Ali reicht mir die Hand, richtet mich wieder auf und sagt lächelnd: "War doch nur Spaß!" Ganz ehrlich: Diese Einschätzung schmerzt am meisten...
Mein Fazit: Ali ist topfit, verdammt schnell - und er kann innerhalb eines Bruchteils von Sekunden von Spaß auf Ernst umschalten. Dann tut es richtig weh. Obwohl er in den vergangenen Wochen extrem viel Orga um die Ohren hatte, wirkt er ausgeruht und konzentriert. Dass er fast zehn Kilo abgenommen hat, sehe ich eher als Stärke: Sein Erfolgshunger ist so groß wie nie zuvor. Ich bin gespannt, mit welchen Mitteln sein Gegner diesen bayerischen Bullen stoppen will. Maximal zehn Runden zu je drei Minuten stehen auf dem Programm. Hoffentlich halten die beiden länger durch als ich...