Glücksrausch in Memmingen

Mehr Drama geht nicht: So feierten die Indians die Meisterschaft

Nach dem 2:1-Siegtreffer in der Verlängerung gab’s für die Spieler des ECDC Memmingen kein Halten mehr. Auch der in der letzten Partie gesperrte Martin Jainz warf sich in Zivil auf die Jubeltraube.

Nach dem 2:1-Siegtreffer in der Verlängerung gab’s für die Spieler des ECDC Memmingen kein Halten mehr. Auch der in der letzten Partie gesperrte Martin Jainz warf sich in Zivil auf die Jubeltraube.

Bild: Roland Schraut

Nach dem 2:1-Siegtreffer in der Verlängerung gab’s für die Spieler des ECDC Memmingen kein Halten mehr. Auch der in der letzten Partie gesperrte Martin Jainz warf sich in Zivil auf die Jubeltraube.

Bild: Roland Schraut

Die über 3.000 Zuschauer - egal ob aus Memmingen, Lindau oder dem sonstigen Allgäu-Bodenseeraum - waren sich einig: Das war eines der dramatischten Eishockeyspiele der letzten Jahre. Mit Happy End für die Memminger Indians! Die Allgäuer haben sich mit 2:1 nach Verlängerung gegen den EV Lindau ihren ersten bayerischen Meistertitel gesichert. Unser Autor lässt die packenden 65 Minuten vom Hühnerberg Revue passieren und verrät, wie anschließend gefeiert wurde.
29.03.2018 | Stand: 13:24 Uhr

Kopfschüttelnd und tropfend, aber glücklich stand Helge Pramschüfer, Vorsitzender des Eishockey-Oberligisten ECDC Memmingen, nach dem 2:1-Sieg nach Verlängerung (0:1/0:0/1:0/1:0) seiner Indians auf dem Spielfeld in der Eishalle am Memminger Hühnerberg. Die ECDC-Spieler haben ihm im Freudentaumel eine Bierdusche verpasst - immerhin dürfen sie sich nach dem Derbysieg über die Islanders des EV Lindau nun bayerischer Meister nennen - zum ersten Mal in der Geschichte des Vereins.

Doch lange sah es nicht danach aus, als könnten sich die Maustädter im entscheidenden Spiel der Finalserie (best-of-three) zuhause vor satten 3.011 Zuschauern tatsächlich den Titel sichern. "Ich hatte die Hoffnung eigentlich schon aufgegeben", sagt Pramschüfer lachend und ergänzt: "Der Lindauer Torhüter war unglaublich, ich wäre fast verzweifelt."

In der Tat liefen die Hausherren fast das gesamte Spiel einem Rückstand hinterher, nachdem ein Schuss des Lindauer Stürmers Michal Mlynek schon in der vierten Spielminute den Weg ins Memminger Tor gefunden hatte. Die Gäste gaben im ersten Drittel den Ton an. Doch ab dem zweiten Durchgang übernahm Memmingen das Ruder, dominierte klar. Der ECDC schnürte die Islanders immer wieder ein, erspielte sich Chance um Chance - brachte den Puck aber nicht im Tor unter.

Fast eine Stunde rannten die Indians erfolglos auf das vom an diesem Abend alles überragenden David Zabolotny gehütete Lindauer Tor an. Im Schlussabschnitt entwickelte sich dann endgültig ein Spiel auf ein Tor. Selbst in Unterzahl fuhren die Indianer brandgefährliche Konter. Doch Deutsch-Pole Zabolotny brachte sie alle mit teils unglaublichen Paraden zur Verzweiflung - die Memminger Fans, Spieler, ECDC-Coach Waldemar Dietrich und auch Pramschüfer.

Der Lindauer Torhüter war unglaublich, ich wäre fast verzweifelt.
ECDC-Chef Helge Pramschüfer

Was sich dann kurz vor Ende der regulären Spielzeit abspielte, hatte Drehbuch-Potenzial - war es doch an Spannung und Dramatik kaum zu überbieten: Es waren nur noch 144 Sekunden zu spielen, als Dietrich eine Auszeit nahm. Kurz zuvor hatten viele Memminger den Puck nach einem starken Konter der Indians-Stürmer Dominik Piskor und Patrick Beck schon im Tor gesehen, doch der Schiedsrichter ließ weiterspielen. Dietrichs Schützlinge lagen also noch immer mit 0:1 zurück. Diejenigen unter den Zuschauern, die es mit der Heimmannschaft hielten, warfen immer öfter bange Blicke auf die Anzeigetafel - die Zeit lief den Indians davon. Daumendrücken, zittern - viele Memminger Fans waren der Verzweiflung nahe. Der Puck wollte einfach nicht ins Tor. Eindringlich, aber ruhig redete der 44-jährige Coach auf die Spieler ein. Jetzt bot sich die Chance! Lindaus Stürmer Marco Miller hatte gerade eine Strafzeit aufgebrummt bekommen. Noch einmal keimte Hoffnung auf in der Halle - kurz vor Schluss die Gelegenheit auf den hochverdienten Ausgleich.

Und dann trifft die "coole Abwehrsocke"

Und Dietrich fand die richtigen Worte: Memmingen gewann das Bully, sicherte sich den Puck, der Lette Kirils Galoha passte zum Abwehrhünen Lubor Pokovic. Und der hämmerte die Scheibe per Direktschuss in die Maschen - der anschließende Jubel am Hühnerberg kam einem kleinen Erdbeben gleich. Die ganze Anspannung fiel von den ECDC-Anhängern ab. Nur neun Sekunden benötigten die Gastgeber im Überzahlspiel nach der Auszeit zum Torerfolg.

In der Verlängerung spielte Memmingen weiter stark und wurde belohnt: Antti-Jussi Miettinen brach über rechts durch, täuschte einen Schlagschuss an, legte dann aber doch quer zum mitgelaufenen Pokovic - und der musste nur noch einschieben. Ekstase am Hühnerberg.

"Ich habe da eigentlich nicht viel gesagt. Nur, dass die Jungs so weiterspielen sollen - Puck zum Tor, zum Nachschuss gehen. Wir haben uns das Glück erarbeitet, irgendwann musste mal einer rein", blickte Dietrich nach der Partie auf die Auszeit und das Spiel zurück. Zu Beginn sei sein Team zu nervös gewesen, dann aber "besser rein gekommen". Auch er hatte ein Extra-Lob für Zabolotny, der zum besten Lindauer Spieler der Finalserie gewählt wurde, parat: "Das war wirklich eine sehr starke Torwart-Leistung von Lindau."

Zu diesem Zeitpunkt hatte auch Dietrich schon eine ordentliche Bierdusche abbekommen - auf und neben dem Eis wurde ausgelassen gefeiert. Bald hatten die Fans auch Kabinentrakt und Eisfläche in Beschlag genommen und jubelten, sangen und tranken mit Spielern und Verantwortlichen. Mittendrin: Helge Pramschüfer und Waldemar Dietrich - tropfend, aber glücklich.