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Mit Tape und Traubenzucker bewaffnet

Sonthofer Volleyball-Physios

Mit Tape und Traubenzucker bewaffnet

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    Physio Susi Eckl kümmert sich während einer Partie um Spielerin Loraine Neumann.
    Physio Susi Eckl kümmert sich während einer Partie um Spielerin Loraine Neumann. Foto: Christoph Specht

    Um 19.29 Uhr entspannen sich Susanne Eckl und Christian Harner allmählich. Wenn die Aufregung der Spielerinnen der Allgäu-Strom-Volleys Sonthofen wenige Augenblicke vor Spielbeginn ihr Maximum erreicht, hat das Duo seine Arbeit getan – vorerst. Harner und Eckl sind die Physiotherapeuten der Zweitliga-Volleyballerinnen, das Team hinter dem Team, oder „das gesundheitliche Gewissen“, wie Eckl es bezeichnet. „Wenn das Spiel beginnt, bin ich nicht mehr nervös. Es ist eher vorher spannender, ob alles gut klappt, und während des Spiels hoffe ich, dass nichts passiert“. Das wird auch am Samstag so sein, wenn Sonthofen ab 19.30 Uhr den VC Neuwied zum letzten Heimspiel des Jahres auf dem Parkett in der Allgäu-Halle empfängt.

    Physiotherapeut Christian Harner ist seit über fünf Jahren in Diensten der Sonthoferinnen.
    Physiotherapeut Christian Harner ist seit über fünf Jahren in Diensten der Sonthoferinnen. Foto: Markus Henseleit

    Seit über fünf Jahren knetet, massiert und streicht Harner die Muskeln der Oberallgäuerinnen – vor etwas mehr als zwei Jahren stieß schließlich Eckl hinzu. 2011 kamen Christian Feger, heutiger Geschäftsführer der Volleys, und sein Vorgänger Peter Rohte auf den Sporttherapeuten zu. „Meine Bedingung war, dass wir nicht nur massieren, sondern uns auch um die Therapie kümmern. Das heißt, die Mädels auch präventiv zu betreuen und mit ihnen ein paar Dinge in Sachen Stabilität und Statik testen zu können“, sagt Harner. Der 44-jährige gebürtige Aalener hatte sich nach seinem Umzug ins Oberallgäu 2001 selbstständig gemacht und betreibt seither die Praxis in Sonthofen – übrigens mit seiner Frau Sandra. Das Engagement bei den Volleys sieht Harner als „Mischung aus Vergnügen und Arbeit. Das ganze Gefüge ist wie eine Familie – wir machen es so gerne, weil es riesig Spaß macht.“

    Das ganze Gefüge ist wie eine Familie – wir machen es so gerne, weil es riesig Spaß macht.Physio Christian Harner

    Der Körper muss funktionieren

    An Spielwochenenden läuft die „Behandlungsmaschinerie“ schon freitags an. Die Spielerinnen, bei denen es zwickt, besuchen Harner vor dem Training in der Praxis. Der Arbeitssamstag vor dem Spiel beginnt gegen 18 Uhr. Die Spielerinnen werden mit Band „getaped“, ein letzter Blick auf akute Wehwehchen und los geht’s. „Die Sportler auf den Punkt fitzubekommen, macht den größten Unterschied zum alltäglichen Job in der Praxis“, weiß Christian Harner. Eckl ergänzt. „Es geht darum, dass sie bei Spielbeginn funktionieren. Was danach kommt, ist Erstversorgung direkt am Feld, wenn etwas passiert.“

    Dabei spielt nicht zuletzt die sportliche Komponente dem „Team Harner“ in die Hände. Tochter Nora schlägt für die Jugend des TSV Sonthofen auf, Sohn Lucas kickt beim 1. FC Sonthofen. Christian Harner selbst spielte in Ulm in der Regionalliga Badminton und entdeckte „dank“ Knieproblemen im Teenageralter das physiotherapeutische Feld für sich. „Da habe ich begonnen, zu begreifen, wie der Körper funktioniert“, erinnert sich Harner. „Dieser Bezug ist wichtig.“ Das sieht auch seine Mitarbeiterin so – die auf eine ungeliebte ähnliche Erfahrung zurückblickt. Als ehemalige Volleyball-Spielerin in Kempten ist die heute 32-jährige Eckl während ihres Sportstudiums durch eine schwere Knieverletzung zur Physiotherapie gekommen. „Wenn man den Sport selbst gemacht hat, kann man sich noch besser damit identifizieren“, sagt Eckl, die in Friedberg bereits 3. Liga Handball betreut hat, und fügt an: „Irgendwann wird man dann automatisch ein Fan der Mannschaft. Man leidet mit.“

    Der Erfolg des derzeitigen Tabellenzweiten ist eng mit der Arbeit der Physios verbunden.
    Der Erfolg des derzeitigen Tabellenzweiten ist eng mit der Arbeit der Physios verbunden. Foto: Dominik Berchtold

    Vertrauensverhältnis zwischen Mannschaft und Physios

    Dieser Mix aus Herz- und Handarbeit macht das Duo inzwischen unverzichtbar. Über die Jahre ist das Betreuerteam mit der Mannschaft zusammengewachsen, sieht in den Spielerinnen, wie Harner es beschreibt, keine Patienten sondern Freundinnen: „Die Mädels sind froh, dass jemand da ist. Sie vertrauen uns, und nur so kann man auch ein intensives Verhältnis aufbauen.“ Dabei werden Harner und Eckl teils auf harte Prüfungen gestellt.

    Wenn eine Spielerin unrund läuft oder man weiß, dass jemand angeschlagen ist, ist man immer schon alarmiert.Susi Eckl

    Stichwort: Tamara Zeller. Die schwere Kreuzband-Verletzung der Rettenbergerin im Oktober 2013 im ersten Spiel für Lohhof, als sie ausgerechnet in der Allgäu-Halle, ausgerechnet der Sonthoferin Veronika Vlaskova auf den Fuß getreten war – für Harner „das Übelste, das ich je erlebt habe. Das war schlimm, emotional sehr mitreißend.“ Kurios: Dieses Spiel war zugleich auch das erste für Eckl, die Zellers neuerliche Verletzung aus dem Oktober dieses Jahres wiederum als „das Extremste“ bezeichnet. „Ich bin gleich zu ihr in die Halle gefahren. Das war schrecklich“, erinnert sich die 32-jährige Blonde: „Aber da kann man im ersten Moment therapietechnisch nicht viel machen. Da muss man einfach nur da sein.“

    Und so sind sich beide, Harner und Eckl, nach kurzer Überlegung einig: Ein gelungener Tag neigt sich dem Ende, wenn Sonthofen ansehnlich gespielt hat – und möglichst niemand verletzt ist. „Wir sind aber immer in Bereitschaft, sobald das Spiel läuft“, sagt Harner, der außerdem Vorsitzender des Fördervereins für das Jugendleistungszentrum ist. Seine Mitarbeiterin ergänzt: „Wir haben einen etwas anderen Blick auf die Spielerinnen, als es die Trainer haben. Wenn eine Spielerin unrund läuft oder man weiß, dass jemand angeschlagen ist, ist man immer schon alarmiert“, sagt Susi Eckl und fügt an: „Wenn es losgeht, bin ich auf der Ersatzbank auch immer bewaffnet mit Tape und Traubenzucker.“

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