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Motorradfahren - aber wie?

Meinung

Motorradfahren - aber wie?

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    Ich mache mich gleich mal unbeliebt. Alle Motorräder, die über 100 PS haben, sind auf deutschen Straßen absolut überflüssig. Vielleicht mal kurz vorab: Ich fahre selbst seit 28 Jahren Motorrad. Rechnet man die "Moped"-Zeit noch mit, sind es 30 Jahre. Meine eigenen Maschinen hatten nie über 50 PS. Ich bin aber schon mit allen möglichen Motorrädern gefahren bis 148 PS. Der Unterschied, kurz für Nicht-Motorradfahrer erklärt: Wenn ich mit meiner alten BMW am Ortschild das Gas voll aufreiße (also eine komplette Drehung mit dem Handgelenk), wird das Motorrad richtig schön schneller. Ruckzug sind 100 auf dem Tacho. Über 120 macht mit diesem Motorrad keinen Spaß, aber das ist ok. Mit der 148-PS-Kawa meines kleinen Bruders drehe ich das Gas einen Zentimeter und habe das Gefühl, mir haut jemand nen Stock ins Kreuz. Sind es 1,5 Zentimeter, könnte es schon zuviel sein.

    Meine Meinung dazu: 150 oder noch mehr PS sind mit dem Motorrad für den Nicht-Profi nicht beherrschbar. Ich wage zu bezweifeln, dass irgendein Fahrer solch einer Maschine diese Leistung im Straßenverkehr tatsächlich abruft. Profis auf der Rennstrecke - ja. Aber Max Mustermann am Jochpass oder auf der Autobahn - mit Sicherheit nicht. Auch wenn er denkt, er würde es. Mich erinnert es immer ein bisschen an Obelix, der als Kind in den Zaubertrank gefallen ist. Obelix kann keine Tür öffnen, ohne sie kaputt zu machen. Obelix ist das 160-PS-Bike unter den Galliern. Bärenstark, aber wenig alltagstauglich. Zum Vergleich: Die Leistung eines 150-PS-Motorrades entspricht in etwa der eines Sportwagens mit 900 PS (umgerechnet aufs Gewicht). Allerdings mit völlig anderen fahrdynamischen Herausforderungen (und das betrifft nicht nur die Anzahl der Räder).

    "Der Typ hat keine Ahnung, soll er doch mal mit mir ne Runde drehen, dann zeig ich ihm, wie ich die 160 PS meiner Suzuki nutze." Das hör ich jetzt den einen oder anderen sagen. Glaub mir, Kumpel: Du irrst dich! Und sollte jemand die Power tatsächlich annähernd nutzen, und jetzt mache ich mich wieder teilweise unbeliebt, dann halte ich das für hochgradig verantwortungslos. Es hängen Menschenleben (nicht nur das eigene) und das Glück von Familien (nicht nur der eigenen) davon ab, wie wir uns im Straßenverkehr bewegen. Genau solche komplett von sich und ihrem fahrerischen Können überzeugten Fahrer sind es, die mich davon abhalten, auch mal wieder einen Pass zu fahren. Es macht keinen Spaß, wenn dir einer entgegen kommt, das Knie am Boden und der Oberkörper komplett auf der falschen Fahrbahn. Dann lieber kurvige Nebenstrecken im nördlichen Oberallgäu oder im Westallgäu. Da ist (meistens) fast nichts los, man hat seine Ruhe und kann auch die Landschaft richtig genießen.

    Es ist ja gerade das Problem, dass die Leistung da ist. Keiner kann mir erzählen, dass er eine 150-PS-Maschine kauft, um dann mit 100 Km/h über die Landstraße zu cruisen. Man erlegt sich mit dem Kauf gleichzeitig den Zwang auf, das Ding auch mal auszufahren. Und genau dafür sind öffentliche Straßen weder gedacht noch geeignet. Und zwar nicht im entferntesten.

    Motorradfahren ist eines der schönsten Hobbies, die ich kenne. Und es ist auch mit Maschinen bis 100 PS gefährlich genug. Somit zieh ich mir den Spießer-Schuh nicht an, bin sicherlich auch kein Vernufts-Reiter. Aber die Freiheit des Einen muss da enden, wo die des Anderen anfängt. Wer gerne kompromisslos seine 150 PS ausprobieren will, soll er das auf dem Hockenheimring tun. Da gibts Kiesbetten, keine Bäume und vor allem: keinen Gegenverkehr.

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