Es hat sie wieder erwischt. Einmal mehr ist Nadine Rieder schwer gestürzt, einmal mehr zwingt eine schwere Verletzung die Mountainbikerin zum Zusehen. Beim Swiss-Cup im Schweizer Solothurn stürzte die 28-jährige Sonthoferin nach einer Bodenwelle über ihren Lenker auf die rechte Schulter und brach sich dabei das Schlüsselbein. "Mir geht es soweit gut. Ich habe kaum mehr Schmerzen", sagte Rieder gestern.

In der Auftaktrunde des international hochkarätig besetzten Rennens - die Elite nutzt den Swiss-Cup als Gradmesser für die anstehenden Weltcups - hatte Rieder zum verhängnisvollen Manöver angesetzt. "Es war eigentlich keine spektakuläre Abfahrt, aus dem Wald heraus auf Schotter - also eigentlich nicht heikel", erinnert sich Rieder und erzählt weiter: "Ich war knapp hinter einer Fahrerin und wollte sie überholen. Ich habe mich für die linke Linie entschieden, um vorbeizufahren. Und da war diese Bodenwelle." Rieder wurde abrupt "eingestaucht", konnte den Sturz nicht mehr verhindern und schlug mit voller Wucht auf der Schulter auf.
Im Instinkt einer Rennfahrerin habe sie sogleich nach ihrem Bike gesehen, "ob ich gleich weiterfahren kann. Aber dann habe ich schon gespürt, dass das Schlüsselbein etwas absteht und ich meinen Arm nicht richtig bewegen kann", sagt Rieder. Die Streckenposten haben sie sofort aufgenommen, Rieder wurde in die Klinik in Solothurn zwischen Zürich und Bern gebracht. "Nach den ersten Gesprächen der Ärzte mit meinem Doc, Florian Porzig, haben sie sich entschieden, sofort zu operieren", erzählt Rieder. Offenbar stand der Knochen kurz vor dem Durchriss durch die Haut - Rieder wurde umgehend operiert, das Schlüsselbein mit einer Platte verschraubt. Schon am Sonntag durfte die Sonthoferin nach Hause, wo sie jetzt auf eine harte Geduldsprobe gestellt wird. Schon wieder.

Nach dem "Seuchenjahr 2017" muss sich Rieder erneut herankämpfen. Für die anstehenden Weltcups in Albstadt und Nove Mesto Mitte und Ende Mai fällt die zweimalige deutsche Meisterin im Sprint damit allemal aus. Wie lange die Wettkampfpause insgesamt andauern wird, ist noch offen. Sechs Wochen, teilte man ihr in Solothurn mit, sollte sie nicht belasten. "Natürlich hatte ich die Gedanken 'warum wieder ich wieder'", gesteht Rieder: "Aber wenn man sieht, was noch passiert ist, ordnet man das Geschehen anders ein."
Denn ungleich tragischer war das Unglück eines Hobbyfahrers, der bereits beim Amateur-Mastersrennen zuvor an derselben Stelle verunglückt war - der Radsportler erlag tags darauf sogar seinen schweren Verletzungen. "Das ist furchtbar und es rückt alles in ein anderes Bild", sagt Rieder und fügt an: "Das Risiko ist immer da."
Für die 28-Jährige geht es indes nach weiteren Kontrollterminen bei Porzig "hoffentlich bald schon wieder auf die Rolle. Ich möchte die Form irgendwie halten." Tatsächlich war Rieder in blendender Verfassung. So gut wie lange nicht ist die Vorbereitung für die Athletin vom RSV Sonthofen gelaufen - ohne Erkältung, dafür aber mit einem Achtungserfolg beim jüngsten Bike-Festival von Riva am Gardasee, als sie den Sprint und den Marathon gewonnen hatte. "Ich habe mir so viel vorgenommen für die Weltcups und jetzt muss ich zuschauen. Aber ich packe das", sagt Rieder zwar niedergeschlagen, aber mit der Reife einer 28-Jährigen, die ihr der ein oder andere Rückschlag in der Vergangenheit beigebracht hat.
Zwar ist die Blessur ihr erster Bruch, das "Loch im Knie" von 2017 sei wegen der drohenden Entzündung im Knie aber weitaus gefährlicher gewesen, wie Rieder einschätzt. Und so wird sie auch diesmal nicht den Mut verlieren - das Kämpfen hat Rieder in den vergangenen Jahren gelernt. "Es ermutigt mich, dass an den Beinen nichts ist und ich weitertrainieren kann. Ich hoffe, dass ich im Juli wieder angreife", sagt Nadine Rieder. Denn Höhepunkte gibt es reichlich: Am 7. Juli steigt der Weltcup in Val di Sole, danach die deutsche Meisterschaft und Anfang August der nächste Weltcup. Diesen wird die 28-Jährige mit einer Titan-Platte in der Schulter absolvieren. "Tja, die Narben werden nicht weniger", sagt Nadine Rieder: "Aber das gehört dazu."