"Ich freue mich wahnsinnig. Damit geht ein großer Wunsch für mich in Erfüllung. Ich möchte Wettkämpfe bestreiten", sagt der frühere Turner beim TV Jahn Kempten, der ein zweijähriges Martyrium hinter sich hat. Quasi über Nacht hatte er im Dezember 2014 stechende Schmerzen im Oberschenkel. "Zunächst dachte ich, dass ich mich im Fitnesscenter übernommen habe. Aber in den darauffolgenden Tagen wurden es wahre Höllenqualen. Da wusste ich, es stimmt was nicht." Die erste ärztliche Diagnose ("verkalktes Kniegelenk") erwies sich als falsch.
Es gab nur zwei Möglichkeiten: Sterben oder das Bein verlieren. Ich wollte leben.Matthias Schuster
Wenige Wochen später stellten Spezialisten in Heidelberg einen elf Zentimeter großen Tumor im Oberschenkel fest. "Das war ein Schock. Aber ich habe immer gehofft, mein Bein behalten zu können", erzählt Matthias Schuster. Doch eine neunstündige Operation am Klinikum Rechts der Isar in München bringt nicht den herbeigesehnten Erfolg. "Ab da gab es nur noch zwei Möglichkeiten: Sterben oder das Bein verlieren. Ich wollte leben", sagt Schuster.
Anfang Oktober 2015 amputieren ihm die Ärzte in München das rechte Bein. Die Schreie, die er nach der eineinhalbstündigen Operation trotz hoher Schmerzmittel-Dosis ausstößt, wird seine Mutter Gabriele nie vergessen: "Das war so schrecklich, als ob man mir selbst das Bein abgenommen hätte." Doch ihr Sohn kämpft sich in den folgenden Wochen zurück ins Leben. Und er lässt sich auch von erneuten Rückschlägen nicht unterkriegen: Der gelernte Koch kann in seinem angestammten Beruf nicht mehr arbeiten, weil ihm stundenlanges Stehen nicht mehr möglich ist. Er strebt deshalb eine Umschulung zum Qualitätsmanager im Industrie-Bereich an - und sucht sich sportlich neue Herausforderungen.

Sein großer Traum ist die Teilnahme an den Paralympics – und zwar in der Königsdisziplin: dem 100 Meter-Lauf. "Momentan steht der Weltrekord für Einbeinige bei 12,2 Sekunden. Mal sehen, wie weit ich da herankomme. Das ist eine völlig neue Erfahrung für mich", sagt er schmunzelnd. Die neue Prothese ermöglicht auf jeden Fall Weltklasse-Leistung: "Das ist die höchste Qualitätsstufe", sagen Orthopädiemeister Max Riedel von der Dambeck GmbH, die das Sportgerät für Schuster entwickelte.
"Matthias macht das sensationell"
Der junge Allgäuer feilt derzeit am perfekten Bewegungsablauf. Und das ist nicht einfach: Um Gewicht zu sparen, hat die knapp vier Kilo schwere High-Tec-Prothese weder Dämpfung noch Bremse. "Man muss ein sehr guten Gleichgewichts- und Bewegungsgefühl haben", sagt Dambeck-Geschäftsführer Martin Kiederle und lobt: "Matthias macht das sensationell."
Dennoch wird es wohl noch einige Wochen Training brauchen, bis er zu den ersten Sprints ansetzen kann. Mit Physiotherapeuten Tim Bolduan trainiert er dafür fleißig. "Es macht großen Spaß, die Fortschritte zu sehen und auf andere Gedanken zu kommen", sagt Matthias Schuster, der von Partnerin Irina (24) seit Beginn der Krankheit unterstützt wird. Sein Ziel für 2017? "Ich möchte wieder mit beiden Beinen im Leben stehen – und am liebsten auf dem Siegertreppchen ganz oben."