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Profi-Boxer Ali Celik: "Warum ich Özil nicht verstehe und wir trotzdem aus der Debatte lernen können"

Sommer-Interview in KE

Profi-Boxer Ali Celik: "Warum ich Özil nicht verstehe und wir trotzdem aus der Debatte lernen können"

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    Der Allgäuer Box-Profi spricht im Sommerinterview mit allgaeu.life über Integration und seinen nächsten Kampf.
    Der Allgäuer Box-Profi spricht im Sommerinterview mit allgaeu.life über Integration und seinen nächsten Kampf. Foto: Schuhwerk

    Özil und Erdogan: Kaum ein Thema beschäftigt die Deutschen derzeit mehr. Ihre Meinung?

    Celik: Ich kann Özil nicht verstehen. Er hat mit dem Erdogan-Foto einen Fehler gemacht - und den will er nicht einsehen. Stattdessen macht er einen Rundumschlag gegen alle möglichen Leute. Das finde ich schade. Klar: Er wurde heftig im Netz beleidigt, das war teils absolut unter der Gürtellinie. Aber den Steins ins Rollen gebracht hat das Erdogan-Foto, das er selbst so wollte.

    Özil hat in seiner Rücktritts-Erklärung Rassismus gegen ihn angeprangert. Viele Deutsch-Türken stimmten dem zu und schilderten ihre Negativ-Erfahrungen. Wie ist das in Ihrem Alltag?

    Celik: Ich hab da, glaube ich, eine andere Einstellung. Özil schrieb ja: "Ich bin Deutscher, wenn wir gewinnen, aber Immigrant, wenn wir verlieren." Meine Erfahrung: Wenn Du verlierst, bist Du immer der Depp. Das ist leider so im Sport. Als Boxer kenne ich dieses Gefühl intensiver als ein Fußballer. Ich bin immer allein verantwortlich, kann nichts auf andere schieben.

    Erleben Sie Rassismus im Alltag?

    Celik: Nein. Mir fällt kein Beispiel dazu ein. Zum Glück.

    War das früher auch so?

    Celik: Da gab's vielleicht mal hier und da einen blöden Spruch. Aber nie was Schlimmes.

    Sie haben also nicht zu boxen begonnen, um sich Respekt zu verschaffen?

    Celik: Nein, ich wollte so sein wie meine Freunde. Das waren Russland-Deutsche und die konnten richtig gut boxen. Ich bin dann als einziger Schwarzkopf ins Training zum TV Kempten (lacht). Auch da wurde ich super aufgenommen. Box-Legende Horst Witterstein, der vor Kurzem leider gestorben ist, gehörte zu unseren Trainern und wurde unser Vorbild: Er hat alle gleich fair behandelt. Und wir hatten alle das gleiche Ziel: Irgendwann mal mit dem Adler auf der Brust für die Nationalmannschaft zu boxen.

    Ali Celik als Jugendlicher mit seinen Box-Kumpels beim TV Kempten 1856.
    Ali Celik als Jugendlicher mit seinen Box-Kumpels beim TV Kempten 1856. Foto: Hermann Ernst (Archiv)

    Viele Deutsch-Türken erzählen, dass in ihrer Brust zwei Herzen schlagen.

    Celik: Dieses Gefühl kenne ich nicht. Klar: Ich bin gerne in der Türkei im Urlaub. Aber zuhause bin ich hier: In Deutschland, im Allgäu, in Kempten. Als 18-Jähriger stand ich vor der Wahl die doppelte Staatsbürgerschaft zu beantragen. Ich hab es nicht gemacht, sondern mich für Deutschland entschieden. Ich sehe das Land viel positiver, als es oft gemacht wird. Wenn die Nationalhymne gespielt wird, singe ich mit.

    Haben Sie ihre Entscheidung jemals bereut?

    Celik: Nein. Deutschland ist mein Land. Ich finde die Vorstellung komisch, dass Leute, die hier leben, in einem anderen Land wählen können. Sie verändern das andere Land, ohne dass sie mit den Auswirkungen klar kommen müssen. Das passt nicht zusammen.

    Sie trainieren viele Jugendliche und Erwachsene mit Migrationshintergrund. Sprechen Sie im Gym über Politik?

    Celik: Ich denke, dass das Gym nicht der richtige Ort dafür ist. Hier geht es um Sport, um Spaß und um positive Erlebnisse. Das schafft Respekt und Vertrauen zueinander. Genau das brauchen wir in unserer Gesellschaft. Wenn man sich besser kennt, kann man danach - also zum Beispiel im Cafe oder auf dem Schulweg - immer noch über Politik diskutieren. Ich würde es gut finden, wenn die Özil-Debatte auch als Chance gesehen wird, miteinander ins Gespräch zu kommen. Der Song "Aber" von Eko Fresh bringt das auf den Punkt. (Das Video siehst Du hier:)

    Ali Celik mit seinem Vorbild: Horst Witterstein. Der Vize-Europameister von 1955 im Schwergewicht starb am 14. Juli im Alter von 88 Jahren.
    Ali Celik mit seinem Vorbild: Horst Witterstein. Der Vize-Europameister von 1955 im Schwergewicht starb am 14. Juli im Alter von 88 Jahren. Foto: privat

    Was lernen die Kinder, die zu Ihnen ins Gym kommen, als Erstes?

    Celik: Dass man anständig "Hallo" sagt. Deutsch zu sprechen, ist das A und O, um hier klarzukommen.

    Wann steigen Sie selbst wieder in den Ring?

    Celik: Am 10. November in Kaufbeuren. Mein Gegner steht noch nicht fest. Das genaue Programm für die Box-Gala wird gerade ausgearbeitet. Sollte ich meinen internationalen deutschen Meistertitel erneut verteidigen, hoffe ich fürs nächste Jahr auf einen EM-Kampf.

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