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Reinhold Messner: "Mich konnte niemand stoppen"

Alpin-Legende im Interview

Reinhold Messner: "Mich konnte niemand stoppen"

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    "In meinem Alter kann ich natürlich nicht mehr jeden Tag zum Bergsteigen gehen", gibt Reinhold Messner zu. Heute hält der 73-Jährige viele Vorträge und gibt seine Erfahrungen und die Begeisterung für die Berge weiter, wie hier 2015 in Kempten.
    "In meinem Alter kann ich natürlich nicht mehr jeden Tag zum Bergsteigen gehen", gibt Reinhold Messner zu. Heute hält der 73-Jährige viele Vorträge und gibt seine Erfahrungen und die Begeisterung für die Berge weiter, wie hier 2015 in Kempten. Foto: Ralf Lienert

    Herr Messner, ich bin ehrlich zu Ihnen: Wenn mich meine Eltern fragen, ob ich mit in die Berge möchte, bekommen sie meistens ein Nein zuhören. Deshalb jetzt die große Bitte meiner Eltern, überzeugen Sie mich. Wieso sollte ich das nächste Mal mit zum Wandern?
    Ich habe selbst Kinder und schnell gemerkt, dass ihnen das normale Wandern auf die Nerven geht. Einfach den Berg hochlaufen, ist vielen Kindern zu langweilig. Wenn es aber ums richtige Bergsteigen und Klettern geht, ist der Nachwuchs mit von der Partie. Mein Sohn zum Beispiel ist ein exzellenter Bergsteiger. Aber gerade beim Klettern muss man aufpassen. Wenn sich ein Kind zu sehr vor dem Abgrund fürchtet, darf man es nicht zwingen mitzuklettern. Das war für mich immer ganz wichtig: Wer nicht mit will, der muss auch nicht.

    "Meinen ersten Dreitausender habe ich mit fünf Jahren bestiegen."

    Sie musste man als Kind und Jugendlichen nicht zum Klettern zwingen. Was war es, das Sie in die Berge getrieben hat?
    Ich bin in den Dolomiten groß geworden – kurz nach dem Krieg. Da gab es weder ein Schwimmbad noch ein Jugendhaus oder ähnliches. Die einzigen Freizeitaktivitäten, die wir hatten, waren im Winter Skifahren und im Sommer eben das Klettern. Übrigens haben das unsere Eltern gar nicht gerne gesehen, wenn wir auf den Felsen rumkrakselten. Aber mich konnte niemand stoppen. Und im Grunde genommen wurde mir das Bergsteigen auch in die Wiege gelegt. Meinen ersten Dreitausender habe ich mit fünf Jahren bestiegen, gemeinsam mit meiner Familie.

    Kommen wir auf Ihr aktuelles Programm zu sprechen: "Über Leben". Sie haben nicht nur alle 14 Achttausender bewältigt, sondern auch die Antarktis und die Wüste Gobi durchquert. Heißt das, uns erwartet am 25. November in der Stadthalle Memmingen nicht nur ein Vortrag eines Bergsteigers, sondern eines Abenteurers?
    Ja definitiv. Auch wenn der Titel natürlich ein Wortspiel zwischen Überleben und über das Leben ist, liegt die Betonung auf letzterer Bedeutung. Ich spreche über mein Leben. Aber natürlich sind das Bergsteigen und die vielen waghalsigen Abenteuer, bei denen es oft ums Überleben ging, auch Bestandteil meines Lebens und des Vortrags. Ich will den Leuten nicht vorhalten, dass ich mehr über das Leben weiß als andere – ich hatte aber schon oft einen anderen Blickwinkel auf die Dinge und davon möchte ich berichten.

    Gibt es auch eine Geschichte, die im Allgäu spielt?
    Eine Route bin ich im Allgäu noch nicht geklettert. Aber dafür hat mich ein ganz faszinierender Mensch ins Allgäu geführt: Adolf Schulze, einer der besten Kletterer überhaupt, der leider sehr in Vergessenheit geraten ist. Selbst in Fachkreisen ist sein Name weitgehend unbekannt. Dabei hat er gerade im Allgäu eine große Zahl an schwierigen und harten Erstbesteigungen absolviert. Ich bin gerade dabei einen Spielfilm zu entwerfen, in dem seine Person eine große Rolle spielt. Für 2019 ist der Film geplant, aber Genaueres kann ich dazu noch nicht sagen.

    Nicht nur bergauf ist es anstrengend. Auch die Antarktis Durchquerung kostete dem Abenteurer Reinhold Messner viel Kraft.
    Nicht nur bergauf ist es anstrengend. Auch die Antarktis Durchquerung kostete dem Abenteurer Reinhold Messner viel Kraft. Foto: Messner

    Sie sind Extrembergsteiger. Kommt es auch mal vor, dass Reinhold Messner zum „normalen“ Wandern in die Berge geht und auf Touristenpfaden unterwegs ist?
    Na klar, ich bin jetzt 73 und da gehe ich auch häufiger alleine zum Nachdenken in den Wald.

    "Ich war getrieben und musste in den Berg."

    Sie haben in einem Interview gesagt, dass der Gedanke ans Sterben nie ein Problem für sie gewesen sei. Die Frage ist, ob das auch für Ihre Familie gilt. Geht man denn auf eine gefährliche Tour, ohne dabei einen Gedanken an seine Familie zu verschwenden?
    Nein, natürlich nicht. Meine Frau und die Kinder sind der Dreh- und Angelpunkt meines Lebens und ich bin ein großer Familienmensch. Wenn man auf eine riskante Tour geht, von der man nicht weiß, ob man zurückkommt, leidet die Familie. Sowohl meine Frau und früher auch meine Mutter hatten Angst. Die Kinder dagegen weniger, die halten den Vater für unbesiegbar. Es gibt im Grunde nichts, dass unser Tun rechtfertigt. Es ist gefährlich und man geht auch nicht gelassen an die Sache ran. Natürlich hatte ich Angst, es könnte etwas passieren. Aber diese Angst sorgt auch für mehr Sicherheit. Generell fürchte ich mich jedoch nicht vor dem Tod, denn der gehört zu unserem Leben dazu. Es gab andere Bergsteiger, die mit dem Klettern aufhörten, nachdem sie eine Familie gründet hatten. Aber ich war getrieben und musste in den Berg.

    Was ist es, das Sie antreibt? Der Ruhm, die Angst und das Adrinalin oder schlicht die gute Aussicht?
    Ich glaube es ist ein Trugschluss, dass die Angst und das Adrenalin den Menschen treiben. Wenn das so wäre, würden wir keine drei Tage überleben. Bei mir war es die Begeisterung für den Berg, die schon mit 18 oder 19 Jahren begonnen hat. Das Bergsteigen ist ja nicht einfach ein Sport! Ich würde es viel mehr als menschliche Äußerung beschreiben, da es Thema von so Vielem ist: der Literatur, Philosophie oder dem Storrytelling. Ich wollte in all das hineinschlüpfen und es selbst erleben.

    Selbst in Fachkreisen gilt er als Unbekannter und das obwohl er der beste Kenner der Allgäuer Bergwelt genannt wird und den Südgipfel des, zu seiner Zeit, schwierigsten Bergs erstbestieg:

    Adolf Schulze

    wurde 1880 in Mexiko geboren, begann seine Bergsteiger-Karriere aber in den Allgäuer Alpen. Sein Aufstieg ist ähnlich steil wie die Felswände, die er erklommen hat. Allein im Sommer 1900 absolvierte er im Allgäu 12 Erstbesteigungen und kletterte die schwierigsten Routen in Rekordgeschwindigkeit, die es in den Bergen rund um Oberstdorf gab. Als alle herausfordernden Berg im Allgäu dann bezwungen waren, sorgte er als Mitglied einer Kaukasus-Expedition für Aufsehen. Das Team aus deutschen und österreichischen Bergsteigern erklomm als Erstes den Südgipfel des Berges Uschba, der zur damaligen Zeit, als der gefährlichsten der Welt galt.

    Wenn man alle Achttausender und 3500 andere Gipfel bestiegen hat, ist man ganz oben angekommen. Gibt es trotzdem noch Ziele?
    Ich habe das große Glück, dass ich noch gesund bin und die Freiheit habe, mir weitere Ziele zu setzen. Nachdem ich mit meinen 73 jetzt nicht mehr ganz so fit am Berg bin, verwende ich meine Energie darauf, Geschichten zu erzählen. Ich versuche, meine Begeisterung für die Berge weiter zu geben - in Vorträgen und in meinen Filmen. Aber natürlich klettere ich noch. Schließlich drehen wir unsere Filme nicht in Hollywood-Studios, sondern am echten Felsen. Denn bei all meinen Filmen ist immer die Natur der Hauptdarsteller.

    Dann kann ich mir vorstellen, dass es für Sie die Höchststrafe ist, am Wochenende die Füße hochzulegen und einfach zu entspannen.
    Ich bin immer noch aktiv und gerne in der Natur. Aber wie gesagt, in meinem Alter kann man nicht jeden Tag beim Bergsteigen sein. Ich reise viel und gerne mit meiner Familie. In letzter Zeit waren wir zum Beispiel öfter in Nepal. Aber natürlich bin ich am Wochenende auch mal daheim. Allerdings könnte ich nicht 365 Tage im Jahr nur in einem Sonnenstudio liegen. Ich möchte nicht auf ein gelungenes Leben zurückblicken, sondern jetzt etwas erleben – im Hier und Heute.

    Als Sie im Himalaya unterwegs waren, berichteten Sie davon, Spuren des Yetis gesehen zu haben. Was hat es mit diesem Wesen auf sich?
    Man muss da ganz klar trennen zwischen dem Yeti in der Legende und dem zoologischen. Die Legende über dieses riesige, zottlige Wesen ist jahrhundertealt. Ein englischer Journalist hat die Geschichte aus dem Himalaya nach Europa getragen. Was viele Leute nicht kapieren können, dass der Yeti eine Legende ist. Vieles ist Übertreibung, Phantasie und Dichterei. Aber jede Legende hat einen wahren Hintergrund. Ich bin der Überzeugung, es gibt im Himalaya einen großen Schneebären, der eben das zoologische Pendant zur Legende darstellt. Dieser ist natürlich nicht eins zu eins der Yeti aus der Legende. Das geht auch gar nicht, denn wie bei jeder Geschichte, spielt die Phantasie der einzelnen Menschen eine große Rolle. Jeder, der von der Yeti-Legende hört, hat ein unterschiedliches Bild im Kopf – daher gibt es so viele Yetis wie Menschen. Denn jeder stellt ihn sich anders vor. Aber ein wahrer Kern bleibt bestehen, wie bei jeder Legende.

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