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Schiri, was kannst Du eigentlich?

Robert Hartmann im Talk

Schiri, was kannst Du eigentlich?

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    Alles andere als 'ne Pfeiffe: Robert Hartmann aus Krugzell ist Bundesliga-Schiedrichter
    Alles andere als 'ne Pfeiffe: Robert Hartmann aus Krugzell ist Bundesliga-Schiedrichter Foto: Christoph Specht

    Beim Auftritt am Stand des Bayerischen Landessportverbandes auf der Allgäuer Festwoche gab sich der Oberallgäuer ebenso souverän und diplomatisch wie beim anschließenden Interview mit unserer Zeitung. Und er überraschte mit der Geschichte, dass er früher eigentlich gar nicht Schiedsrichter werden wollte. Wir sprachen mit Robert Hartmann über ...

    ... das Skandalspiel in Rostock:

    Richtig überrascht haben Hartmann die Ausschreitungen im Spiel gegen Hertha BSC Berlin nicht. "Wir waren vorbereitet und wussten, dass das ein sogenanntes Hochrisikospiel ist." Natürlich habe man versucht, möglichst alle Gefahren abzuwehren und Pyrotechnik an den Stadioneingängen rauszufiltern. "Dass das nicht immer gelingt, hat man in Rostock ja gesehen." Als die Provokationen beider Fanlager zunahmen, habe er das Spiel das erste Mal kurz unterbrochen. "Dann gab es weitere Ausschreitungen in den Fanblöcken und Leuchtraketen wurden gezündet. In diesem Moment bin ich für die Gesundheit der Spieler verantwortlich - und die war nicht mehr gewährleistet", erzählt Hartmann. Logische Konsequenz: "Dann muss ich unterbrechen und wir gehen erst mal in die Kabine."

    Der Oberallgäuer macht nicht nur auf dem Fußballplatz, sondern auch auf der Festwoche eine gute Figur.
    Der Oberallgäuer macht nicht nur auf dem Fußballplatz, sondern auch auf der Festwoche eine gute Figur. Foto: Ralf Lienert

    Dass er in den Medien hinterher für sein Verhalten gelobt wurde, hat für Hartmann etwas mit klaren Verhaltensregeln zu tun ("wir haben in der Schiri-Kabine mit Polizei, Sicherheitschef und DFB-Delegation alles genauestens analysiert") - aber auch mit Glück. "Gott sei Dank ist nach der Viertelstunde Unterbrechung alles weitergegangen und wir haben das Spiel über die Bühne gebracht."

    ... Redeverbote nach solchen Spielen:

    "Es gibt keinen Maulkorb für uns Schiedsrichter", macht Hartmann deutlich. Er könne sich natürlich nicht zu einem schwebenden Verfahren vor dem Sportgericht äußern, aber im Falle Rostock habe er noch am selben Abend bei Sky ein Interview gegeben. Nur als er am nächsten Vormittag unzählige Medienanfragen auf seiner Mailbox hatte, habe er sich der Einfachheit halber an die DFB-Pressestelle gewandt, um ein einheitliches Statement rauszugeben. "Das ist nötig, sonst kommt man nach so einem Spiel nicht mehr zur Ruhe."

    ... den neu eingeführten Video-Beweis:

    Hartmann ist eine Aussage vorneweg wichtig: "Wir Schiedsrichter stehen zu 100 Prozent hinter diesem Video-Beweis, weil er uns die Sicherheit gibt, dass wir diese eine krasse Fehlentscheidung im Spiel nicht treffen werden." Gut findet er auch, dass der Video-Beweis nur in vier Situationen zum Einsatz kommen kann: bei Roten Karten, Strafstoß-Entscheidungen, beim Erzielen eines Tores und bei einer eventuellen Verwechslung eines Spielers. Die modernen Medien machten für Hartmann den Video-Beweis ohnehin zum Muss: "Mit Sky go hat jeder Stadionbesucher die Möglichkeit, auf seinem Handy die Szenen sofort noch mal anzuschauen. Nur wir Schiedsrichter in der Mitte waren die Einzigen, die die Bilder nicht zur Verfügung hatten."

    ... seine ersten Erfahrungen mit dem Video-Beweis:

    Dass er sich angeblich am Samstag beim Spiel Wolfsburg gegen Dortmund bei Video-Schiedsrichter Dr. Drees in Köln vergewissern wollte, ob dem Treffer von Marc Bartra eine Abseitsposition vorausgegangen war, wollte Hartmann nicht bestätigen. "Es nützt ja niemandem, wenn jetzt jeder Schiedsrichter einen Kommentar darüber abgibt, wie es in seinem Spiel gelaufen ist." Fakt sei: Die Deutsche Fußball-Liga habe erkannt, dass noch nicht alles reibungslos funktioniert habe und man mit dem Dienstleister schnell verhandeln müsse, dass es am nächsten Spieltag besser wird. "Wichtig war, dass am ersten Spieltag alle wichtigen Entscheidungen vom Schiedsrichter auf dem Platz richtig entschieden wurden", sagt Hartmann.

    ... die mentale Umstellung:

    Die sei schon enorm gewesen, gibt Hartmann zu. "Wir Schiedsrichter sind die letzten gut 20 Jahre ja so sozialisiert, dass man eine Entscheidung trifft und ab dem Moment bis weit nach dem Spiel auch dazu stehen muss." Nun habe er sich insgeheim auch darauf vorbereitet, dass ihm der Video-Schiedsrichter in der ersten Viertelstunde zweimal ins Ohr flüstert, dass er zweimal daneben gelegen hat. "Das wäre dann schon eine große Belastung." Die Kommunikation mit dem Video-Schiedsrichter erfordere noch einmal mehr Konzentration, man sei durch den zusätzlichen Kanal noch ein bisschen mehr abgelenkt. Als die Headsets vor ein paar Jahren eingeführt wurden, um mit den Assistenten und dem vierten Offiziellen zu kommunizieren, habe auch nicht alles von Anfang an funktioniert.

    ... seinen ersten Einsatz als Video-Schiedsrichter:

    Der stehe schon am kommenden Wochenende an, verrät Hartmann. Er werde dann ins Übertragungs-Center nach Köln fahren, um an einem der sechs Arbeitsstationen ein Bundesliga-Spiel zu überwachen. "Uns stehen", erklärt Hartmann, "vier große Bildschirme zur Verfügung, auf denen das Livespiel läuft und ein oder zwei sogenannte Spotter, denen ich sagen kann, zeig mir die Situation zum Beispiel noch mal von der Hintertor- oder Torlinienkamera. Wir üben das ja schon ein Jahr lang und haben da schon ein Gefühl dafür bekommen, welche Situation sehe ich mit welcher Kamera am besten." Grundsätzlich gelte: Die Hoheit bleibt auf jeden Fall beim Schiedsrichter auf dem Platz.

    ... Bibiana Steinhaus und ihren Fernsehauftritt im Sportstudio:

    Hartmann schmunzelt: "Ich wollte mir das anschauen, war aber so platt, dass ich eingeschlafen bin." Das habe aber nichts mit Bibiana Steinhaus zu tun. Im Gegenteil: "Jeder Auftritt eines Schiedsrichters im Sportstudio kann helfen. Dass die Bibi das jetzt macht, perfekt." Ohnehin sei die erste Bundesliga-Schiedsrichterin intern kein Thema: "Bibi ist seit zehn Jahren bei allen Lehrgängen dabei und gehöre einfach mit dazu. Sie wird, das klingt jetzt blöd, auch in der Bundesliga ihren Mann stehen", sagt Hartmann. Bei allem medialen Ballyhoo drücke er ihr einfach nur die Daumen. "Das muss man erst mal verkraften."

    ... den Start seiner Schiri-Karriere:

    "Eigentlich wollte ich damals gar nicht Schiedsrichter werden." Beim SV Krugzell, bei dem sein Vater Jugendleiter war, hatte er vor, den sogenannten "jugendorientierten Trainerschein" zu machen. Dazu musste man eine Schiedsrichterprüfung ablegen und mindestens 15 Spiele pfeifen. "Da bin ich dann unter die Fittiche von Obmann Siggi Irl gekommen - und bei der Schiedsrichterei geblieben." Der Trainerschein war plötzlich kein Thema mehr. "Wenn ich so zurückblicke", sagt er, "war das damals glaub’ die richtige Entscheidung."

    ... den Aufwand, den er treiben muss:

    "Das ist mit dem Aufwand eines Profisportlers vergleichbar", sagt Hartmann. Eigentlich vergehe kein Tag, an dem er nicht mit seinem Zweitjob beschäftigt sei. Training, Vorbereitung, Anreise, das Spiel selbst, die Nachbereitung, Physiotermine - "da kommt schon was zusammen". Ähnlich wie die Spieler müsse ein Bundesliga-Schiedsrichter elf bis 13 Kilometer in einem Spiel laufen. "Dazu muss man fit sein." Während die Spieler Millionengehälter einstreichen, muss sich Hartmann mit 5.000 Euro pro Bundesliga-Einsatz begnügen. Beruflich sei er immer noch bei der Deutschen Bank in Memmingen, habe mittlerweile die Arbeitszeit aber reduziert. Die wenige restliche Zeit verbringe er mit der Familie. "Alles andere muss man eben zurückschrauben."

    ... das Alter:

    "Ich werde bald 38", sagt Hartmann, "und gehöre, wenn man in der Mitte der 24 Bundesliga-Schiedsrichter eine Linie zieht, damit zu den zwölf Älteren." Er ist überzeugt davon, dass die Unparteiischen aufgrund der gestiegenen Dynamik in immer jüngeren Jahren in die Profiligen kommen. Er rät: "Wenn jemand wirklich die Möglichkeit haben möchte, als DFB-Schiedsrichter zu pfeifen, muss er heute mit 15, 16 Jahren die Schiedsrichterprüfung machen." Aber er buhlt auch um die Älteren: "Wir brauchen für die Spiele an der Basis auch den Typ Schiedsrichter, der nach seiner aktiven Karriere noch die Prüfung macht und regelmäßig pfeift."

    Einen Teil der Fragen stellte der Oberallgäuer Kreisvorsitzende des BLSV, Benno Glas, am Sonntag öffentlich auf der Allgäuer Festwoche.

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