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Schock in Sonthofen: ERC meldet Insolvenz an - Sportlicher Leiter: "Es ist das absolute Chaos"

ERC Sonthofen insolvent

Schock in Sonthofen: ERC meldet Insolvenz an - Sportlicher Leiter: "Es ist das absolute Chaos"

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    Schock in Sonthofen: Der ERC Sonthofen hat Insolvenz angemeldet.
    Schock in Sonthofen: Der ERC Sonthofen hat Insolvenz angemeldet. Foto: Dominik Berchtold

    Update 17 Uhr: Kommentar von AZ-Sportredakteur Ronald Maior

    Tabula rasa

    Ernüchternd, niederschmetternd, zermürbend: Der Insolvenzantrag des ERC Sonthofen mag vieles sein – nur nicht überraschend. Er ist eine logische Konsequenz schwerer Versäumnisse, das Produkt gravierender Missverständnisse. Hinzu kommt eine – auf allen Ebenen – mangelhafte Kommunikationsstruktur. Doch die Insolvenz ist auch eine Chance. Eine Chance für den ERC Sonthofen, endlich reinen Tisch zu machen.

    Die Gesellschafter sind zerstritten, das Band zum Team zerschnitten, es fehlt der Zuspruch von den Rängen, ausbleibende Gehälter rauben Spielern Vertrauen und Motivation. Auch im Hauptverein rumort es wegen anhaltender Streitigkeiten zwischen Notvorstand Roman Hanisch und Ex-Vorstand Hans Bader gewaltig. Der Verein arbeitet intransparent und schließt die Öffentlichkeit von Mitgliederversammlungen aus. Schlicht: Es brennt an allen Ecken und Enden.

    Was hilft? Tabula rasa – reinen Tisch machen, messerscharf analysieren, schonungslos aufdecken und die gewonnenen Erkenntnisse mit aller Konsequenz umsetzen. So oder so: Beinahe alle Beteiligten beschädigt dieser Fall massiv. Albert Füß hört im Sommer auf, das ist bekannt. Spannend bleibt, wer das Vakuum füllen wird.

    Das März-Märchen von 2017 dient als Muster dafür, dass es wieder rosige Zeiten in Sonthofen geben kann. Als Macher Heiko Vogler die Bulls im Frühjahr ‘17 in einem wochenlangen Rauschzustand bis ins Play-off-Halbfinale geführt hatte, war der Schlüssel: Verein, Umfeld, Spieler, ja die gesamte Stadt schienen vor positiver Energie zu strotzen. Diesen Geist muss der Verein wiederentdecken.

    Der Weg wird lang, beschwerlich – und er wird mit vielen Hürden warten. Denn das Potenzial in der Sportstadt Sonthofen ist allemal da, ebenso wie eine belastbare Eishockey-Tradition. Allein der Funke muss überspringen.

    Reaktionen auf die Pleite des ERC Sonthofen

    Update 11.45 Uhr: Die Insolvenz beim ERC Sonthofen ist in Eishockey-Kreisen und in der Stadt Sonthofen das Gesprächsthema. Reaktionen kommen von verschiedenen Seiten.

    • Bürgermeister Christian Wilhelm:

    „Es ist sehr bedauerlich, weil wir für die Sportvereine und auch für den ERC versucht haben, Lösungen und vieles Machbares zu finden. Aber das Machbare hat auch seine Grenzen – gerade im Vergleich zu den anderen Vereinen in der Stadt. Wir haben aber klar signalisiert, dass wir irgendwann nur ein letztes Mal noch helfen können. Man muss aber auch sagen, dass die Geschäftsführung um Albert Füß sich wahnsinnig reingehängt hat, um das Ganze in richtige Bahnen zu lenken. Es hat aber in den vergangenen Jahren viele falsch geleitete Entwicklungen gegeben, die sich angehäuft haben. Die Insolvenz kann aber auch eine Chance sein. Die Stadt wird im Boot bleiben und den Verein weiterhin unterstützen, wo es nur geht. Es wird eine Neuorientierung geben und ich bin sicher, dass wir in wenigen Jahren ein ganz anderes Bild davon haben werden. Bauchschmerzen habe ich aber allen voran beim Hauptverein. Hier geht es um den Jugendspielbetrieb und ich hoffe, dass der ERC hier einen gesunden Fokus darauf legt.“

    • Sportlicher Leiter Lukas Slavetinsky:

    „Es ist eine absolut beschissene Situation. Die Jungs, wir alle sind im totalen Ungewissen. Was es mich betrifft, ist es noch suboptimaler, weil es bei mir sogar vier Gehälter sind, die fehlen. Nach den ganzen Unruhen, die heuer im Verein heuer geherrscht haben, glaube ich ehrlich gesagt, dass ein Großteil der Mannschaft das Vertrauen in den Verein verloren hat. Man muss sicher sehen, wie es hier weitergeht. Es werden so oder so wilde Zeiten. Es ist ein absolutes Chaos. Das hätte ich mir nie vorgestellt. Ganz ehrlich, ich habe abgeschlossen damit. Als Sportlicher Leiter habe ich mich nur um das Sportliche zu kümmern. Mein Aufgabenberiech war deutlich heuer, aber ich sehe es aus Sportlicher Sicht und die hat sich nur in meinen Augen nicht verändert. Ich will die letzten Spiele, die wir haben gewinnen. Ich liebe diesen Sport und das lasse ich mir von der finanziellen Situation nicht vermiesen. Ich hätte schon viel früher ausstempeln können, aber das mache ich nie.“

    • Ein Gesellschafter (anonym):

    „Das Gros der Gesellschafter fühlt sich bestimmt in den falschen Aussagen, dass wir unseren Verpflichtungen nicht nachgekommen seien. Das stimmt schlichtweg nicht. Man hat uns im vergangenen Sommer ein Budget vorgestellt, eine Summe vorgelegt, die jeder Gesellschafter erbringen müsste, damit man die Saison locker durchspielen kann. Wir Gesellschafter sind all diesen Verpflichtungen nachgekommen, haben sie eingehalten. Es gab einen Fehlbetrag in der GmbH vor der Saison – wir haben diese Summe X gemeinsam aufgebracht, damit man die Saison durchspielen kann. Nun reicht es nicht mehr aus. Dass es so gekommen ist, wundert uns allerdings nicht.“

    Geschäftsführer Albert Füß: Insolvenz ist "alternativlos"

    Die Bulls stehen am Abgrund. Eishockey-Oberligist ERC Sonthofen hat beim Registergericht in Kempten Insolvenz angemeldet. Was die Klubführung in einer Pressemitteilung am Donnerstagmorgen noch als „traurigen Tag für das Eishockey in Sonthofen bezeichnete“, formulierte Geschäftsführer Albert Füß trocken: „Es gab im Moment keine andere Chance, als die Insolvenz zu melden. Das ist der letzte Schritt. Aber er war im Moment alternativlos.“

    Dabei habe Füß die Entscheidung bereits am Mittwochabend – auf Anraten eines Anwalts – getroffen. Die Mannschaft und die Gesellschafter habe er im Nachgang informiert, ehe der Klub am Donnerstagmorgen an die Öffentlichkeit ging. „Aus Dringlichkeitsgründen habe ich keine Gesellschafterversammlung einberufen können. Es steht Spitz auf Knopf“, sagte Füß. Als Grund führte der Verein „fehlende Mittel“ an, die zu Zahlungsschwierigkeiten bei Gläubigern und Spielergehältern führten. Wie unsere Zeitung erfuhr, soll ein Finanzloch im sechsstelligen Bereich klaffen.

    Bereits vor wenigen Tagen hatte ein offener Spielerbrief hohe Wellen geschlagen. Darin hatten sich die Spieler darüber beklagt, kein Gehalten bekommen zu haben und das Verhalten der Gesellschafter angeprangert. „Es liegt quer in der Kommunikation zwischen Gesellschaftern und Mannschaft. Wir Spieler sind nicht im Klaren über unsere Zukunft“, hatte ERC-Kapitän Marc Sill gesagt: „Wenn der Geschäftsführer zum Team kommt und nicht weiß, ob gezahlt wird oder nicht, sind wir Spieler in der Schwebe.“ So sei es beispielsweise vorgekommen, dass bei Vertragsgesprächen vonseiten der elf Gesellschafter nur einer dabei gewesen ist.

    Noch immer keine Lösung bei Spielergehältern

    „Wir haben noch immer keine Lösung gefunden für die Bezahlung der Gehälter“, gestand Füß im Gespräch mit unserer Zeitung ein. Offenbar bestehen noch Rückstände in anderen Bereichen, wobei Füß aber nicht präzise werden wollte.

    Bei unseren Recherchen am Donnerstag standen drei Gesellschafter nicht für Stellungnahmen zur Verfügung. Ein weiterer, der nicht namentlich genannt werden will, sagte: „Das Gros der Gesellschafter sieht sich falschen Aussagen gegenüber, wir seien unseren Verpflichtungen nicht nachgekommen. Das stimmt schlichtweg nicht“, sagt der Oberallgäuer. „Man hat uns im Sommer ein Budget vorgestellt, eine Summe vorgelegt, die jeder Gesellschafter erbringen müsste, damit man die Saison durchspielen kann. Wir sind all diesen Verpflichtungen nachgekommen. Es gab einen Fehlbetrag in der GmbH, und wir haben diese Summe X aufgebracht, damit man die Saison durchspielen kann. Nun reicht es nicht mehr aus.“

    Besorgt – allen voran über die neueste Entwicklung – zeigte sich am Donnerstag auch Sonthofens Bürgermeister Christian Wilhelm. „Es ist sehr bedauerlich, weil wir für die Sportvereine und auch für den ERC versucht haben, Lösungen zu finden. Aber das Machbare hat auch seine Grenzen – gerade im Vergleich zu den anderen Vereinen in der Stadt. Wir haben aber klar signalisiert, dass wir irgendwann nur ein letztes Mal noch helfen können“, sagte Wilhelm. „Die Stadt wird im Boot bleiben und den Verein weiterhin unterstützen, wo es geht. Ich bin sicher, dass wir in wenigen Jahren ein ganz anderes Bild haben werden. Bauchschmerzen habe ich aber allen voran beim Hauptverein. Hier geht es um den Jugendspielbetrieb und ich hoffe, dass der ERC darauf einen gesunden Fokus legt.“

    Keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Spielbetrieb

    Außer den noch immer nicht bezahlten Spielergehältern hat der Insolvenzantrag keine unmittelbare Auswirkungen auf den Oberliga-Spielbetrieb der ersten Mannschaft. Der Hauptverein, nicht die GmbH, ist Inhaber der Spiellizenz. Das hatten die Macher bei der Gründung der Spielbetriebs GmbH im April 2017 für den Fall einer finanziellen Notlage berücksichtigt.

    Somit dürfte dieser Schritt, das machte auch Füß deutlich, für den sportlichen Bereich noch kein Todesurteil sein. Sollte dem sportlichen Klassenerhalt ein finanzieller Abstieg in die Bayernliga folgen, kann „das nicht unter dem Dach einer GmbH laufen. Das ist in der Bayernliga nicht möglich“, sagte Füß. Ob dieser Schritt Auswirkungen auf die künftige Zugehörigkeit der Liga in der kommenden Saison haben wird, hängt vom Verfahren und von den Entscheidungen des DEB ab. Bereits im vergangenen Juli hatte der ERC die Lizenz für die Oberliga-Saison erst nach wochenlangem Krimi erhalten.

    Entsprechend deutliche Worte fand der Sportliche Leiter der Bulls: „Es ist eine absolut katastrophale Situation. Wir alle sind im totalen Ungewissen. Was mich betrifft, ist es noch suboptimaler, weil bei mir sogar vier Gehälter fehlen“, sagt Lukas Slavetinsky und legt harsch nach: „Nach den ganzen Unruhen, die heuer im Verein geherrscht haben, glaube ich, dass ein Großteil der Mannschaft das Vertrauen in den Verein verloren hat. Es werden wilde Zeiten. Es ist ein absolutes Chaos. Das hätte ich mir nie vorgestellt. Ganz ehrlich, ich habe abgeschlossen damit.“

    Das Skurrile: Sportlich läuft es bei den „Schwarz-Gelben“ derzeit wie am Schnürchen. Die Meisterrunde der Oberliga hatten die Bulls verpasst – dafür steht die Mannschaft in der Verzahnungsrunde nach elf Siegen aus zwölf Spielen an der Spitze. Auf Nachfrage, wie schwer ihn das Szenario des sportlichen Klassenerhalts bei gleichzeitigem „finanziellen Abstieg“ treffen würde, hatte ERC-Kapitän Marc Sill noch am Wochenende geantwortet: „Das ist heikel und es wäre schade. Aber kommt es so, dann kann man nichts mehr ändern – und muss das akzeptieren. Mit allen Konsequenzen.“

    Dieses Szenario scheint nun einzutreten.

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