Als ich das Eisstadion Kempten betrete, bin ich froh, dass ich mit den Sharkinas – und nicht der 1b-Mannschaft des ESC Kempten trainieren darf. Die Sharkinas sind eine Gruppe von Müttern, deren Kinder beim ESC aktiv sind. „Eine Hobbymannschaft also“, erklärt mir Corina. „Da brauchst du keine Angst haben“.
In der Umkleide stellt mir Melli eine riesige Tasche vor die Füße. Da sei meine Ausrüstung drin. Mit ihrer Hilfe beginne ich, die Protektoren anzulegen. „Beim Eishockey geht es schon mal etwas härter zu“, lachen die Sharkinas. „Da ist Schutz unverzichtbar.“
Anziehen wird zur Aufwärmübung
Zuerst streife ich eine Hose mit Unterleibschutz über die Skiunterwäsche. Darüber kommen die Schienbeinschützer, die bis über die Knie reichen und mit Klettverschluss befestigt werden. Dann die Stutzen, Ellbogenpolster, der Umhang für Schultern, Rücken und Brust, schließlich die gut gefütterte Hose. Zum Schluss bekomme ich noch ein blaues Trikot über. Der Schweiß perlt mir bereits über die Stirn, ohne dass ich überhaupt einen Schläger in der Hand hatte. So schwer lastet die Ausrüstung und so ungewohnt sind die Verrenkungen, um sich in die Protektoren zu zwängen.
Zum Schluss noch gut gepolsterte Handschuhe und einen Helm mit Gitter, das das Gesicht schützen soll. „Ohne Gitter kann man schnell mal Wunden im Gesicht haben“, weiß Fabian Magg, Spieler der ersten Mannschaft. „Durch den Körperkontakt, fliegende Pucks oder Schläger passiert das schneller, als man schauen kann“, lacht er. Auch bei Raufereien, die man öfter bei einem Spiel sieht, fügen sich Spieler Verletzungen zu. „Die Rauferei ist meist nur, um einen gefoulten Spieler zu verteidigen und dem Gegner zu signalisieren, dass man sich nicht rumschubsen lässt“, beruhigt mich Magg, als ich an mein bevorstehendes Training denke. Der Teamgeist ist beim Eishockey besonders ausgeprägt. Beim ESC ist die familiäre Atmosphäre – auch unter den verschiedenen Teams – spürbar.

Rauf aufs Eis - Raus aus der Komfortzone
Raus aus der Kabine watschle ich Richtung Eis. Ich wage einige vorsichtige Schritte. Mein letztes Mal auf dem Eis liegt gut 15 Jahre zurück – was ich auch direkt merke, als ich den ersten Schlittschuh aufs Eis setze. Stocksteif bewege ich mich ich Stück für Stück über die glatte Oberfläche und versuche, mit dem Schläger in der Hand kleine Ausrutscher auszubalancieren. Um mich bei meinen ersten Runden zu unterstützen, hält mir Inga ihren Schläger hin, an dem ich mich festhalte.

„So lernen die Kleinsten in der Laufschule auch ihre ersten Schritte“, ermuntert sie mich. Ab vier Jahren können Kinder beim ESC Kempten spielerisch den Eissport näher kennenlernen. „Aber bis man die Bewegung verinnerlicht hat, muss man sie bis zu 50.000 Mal durchführen“, weiß Inga. Na toll, das werde ich in einer Trainingseinheit niemals hinbekommen.
Die Sharkinas trainieren nun Spielzüge, Torschießen und Lauftechniken, während ich mich weiter vorsichtig über das Eis schiebe. Langsam glaube ich, den Dreh rauszuhaben. Als das Ausbalancieren nicht klappt, stelle ich erleichtert fest, dass die Schutzausrüstung ihren Namen mehr als verdient hat und ich kaum Schmerzen spüre. Ermutigt und etwas weniger ängstlich setze ich einen Fuß vor den anderen und gleite, zwar weniger anmutig als die anderen, und doch euphorisch über das Eis. Nur das Bremsen klappt noch nicht. Dazu muss ich erstmal noch gegen die Bande fahren.
Träumen erlaubt
Abends beim Spiel der ersten Mannschaft sitze ich im sicheren Abstand auf der Zuschauerbank. Die beiden Mannschaften fliegen über das Eis und spielen geschickt ihre Gegner aus. Schnell landet der erste Puck für den ESC im Netz, die Halle jubelt. Meine Gedanken schweifen noch einmal zurück zum Training am Mittag: Davon, den Puck zu schießen, geschweige denn ins Tor zu treffen, bin ich meilenweit entfernt. Aber der Ehrgeiz hat mich gepackt! Vielleicht beim nächsten Mal.