Joachim Löw zeigte sich mit Gesichtsmaske kurz vor dem idyllisch gelegenen Teamhotel, als er in der Tiroler Mittagssonne auf seine prominenten Rückkehrer Thomas Müller und Mats Hummels wartete. Die Rio-Weltmeister wurden am Freitag wenig später vom DFB-Fahrdienst zum Teamquartier gebracht. Der lässig in weißen Shorts ins Quartier schlendernde Hummels war dabei einige Minuten schneller als der von Kapitän und Bayern-Kollege Manuel Neuer begleitete Müller. Der Gute-Laune-Typ Müller lächelte unter seiner FFP2-Maske und winkte kurz in Richtung der Kameras und Fotografen.
Löw über Müller und Hummels: "Diese Spieler bedeuten mir viel"
Zweieinhalb Jahre nach dem letzten DFB-Auftritt sind Hummels und sein guter Kumpel Müller beim Nationalteam zur Fußball-Europameisterschaft wieder vereint. Den Roten Teppich hatte der Bundestrainer den von ihm 2019 aussortierten Routiniers schon zuvor verbal ausgerollt: "Diese Spieler bedeuten mir viel."
Auf 1200 Meter Höhe zwischen Wettersteingebirge und Karwendel will Löw bei seiner letzten Mission als oberster deutscher Fußballlehrer die Hierarchie im Team neu ausrichten und die entscheidenden Grundlagen für eine erfolgreiche EM legen. "Das Trainingslager ist ein wichtiger Schlüssel für das Turnier", sagte der 61-Jährige, der nach dem paneuropäischen Kräftemessen nach insgesamt 17 Jahren beim DFB und davon 15 Jahren als Bundestrainer abtritt.
2,5 Kilometer lange Absperrzäune in den Tiroler Alpen
Für den Großteil seines Kaders war schon am Abend des Ankunftstages in den Tiroler Alpen das erste Training hinter insgesamt 2,5 Kilometer langen Absperrzäunen angesetzt. Die Sicherheitsvorkehrungen sind durch die Corona-Pandemie nochmals ausgeweitet worden. Über den Flughafen Innsbruck oder direkt aus München reisten Löws auserwählte Spieler nach Seefeld an, wo sie erst einmal den strahlend blauen Himmel und das herrliche Inntal-und Bergpanorama genießen konnten.
Müller (31) und Hummels (32) nehmen in Löws Plänen sofort wieder einen herausgehobenen Platz ein. "Es ist klar, dass man von ihnen gewisse Dinge erwartet. Wir machen es aus sportlicher Überzeugung, dass sie der Mannschaft helfen können mit ihrer Erfahrung", sagte Löw.
Löw: keine Stammplatzgarantie für das ganze Turnier
Beide Profis können und sollen ein Führungs-Vakuum schließen, das sich zuletzt nicht nur bei den Länderspiel-Blamagen gegen Spanien (0:6) und Nordmazedonien (1:2) aufgetan hatte. "Es sind Spieler, auf die wir logischerweise setzen", betonte Löw, auch wenn es eine Stammplatzgarantie für das ganze Turnier nicht geben könne.

"Berührungsängste" spüre er keine, bemerkte der Bundestrainer nach Gesprächen mit Antreiber Müller und Abwehrspieler Hummels. Trotz der Ausbootung des Duos ein Dreivierteljahr nach der vermurksten WM 2018 in Russland gebe es ein gutes Verhältnis. "Wir kennen uns viele Jahre. Wir haben Vieles erlebt, die ganze Bandbreite von Emotionen", sagte Löw. Viel Zeit hat er nicht, um Müller (100 Länderspiele) und Hummels (70 Einsätze) wieder zu integrieren. Am kommenden Mittwoch gibt es beim Test in Innsbruck gegen Dänemark höchstwahrscheinlich das Länderspiel-Comeback beider Leitfiguren.
Anreisetermin von Toni Kroos ist noch offen
Sie können dabei einen Startvorteil nutzen: Während andere wichtige EM-Spieler erst einmal in Seefeld fehlen, sind Müller und Hummels zusammen mit einem großen Bayern-Block von Anfang an bei den Trainingseinheiten dabei. Bei Real-Madrid-Star Kroos ist offen, wann er nach seiner Corona-Infektion nach Österreich anreisen kann.
Ilkay Gündogan auf der einen sowie Timo Werner, Antonio Rüdiger und Kai Havertz auf der anderen Seite stehen sich am Samstag in Porto zunächst beim Champions-League-Finale zwischen Manchester City und dem FC Chelsea gegenüber. Bayern-Profi Leon Goretzka wartet nach einem Muskelfaserriss noch auf seine Rückkehr auf den Platz.
Thema Teambildung gehört zu den Schwerpunkten
Zu einem der Schwerpunkte des Trainingslagers hat der Bundestrainer das Thema Teambildung erklärt. Müller und Hummels würden vor allem auch "in puncto Führung einiges geben können", sagte Löw: "Sie kennen unsere Denkweise und Philosophie, sind in der Mannschaft respektiert und akzeptiert." Weiter wird es in der Olympiaregion Seefeld um die taktischen Brennpunkte "defensive Ordnung und offensive Möglichkeiten" sowie "schwerpunktmäßig" auch um Standardsituationen gehen, berichtete der Weltmeistercoach von 2014 bereits.
Anders als bei der Vorbereitung auf die krachend gescheiterte WM-Mission 2018, die von Teamkonflikten wie den Fotos von Mesut Özil sowie Gündogan mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan überschattet war, soll in Seefeld harmonisch gearbeitet werden. Denn ein Wunsch eint Löw und seine Spieler. Den formulierte Bayern-Profi Leroy Sané in der ARD zum Vorbereitungsstart: "Ich will die Zeit genießen, aber im Endeffekt will ich mit dem ganz großen Traum wieder nach Hause kommen und den Titel gewinnen."