„Wir gratulieren Kickers Offenbach zum Aufstieg aus der Steckdose“. Dieser Satz des kürzlich verstorbenen Dieter Degenhart ist in der Vereinschronik des FC Memmingen fest verankert. Degenhart war einer der Funktionäre des Fußball-Clubs, als vor 25 Jahren im Aufstiegsspiel zur Regionalliga (damals die dritthöchste Klasse) gegen die Offenbacher Kickers in Mannheim die Lichter ausgingen. Der heutige FCM-Schatzmeister Markus Kramer hatte für den Außenseiter gerade den vermeintlichen 3:2-Siegtreffer erzielt, als in der 89. Minute Rhein-Neckar-Stadion das Flutlicht streikte. Dass in diesem „altehrwürdigen“ Stadion und nicht in der damals nagelneuen Waldhof-Arena gespielt wurde, hatte mit Lärmschutzauflagen zu tun.
Gespenstische Stimmung beim Aufstiegsspiel
Nach 40 Minuten Wartezeit wurde am 6. Juni 1997 vom damaligen Spielleiter Hans Scheurer der Spielabbruch und gleich die Ansetzung eines Wiederholungsspieles ein paar Tage später angeordnet. Was bis dahin in Mannheim passierte, ist allen noch in Erinnerung, die damals dabei waren. 10.000 Offenbach-Fans gingen im wahrsten Sinne des Wortes auf die Barrikaden, Pyrotechnik sorgte für eine gespenstische Stimmung, die Polizei zog in voller Montur mit Helmen, Schutzschilden und Schlagstöcken auf dem Platz auf, um die Spieler und Schiedsrichter in der Dunkelheit zu schützen und Schlimmeres zu verhindern. Ein paar hundert Schlachtenbummler aus dem Allgäu, die kurz zuvor noch in Jubelstimmung waren, verhielten sich aus gutem Grund eher ruhig.
Spielabbruch und Wiederholungsspiel
Zu später Stunde wurde in einer konfusen Pressekonferenz eine defekte Hauptsicherung präsentiert. Diese sei angeblich durch die Übertragungstechnik des Hessischen Fernsehens überlastet gewesen. Auch wenn der Schaden schneller repariert worden wäre (kurz nach dem Abbruch war es plötzlich wieder taghell), das Spiel wäre nicht mehr angepfiffen worden. Die Polizei hatte aus Sicherheitsgründen und Angst vor dem Offenbacher Anhang auf den Abbruch bestanden. Diese Aussage des Einsatzleiters würde heutzutage vermutlich dazu führen, dass das Spiel für Memmingen gewertet worden wäre. Die Entscheidung damals war eine andere. Am 10. Juni unterlagen die frustrierten und urlaubsgeschwächten Memminger im Wiederholungsspiel im großen und „sicheren“ Stuttgarter Gottlieb-Daimler-Stadion mit 0:2. Der bittere Nachgeschmack bleibt auch noch Jahrzehnte danach. Hatte man lieber Offenbach statt Memmingen in der Regionalliga? Die spätere Aussage von Kickers-Manager Klaus Gerster trug zu solchen Spekulationen bei: „Ein weiteres Jahr in der Oberliga hätte Offenbach finanziell nicht überlebt.“ „Die Begleitumstände waren dubios“, meint Markus Kramer heute, seine Sympathien mit Offenbach halten sich in Grenzen.
"Größtes hessisches Sportwunder"
Der FC Memmingen legte erfolglos Einspruch ein. In der abschließenden Sportgerichtsverhandlung in Frankfurt fiel dann Degenharts legendärer Satz, der bundesweit Schlagzeilen und den FCM mit dem Flutlicht-Skandal über Bayern hinaus bekannt machte. Was bleibt, ist ein denkwürdiges Fußballereignis, dass noch in vielen Köpfen präsent ist und in einigen Rankings sogar als eines „der größten hessischen Sportwunder“ verewigt ist.
Der 6. Juni taucht in der Chronik der Offenbacher Kickers übrigens nicht nur mit dem Flutlicht-Ausfall auf. 1971 kam an diesem Tag durch den damaligen Offenbacher Präsidenten Horst Canellas der bislang größte Skandal in der Bundesliga-Geschichte mit manipulierten Spielen und bestochenen Fußballern ans Licht, was den Profifußball in eine tiefe Krise stürzte. Aber das ist eine andere Geschichte …