Es ist das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben. Das Wissen, dass jeder Meter jemandem hilft. Nun kennt jeder Ausdauersportler das wohlige Empfinden, wenn er sich nach erfolgreichem Schinden nach dem Lauf mit einem guten Gewissen auf die Couch fallen lässt. Wenn Andreas König das tut, dann weiß er, dass er für diesen Tag seine gute Tat bereits vollbracht hat.
Der 52-jährige Oberstdorfer hat es sich seit 1. Januar auf die Fahnen geschrieben, seine Passion – den Berglauf – mit einem guten Zweck zu verbinden: Für alle Hundert Höhenmeter, die König absolviert, spendet er 20 Cent für die Kartei der Not.
Bisher steht der „Königs-Zähler“ bereits bei 96.000 Höhenmetern – und 192 Euro. „Dass es mir heute gut geht, habe ich vielen Leuten und vielen Umständen zu verdanken“, sagt König. „Ich bin dankbar dafür, dass mir in meinem Leben so viel Gutes widerfahren ist. Und so kann ich einen Teil zurückgeben.“
Ich war am Boden und kann nun wieder alles machen, was mir Freude bereitet. Das Leben war gut zu mir, und das möchte ich nun zurückgeben.Andreas König
Königs Geschichte beginnt mit einem unbekannten Vater, sein Charakter findet die Prägung in einer Kindheit, in der er sich durch „Flaschensammeln Geld für Kleinigkeiten, die sich Kinder eben wünschen“ erspart hat. Und seine heutige Leidenschaft geht auf eine Erkrankung zurück, die die frühe Liebe am Sport jäh unterbrach.
1995 absolvierte der ehemalige Fußballer und „Gelegenheits-Jogger“ mit dem Lauf auf den Münchner Olympia-Turm seine Premiere bei Laufwettbewerben. Mit dem 16. Rang bei seinem Debüt beim Kanzelwand-Lauf ein Jahr darauf und dem Sieg beim Augsburger Turmlauf 1997 war es um den Oberstdorfer geschehen. „Bis dahin war Grundlagen-Ausdauer ein Fremdwort für mich – ich bin meine Christlessee-Runde immer auf Zeit gelaufen, was natürlich totaler Quatsch ist.“ Das sollte sich rächen. 1999 war König übertrainiert.

Durch falsches Training entzog der Oberallgäuer seinem Körper jede Energie, seinem Kopf die Lust aufs Laufen. Nachdem sich das System wieder stabilisiert hatte, kam der nächste Nackenschlag.
Fünf Jahre lang ging nichts
2003 setzte eine schwere Hüftarthrose König komplett außer Gefecht. „Es ging nichts mehr, so groß waren die Schmerzen“, erinnert sich der Oberstdorfer. Vier Jahre vergingen, ehe er 2007 eine neue Hüfte bekam, zwei weitere, bis er 2009 – beginnend mit dem Radfahren – nach und nach wieder einstieg. „Ich habe fünf Jahre nichts machen können, habe jahrelang starke Schmerztabletten geschluckt. Umso größer war mein Antrieb, wieder zurückzukommen.“
Jetzt mache ich etwas, das Sinn macht. Jedes Mal, wenn ich die Seealpe hochlaufe, 1,60 Euro. Jedes Mal Nebelhorn, 3,40 Euro. Das tut gut.Andreas König
Die Geduld hat sich ausgezahlt. „Ich war am Boden und kann nun wieder alles machen, was mir Freude bereitet. Das Leben war gut zu mir, und das möchte ich nun zurückgeben“, sagt König. Sein besonderes Spendenprojekt soll dabei nur der Anfang sein. Das Prinzip ist schlicht: Seit fünf Jahren ist König Kontoinhaber bei „Strava“, einer Online-Plattform, auf der sich weltweit Millionen Ausdauersportler vernetzen, via GPS ihre Daten sammeln und ihre Leistungen und Herausforderungen miteinander vergleichen.
600.000 Höhenmeter im letzten Jahr
Bereits im April 2018 hatte König für Furore gesorgt, als er mit der globalen Bestleistung von 100.000 Höhenmetern in einem Monat den Wettkampf mit insgesamt 84.981 Mitstreitern gewann. Mit Radfahren und Laufen absolvierte der Bergläufer 2018 atemberaubende 600.000 Höhenmeter.
Der König muss laufen und der König muss zahlen – das ist mein Beitrag für die Region.Andreas König
Heuer verbindet er diese „sportliche Sucht“ mit einem höheren Ziel. „Viele Leute haben mich immer gefragt, warum ich mir das antue – ich bekomme ja kein Geld dafür“, sagt Andreas König. „Mir geht es um die Leistung und darum, mich mit den anderen Läufern zu messen. Jetzt mache ich etwas, das Sinn macht. Jedes Mal, wenn ich die Seealpe hochlaufe, 1,60 Euro. Jedes Mal Nebelhorn, 3,40 Euro. Das tut gut.“ Via GPS mit einer Uhr gekoppelt, ist seine Leistung nachweisbar – mit dem Handy jederzeit einsehbar. Die 96.000 Höhenmeter, die er seit Neujahr zurückgelegt hat, absolvierte er in 122 Läufen – in bisher 45 Tagen – und benötigte dabei über 212 Stunden. Alles für den guten Zweck.
„Es ist verrückt, das weiß ich schon. Aber vielleicht kann ich andere dazu motivieren – es wäre schön, wenn es durch meine Aktion bei manchen klick macht. Wir machen den Wettstreit sowieso, warum also nicht helfen“, fragt König. Der 52-Jährige weiß aus eigener Erfahrung allzu gut, wie heilsam Hilfe wirken kann, wenn sie denn ankommt. „Es gibt viele Leute, die so viel haben und eben ein paar, die nichts haben“, sagt der „König der Herzen“ und fügt an: „Das ist mir wichtig. Der König muss laufen und der König muss zahlen – das ist mein Beitrag für die Region.“