Die deutschen Skispringer standen an diesem Sport-Wochenende wirklich vor großen Aufgaben. Die allerletzte jedoch am späten Sonntagabend war schlichtweg nicht zu schaffen. Christian Ehrhoff, ehemaliger Spieler der Eishockey-Nationalmannschaft, hatte dem Team von Ex-Bundestrainer Werner Schuster eine klare Order erteilt: „Wir haben das Fest hier letztes Jahr gerockt. Diesmal seid ihr dran mit Absperren“, sagte Überraschungsgast Ehrhoff, dem zusammen mit seinen feierwütigen Eishockey-Cracks ein Jahr zuvor die Ehre zuteilwurde, als Mannschaft des Jahres auf der Bühne des Kurhauses Baden-Baden zu stehen.
Zwar strahlten auch die Skispringer und ihr damaliger Gold-Schmied Schuster um die Wette. Doch wirklich kitzeln konnte Ehrhoff die im Vergleich zur Eishockey-Spezies wie „kleine Hüpfer“ wirkenden Springer mit seiner Aufforderung zum Kampftrinken nicht. Er schaute in müde Augen. Und ZDF-Gala-Moderator Rudi Cerne erinnerte sich an einen Satz von Werner Schuster, wonach seine schmächtig gebauten Jungs keine Säufer seien und nach zwei Bier eh umfallen würden.
„Heute nach einem“, legte der gebürtige Kleinwalsertaler Schuster noch einen drauf. Und Markus Eisenbichler, Karl Geiger, Stephan Leyhe und Richard Freitag grinsten nur und nickten fast schon Mitleid erregend mit ihren Köpfen. Immerhin: Eisenbichler legte noch seinen berühmten Schuhplattler aufs Parkett. Dann noch ein paar Fotos und Interviews. Statt ausgelassener Sause machten sich alle vier (der freiwillig zurückgetretene Trainer hielt freilich weitaus länger durch) auf den Nachhauseweg – Karl Geiger war um kurz vor Mitternacht der Erste, der sich ins Auto Richtung Oberstdorf setzte.
Die größte Herausforderung war freilich der Transport vom Weltcup im sächsischen Klingenthal nach Baden-Baden. Was Eisenbichler nach der Auszeichnung als „ziemlich dekadent“ bezeichnete, beschrieb Karl Geiger etwas dezenter als „sehr speziell“.
Mit Blaulicht-Eskorte ins Kurhaus
Direkt nach Wettkampfende seien die Springer mit einem Shuttlebus zu einem Helikopter gefahren worden, der sie nach Hof in Oberfranken brachte. Dort wartete ein luxuriöser Privatjet. Vom Flughafen Baden-Baden ging’s mit einer Blaulicht-Eskorte direkt ins Kurhaus. Geiger geriet – obwohl einigermaßen pünktlich angekommen – aber doch noch gehörig ins Schwitzen, schließlich fand er im riesigen Kurhaus die zurückgelegte Tasche mit den Gala-Klamotten nicht. „Ich bin dann glaub’ noch zehn Minuten im ganzen Gebäude umhergeirrt, bis ich sie gefunden habe“, erzählt der zweifache Goldmedaillen-Gewinner der WM in Seefeld und Innsbruck. „Ich hab’ mich in 30 Sekunden umgezogen, dann ging’s auch schon los.“
Im Gespräch mit der Allgäuer Zeitung verriet Geiger sogar, dass bei seiner Premiere in Baden-Baden nicht mal Zeit zum Duschen blieb. „Das wär’ nach dem Wettkampf schon ganz schön gewesen. Aber für den Stress haben wir’s glaub’ alle gut hinbekommen“, sagt der 26-Jährige, der den „cool aufgezogenen Gala-Abend“ als etwas „Großes und Besonderes“ in seinem Gedächtnis abgespeichert hat.

Gerührt von seiner bislang bedeutendsten Auszeichnung war auch Andreas Bauer, der – noch bevor die Fernseh-Aufzeichnung des ZDF losging – zum Trainer des Jahres gekürt wurde. Bei der Laudatio von Skispringerin Carina Vogt war der 55-jährige Oberstdorfer den Tränen nahe. „Das war schon sehr emotional für mich“, sagte Bauer hinterher, „weil Carina ja auch ein paar Interna verraten hat.“
Übel genommen hat er ihr das nicht. Vogt sprach von einer nicht ganz leichten ein- bis zweijährigen Eingewöhnungsphase, lobte ihn für seinen unermüdlichen Ehrgeiz und Arbeitswillen, „aber auch für seine Gelassenheit an Tagen, an denen man es so nicht von ihm erwarten würde“. Auf diese Art habe er sie zur Olympiasiegerin und fünffachen Weltmeisterin gemacht – und das deutsche Team auch bei der WM in Seefeld zur Goldmedaille geführt. Bauer konnte – als die Creme-de-la-Creme des deutschen Spitzensports lautstark und lange applaudierte – seine Rührung kaum mehr zügeln.
Wenn du als Trainer nicht das Privileg hast, mit toll motivierten Athleten zusammenzuarbeiten, die bereit sind, durch dick und dünn zu gehen, dann gewinnst du gar nichts.Trainer des Jahres Andreas Bauer
Das Lachen kehrte schnell zurück, als sich Vogt für so manche Ansage in den letzten Jahren freudig revanchierte: „Andi, Du darfst Dich jetzt nicht darauf ausruhen und musst hungrig bleiben.“
Bauer gab das Lob an seine Sportlerinnen zurück: „Wenn du als Trainer nicht das Privileg hast, mit toll motivierten Athleten zusammenzuarbeiten, die bereit sind, durch dick und dünn zu gehen, dann gewinnst du gar nichts.“ Seine derzeitige Vorzeigespringerin Katharina Althaus unterstrich: „Andi gibt uns immer wieder neue Impulse.“ Wenn’s mal eine Reiberei oder eine Meinungsverschiedenheit gäbe, höre er immer aufmerksam zu und ziehe die richtigen Schlüsse.
SPORTLERIN DES JAHRES
1. Malaika Mihambo (Leichtathletik) 2281 Stimmen, 2. Anne Haug (Triathlon) 1456, 3. Gesa Felicitas Krause (Leichtathletik) 994, ... 8. Katharina Althaus (Oberstdorf/Skisprung) 353, ..., 16. Selina Jörg (Bad Hindelang/Snowboard) 102. Nominiert: Lisa Brennauer (Durach/Radsport) keine Stimmenanzahl veröffentlicht.
SPORTLER DES JAHRES
1. Niklaus Kaul (Leichtathletik) 1973 Stimmen, 2. Jan Frodeno (Triathlon) 1892, 3. Markus Eisenbichler (Skisprung) 1159. Keine Allgäuer in den Top 20.
MANNSCHAFT DES JAHRES
1. Skispringen, Männer (mit Karl Geiger/Oberstdorf, Markus Eisenbichler, Stefan Leyhe, Richard Freitag) 1764 Stimmen, 2. Deutschland-Achter (Rudern) 1396, 3. Krawietz/Mies (Tennis) 1006, ..., 7. Skispringen, Frauen (mit Katharina Althaus, Juliane Seyfarth/bd. Oberstdorf, Ramona Straub und Carina Vogt) 422, ..., 16. Team Nordische Kombination (mit Johannes Rydzek, Vinzenz Geiger/bd. Oberstdorf, Eric Frenzel und Fabian Rießle) 124 Stimmen.