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Warum das E-Bike geil ist: Ein Plädoyer gegen alle Vorurteile

Elektro rockt

Warum das E-Bike geil ist: Ein Plädoyer gegen alle Vorurteile

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    Mountainbiken mit einem E-Bike? Aber sicher, findet unser Autor.
    Mountainbiken mit einem E-Bike? Aber sicher, findet unser Autor. Foto: Ulrich Weigel

    Zugegeben: Ich steh‘ auf Extrem-Couching mit einer Tafel Schokolade. Sport? Ist was für andere! So was spielt sich höchstens im TV ab. Was für ein Glück, dass es jetzt E-Bikes gibt. Damit komme ich zur nächsten Sennerei, ohne mich in irgendeiner Weise anstrengen zu müssen. Fährt ja von ganz alleine – oder doch nicht?

    Der alte Zwist zwischen Wanderern, die die ganze Wegbreite brauchen, und den Berg rauf schwitzenden und runter rasenden (konventionellen) Mountainbikern ist doch längst Geschichte. Zum Glück gibt es ein neues Feindbild: den E-Biker. Der lässt sich fett und faul von seinem Motor den Berg rauf tragen.

    Helm auf und ab die Post. Unser Reporter Uli Weigel düst gerne mit seinem Mountainbike über die Wege.
    Helm auf und ab die Post. Unser Reporter Uli Weigel düst gerne mit seinem Mountainbike über die Wege. Foto: Ulrich Weigel

    *„Atomstrom-Radler“ witzelt ein „echter“ Mountainbiker, als ich ihn bei seiner Verschnaufpause im Oytal passiere. Woher soll der gute Mann auch wissen, dass ich meinen Akku meistens per Solarenergie lade.

    * Auf dem Weg zur Arbeit hängt sich ein Radler in meinen Windschatten. Dichtes Auffahren mag ich da ebenso wenig wie im Auto. Ich fahre langsamer. Und der Mann ruft mir beim Überholen spöttisch zu: „Akku leer, hä?!“ *Tatort Büro: Ein Kollege aus der Sportredaktion schwört auf sein ultraleichtes Rennrad und lästert nur „mit Motor …“. Ein anderer fragt süffisant: „Heute wieder mit dem Moped da?“ * Und in der Familie? Der Stromverbrauch steigt und steigt, schimpft ein Bruder auf den ökologischen Wahnsinn. Aber dafür fahre ich doch weniger mit dem Auto ...

    Ja! Ich steh aufs Pedelec. So wie viele andere auch. Selbst mein Lieblingsbäcker aus Obermaiselstein und seine Frau radeln mittlerweile elektrisch. Und das aus gutem Grund. Es ist Zeit, mit Vorurteilen aufzuräumen.

    Lucky Hehl lebte seine Mechaniker-Leidenschaft 13 spannende und erfolgreiche Jahre im Rennwagenbau aus: Er baute mit dem Porsche-Werksteam Prototypen für Langstreckenrennen bei Sportwagen-Weltmeisterschaften. Das ist lange her.

    Vielen Menschen begeistert das Radeln mit dem E-Bike

    Heute ist der passionierte Radsportler und Techniker Inhaber von „Rad & Sport“ in Blaichach. Das Radeln mit dem E-Bike mache vielen Menschen Spaß, weiß er und nennt auch einen großen Vorteil: So kämen Radler auch bergauf nicht in den hochpulsigen Bereich. Das E-Bike werde Fahrräder ohne Motor nicht verdrängen, sondern die Angebotsvielfalt ergänzen. Was Lucky Hehl zum E-Bike-Boom sagt? „Er bringt viele Menschen zurück in die Mobilität mit dem Fahrrad.“

    Genau. Das sehe ich an meiner Couch, die ich jetzt seltener sehe. Konditionell war das Bergauf-Kurbeln längst nicht mehr mein Ding. Aber nur auf dem Illerdamm radeln? Langweilig! Das E-Bike erhöht den Aktionsradius gewaltig. Neue Ziele in greifbarer Nähe. Fahren mit genau der Kraftanstrengung, die ich gerade geben will oder kann.

    Schöne Aussicht. Mit dem E-Bike kommen auch weniger trainierte Radler ganz einfach hoch hinaus.
    Schöne Aussicht. Mit dem E-Bike kommen auch weniger trainierte Radler ganz einfach hoch hinaus. Foto: Ulrich Weigel

    Kilometer-Sammeln einfach gemacht

    Binnen weniger Monate habe ich auf meinen Tacho über 2.000 Kilometer gespult. Für leidenschaftliche Rennradler ein Klacks. Für mich mehr, als ich im vergangenen Jahrzehnt insgesamt geradelt bin. Der Spaß am Fahrrad – er ist wieder da. Und der Erfolg kommt nebenbei: Denn auch die Leistungskraft steigt spürbar.

    Es gibt nicht nur verbohrte Radsportler mit Scheuklappen. Viele finden es auch toll, wenn sich jemand so bewegt, statt mit dem Auto rumzustinken. Manche wissen, dass das normale E-Bike (Pedelec) nicht von selbst fährt: Der Motor hilft nur, wenn man tritt.Und er steigt bei Tempo 25 aus.

    Das bedeutet: Überholt ein E-Bike in der Ebene einen stromfreies Rad mit Tempo 26 oder schneller, tritt der vermeintlich faule Fahrer gerade komplett selbst in die Pedale. Der „arme Kerl“ leistet dann sogar mehr als der konventionelle Radler, weil er nebenher das Gewicht von Motor und Akku mitschleppt. Und selbst bei langsameren E-Bikes weiß kein anderer, ob der Fahrer gerade überhaupt den Motor eingeschaltet hat.

    Auch manche Sportler setzen auf das E-Bike

    Es gibt sogar Sportler, die aufs E-Bike als Zweitrad setzen. Beispielsweise, weil sie nach dem stromfreien Training am Morgen abends nochmal (zur Verdauung oder so) elektrisch auf den Berg fahren. Anderes Beispiel: Christian Schimpel, Inhaber von „Allgäu Bikers“ in Immenstadt, ist Coach für Fahrtechnik-Kurse und veranstaltet auch geführte MTB-Touren.

    Ein fitter, sportlicher Typ. Die Strecken muss er zu Saisonbeginn abfahren, da sich ja immer wieder Gegebenheiten ändern. Mit dem E-Bike, sagt er, geht das viel schneller. Für Schimpel keine Frage der Faulheit, sondern wie effektiv er seine Arbeitszeit einsetzt.

    Es gibt viele weitere Motivationsgründe für E-Biker. Einige Beispiele:

    * Ob mit Pollenallergie, Knie-, Hüft- oder Herzproblemen – die Motorunterstützung hilft, Kraft, Kondition und Fitness zu verbessern. * Man hält mit dem durchtrainierten Partner mit, ohne zu hecheln (das kann sogar Beziehungen retten).

    * Schnelle Runden nach Feierabend sind auch zu sonst nicht mehr erreichbaren Zielen möglich. * Manchen macht es Spaß, eine Tour den Berg rauf und den Trail runter gleich zweimal am Stück zu fahren.

    Eines haben E-Mountainbiker stromlosen Radlern ohnehin voraus: Sie können neben dem Downhill- auch den Uphill Flow genießen. Ja, das gibt es tatsächlich. Das neue Gefühl im Anstieg (ein fließendes Klettern) ist nicht nur bei Touristikern in Österreich längst Thema. Vor kurzem eröffnete der Bikepark Geisskopf in Bischofsmais (Niederbayern) seine erste Strecke speziell für E-Mountainbiker: den „Uphill Flow Trail“.

    Wer E-Bike fährt verbraucht kaum Kalorien?

    Spannend ist auch eine Untersuchung, die ein Mountainbike-Magazin im November-Heft 2016 veröffentlichte. Die Tester verglichen Trainingsdaten bei einer 15 Kilometer langen Strecke mit 290 Höhenmetern und einem Singletrail-Anteil von 25 Prozent. Die Ergebnisse dürften manchen konventionellen Radler schockieren: Mit dem E-Bike wurden 547 Kalorien verbraucht, mit dem konventionellen MTB nur drei (!) Kalorien mehr.

    Zugleich brauchte das E-Bike bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 23,9 km/h acht Prozent weniger Zeit (MTB: 19,6 km/h). Und dann ist da die Herzfrequenz: Mit dem E-Bike lag sie bei maximal 155 Schlägen pro Minute (bpm) und im Schnitt bei 133, beim normalen Mountainbike stieg sie in der Spitze auf 168 bpm (Durchschnitt 145).

    Christian Schimpel jedenfalls ist überzeugt, dass komische Blicke und Lästereien von Radlern ohne Hilfsmotor weniger werden. „Eine Frage der Zeit“, sagt er. Und dann können die Radler gemeinsam an einem Strang ziehen. Denn die wichtigste Fragen teilen sie alle: Wo gibt es schöne Strecken? Wo sind Verbesserungen nötig? Wo schaffen Städte und Gemeinden im Zusammenspiel mit Grundeigentümern neue Möglichkeiten für den Spaß auf zwei Rädern?

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