Stell’ Dir vor, ein Weltstar besucht Oberstdorf - und kaum ein Mensch bekommt es mit. Sollten sich die Verantwortlichen der Sportstätten Oberstdorf in der vergangenen Woche dieses Motto für den Besuch von Sidney Crosby als Vorbild genommen haben, so haben sie dieses Spiel gewonnen. Für eineinhalb Tage war der kanadische Ausnahme-Eishockey-Spieler ins Oberallgäu gekommen und hatte sich dafür sogar Zeit genommen, um ein paar Trainingsschüsse mit dem deutschen Eishockey-Nationaltorhüter Dennis Endras im Eissportzentrum abzufeuern.
Selbst eingefleischte Fans und unsere Zeitung haben von dem kanadischen Starbesuch erst erfahren, als der 30-jährige Crosby bereits auf dem Rückflug nach Nordamerika war. "Wir wollten die Angelegenheit absichtlich geheimhalten. Crosby und sein Team haben darum gebeten, dass wir keine große Sache daraus machen", sagte Harald Löffler, Präsident des EC Oberstdorf, auf Nachfrage unserer Zeitung.
Wir wollten die Angelegenheit absichtlich geheimhalten. Crosby und sein Team haben darum gebeten, dass wir keine große Sache daraus machen.ECO-Präsident Harald Löffler
Dass sich der Starstürmer der Pittsburgh Penguins für einen Abstecher während seiner Europa-Tour das renommierte Eissportzentrum unterm Nebelhorn ausgesucht hat, dürfte zwei Gründe gehabt haben. Zum einen trainiert Endras in der Vorbereitung auf die anstehende DEL-Spielzeit mit den Adler Mannheim aktuell im Oberallgäu. Außerdem hoffte Crosbys Management wohl darauf, dass seine eineinhalbtägige Stippvisite im ländlichen Oberstdorf geheimbleiben könnte - zu Recht, wie sich jetzt herausstellt.
1.000 Leute am Stadion in Zürich
Denn nur wenige Tage zuvor soll der zweimalige Olympiasieger Zürich einen ähnlichen Kurzbesuch abgestattet haben. In der Schweiz allerdings wurde die Ankunft des 30-Jährigen publik - über 1.000 Zuschauer erwarteten Sidney Crosby vor dem Eisstadion in Zürich, als dieser aufs Eis wollte. Sein Management habe zügig die Reißleine gezogen, wie uns Dennis Endras erzählt: "Er ist direkt am Stadion vorbeigefahren, weil ihm das zu viel war", sagte er 32-jährige Endras.

Das zumindest ist in Oberstdorf - auch dank der "Top-Secret-Mission" der Verantwortlichen der Oberstdorfer Sportstätten nicht passiert. "Er ist während seiner Europa-Tour ab und zu aufs Eis gegangen", sagte der Mannheimer Profi: "Ich bekam plötzlich einen Anruf von demjenigen, bei dem Crosby die Eiszeit gemietet hatte. Dann hat er ihn direkt gefragt, ob er vielleicht auch einen Torhüter für sein Training bräuchte. Sid war begeistert und hat sofort Ja gesagt. Also haben wir ein wenig unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainiert. Das war sein ausdrücklicher Wunsch."
Er ist bodenständig. Ein lockerer Typ und völlig normal. Wir hatten riesen Spaß beim Training.Dennis Endras
Eine Stunde hat das Training gedauert. Allein Stefan Betz, Leiter für den touristischen Betrieb an der Skiflugschanze, hatte ein paar Fotos von der Trainingseinheit geschossen. Mit dabei auf dem Eis waren auch die beiden künftigen Frankfurter DEL-2-Spieler Maximilian und Magnus Eisenmenger, die derzeit in Oberstdorf trainieren. Für das Trio war das Rendezvous mit dem Weltstar ein Glanzlicht in der eigentlich eishockeyfreien Zeit. "Wir sind nach dem Training noch zusammen Mittagessen gegangen. Sid hat mich eingeladen", sagt Endras, deutscher Meister von 2015 mit den Adler Mannheim. Der gebürtige Immenstädter lobt den dreimaligen Stanley-Cup-Sieger: "Er ist bodenständig. Ein lockerer Typ und völlig normal. Wir hatten riesen Spaß beim Training. Es ist schon der Wahnsinn, was er so mit der Scheibe alles macht."
Das zu sehen, hätte nicht nur den einen oder anderen Eishockey-Fan in der Region interessiert - sondern sicher auch den Nachwuchs. Denn Endras leitet in diesem Sommer erstmals sein "Fource 44 Goalie-Camp" für Nachwuchs-Torhüter. Nach zwei Wochenenden steht am 20. Juli das dritte Camp für "Goalies" von 15 bis 17 Jahren an. Spätestens dann wird Endras den Teenagern gewiss von der Begegnung mit dem Weltstar erzählen.