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Zurück in die Zukunft: Wie ein Sonthofer Dojo durch die Krise kommt

Kampfkunst

Zurück in die Zukunft: Wie ein Sonthofer Dojo durch die Krise kommt

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    „Es ist nicht leicht, all die Emotionen aus dem Dojo ins Wohnzimmer zu transportieren“, sagt Dojo-Inhaberin Hannah Zint über das Cyber-Training während der Corona-Pandemie. „Es ist anders, als wenn man sich von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht.“
    „Es ist nicht leicht, all die Emotionen aus dem Dojo ins Wohnzimmer zu transportieren“, sagt Dojo-Inhaberin Hannah Zint über das Cyber-Training während der Corona-Pandemie. „Es ist anders, als wenn man sich von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht.“ Foto: Daniel Kopatsch

    Es ist das Ritual, das bleibt. Wenn Hannah Zint dieser Tage den „Kiai“ ausführt, tut sie das energisch, ausdrucksstark, dynamisch. Dieser laute Kampfschrei, der die Entschlossenheit einer Bewegung in asiatischen Kampfkünsten untermalen soll, ist fester zeremonieller Bestandteil in den Trainings der 33-jährigen Karateka. Und obwohl Zint ihren „Kiai“ mit einer hörbaren Strenge in der Stimme ausführt, fehlt etwas. „Es ist ein anderes Gefühl, wenn Du alleine im Dojo stehst“, gesteht Zint, Inhaberin der Schule für asiatische Bewegungsformen in Sonthofen-Westerhofen.

    „Für gewöhnlich spüren wir die Energie der Teilnehmer im Raum. In Pandemie-Zeiten schauen sie alle nur über den Bildschirm zu. Da geht viel Intensität verloren.“ Zint bemüht sich dennoch, die Werte, die der Schrei seiner Bedeutung nach vermitteln will – Lebensenergie und Harmonie – in die Wohnzimmer ihrer Schüler zu transportieren. Das ist der schwerste Kampf, den das Dojo in den 25 Jahren seines Bestehens führt.

    Hannah Zint: "Es ist kein Ende in Sicht"

    Denn die Schule für asiatische Bewegungsformen im Sonthofer Ortsteil Westerhofen hatte dieses Jubiläum erst im vergangenen Herbst gefeiert – inmitten der Pandemie, in einem Jahr, in dem auch für die Familie Zint alles anders ist. „Wir können uns, können die Schüler nicht sehen, können nicht miteinander trainieren. Das ist keine leichte Phase“, sagt Hannah Zint, die die Schule 2015 von ihrem Vater übernommen hatte. „Wie in jedem Verein leiden Struktur, Mitgliederzahlen und Motivation stark. Es ist kein Ende in Sicht und wir wissen nicht, wie es mit allem weitergeht, das wir über Jahre aufgebaut haben.“

    1995 hatte Thomas Zint die Bewegungsschule mit dem damaligen Vorsitzenden des Karate-Dojos Sonthofen, Ralf Tappe, gegründet. „Wir suchten nach autarken Trainingsmöglichkeiten für interessierte Kinder und haben sie in Westerhofen gefunden“, erinnert sich Zint. Ab 1998 führte der Kampfkünstler die Schule selbstständig, 2006 erfolgte die Kooperation mit dem Dojo Westerhofen, in dem alle Schüler aus versicherungsrechtlichen Gründen Mitglieder sind. Nach der Spitze bei den Mitgliederzahlen mit über 200 Kampfsportschülern 2009, übergab Zint Senior den Staffelstab 2015 an die nächste Generation. Und so manövriert die 33-jährige Tochter, die sich mit vier Jahren das erste Mal an die Kunst des Kampfsports herantastete, die Schule durch ihre schwierigste Phase.

    17 Trainingsstunden in Karate, Qigong und Taiji

    Die gelernte Erzieherin ist lizenzierte B-Trainerin für Leistungssport und trägt den 2. Dan der Schwarzgurte – Vater Thomas ist Träger des 5. Dans und zudem A-Prüfer, wonach er Gürtelprüfungen für alle Gürtelfarben abnehmen darf. Die Schule bietet 17 Trainingsstunden in den drei Bereichen Karate, Qigong und Taiji an – 16 Trainer wechseln sich in den Einheiten ab. „Wir wollen ein Training für Körper und Geist vermitteln, das ist der Grundsatz der asiatischen Kampfkunst: Beide Bereiche müssen in Einklang gebracht werden“, erklärt die Inhaberin.

    „Anfangs war die Zurückhaltung bei den Kurs-Teilnehmern noch deutlich zu spüren – inzwischen sind die Reaktionen auf das Online-Training bei unseren Leuten aber durchweg positiv“, sagt die 33-jährige Hannah Zint.
    „Anfangs war die Zurückhaltung bei den Kurs-Teilnehmern noch deutlich zu spüren – inzwischen sind die Reaktionen auf das Online-Training bei unseren Leuten aber durchweg positiv“, sagt die 33-jährige Hannah Zint. Foto: Daniel Kopatsch

    „Das beginnt am Anfang der Karatestunde mit dem Abgrüßen als Ritual. Auch im Kampf soll eine innere Stärke all die Übungen begleiten. Im Qigong und Taiji versuchen wir, die innere Mitte zu finden – im Optimalfall lernen die Schüler, das in ihren Alltag einzubauen.“ Atemübungen und meditative Elemente wechseln sich mit dynamischen Kampfsportaktionen ab. Entsprechend lege sie in ihren Stunden auch großen Wert auf die ganzheitliche Bildung von Physis und Psyche für jeden ihrer Teilnehmer, betont Hannah Zint – und zwar altersunabhängig: Die 140 Mitglieder der Schule sind zwischen fünf und 80 Jahre alt.

    Karate-Dojo hält Schüler mit Cybertraining fit

    Ihnen allen hat die dynamische Entwicklung in der Pandemie den Ausgleich, die Ablenkung und vorübergehend auch jene Freude am Sport genommen, die die Familie Zint vermitteln will. „Die Ungewissheit ist schlimmer als im ersten Lockdown. Wir sind nicht mehr ganz so schlimm ins kalte Wasser geworfen worden. Aber es fehlt die Aussicht“, gesteht die Schulleiterin. „Wir mussten viel umstrukturieren, haben nach ersten Außentrainings mit zugewiesenen Gruppen auch wieder im Dojo trainiert, bis wir wieder schließen mussten.“

    Im zweiten Lockdown versucht die gebürtige Sonthoferin nun, ihre Mitglieder mit ihrer Leidenschaft und der Expertise ihres Vaters aus fast fünf Jahrzehnten Kampfsporterfahrung durch Cyber-Training bei der Stange zu halten. „Anfangs war die Zurückhaltung bei den Kurs-Teilnehmern noch deutlich zu spüren – inzwischen sind die Reaktionen auf das Online-Training bei unseren Leuten aber durchweg positiv“, sagt die Dojo-Inhaberin. „Aber es ist nicht leicht, all die Emotionen aus dem Dojo in die Wohnzimmer zu transportieren. Es ist anders, wenn man sich von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht.“

    Hoffnung auf Rückkehr zur Normalität

    Und so hofft die Familie Zint auf eine baldige Rückkehr zur vergangenen Normalität, auf eine bessere Zukunft für das Dojo. „Es ist unheimlich schwierig, wir haben uns über viele Jahre etwas aufgebaut, viele Mitglieder herangezogen und wissen nicht, wie lange wir es so noch aufrechterhalten können“, gesteht Hannah Zint, die mittelfristig sogar plant, die Schule hauptberuflich zu leiten. „Trotz aller Sorgen, kommen wir über die Runden. Für meinen Vater ist die Schule aber Lebenswerk – es ist unheimlich schwer für ihn, die Situation anzunehmen.“

    Doch der 71-Jährige scheint seine Mitte auch in der Krise nicht zu verlieren. „Unsere Sorgen um die Schule sind groß, aber wir können keine Kopfstände machen, um die Lage zu verändern“, sagt Thomas Zint. „Niemand weiß, was kommt. Darüber müssen wir uns keine Gedanken machen. Sondern darüber, wie wir unsere Schüler mit Freude bei uns behalten.“

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