So hatte er sich das wohl nicht vorgestellt, als er seiner Verärgerung freien Lauf ließ und die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sowie den Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf der Socialmedia-Plattform Twitter (heute X) massiv beleidigte. Denn diese Beleidigungen führten zu einer Strafanzeige und – weil er dagegen Widerspruch einlegte – jetzt zu einer Verhandlung vor dem Amtsgericht Wangen und einer Geldstrafe.
Bereits 2023 postete der heute 65-jährige aus dem Raum Wangen auf X mindestens fünf Tweets, in denen er die beiden Politiker Marie-Agnes Strack Zimmermann und Robert Habeck übel beleidigte. Dabei stellte er die FDP-Politikerin in Zusammenhang mit dem NS-Verbrecher Joseph Goebbels und nannte sie ein kriegstreiberisches D*schwein. Robert Habeck unterstellte er Korruption und bezeichnete ihn als A*loch.
Aufgekommen war das Ganze durch eine Anzeige, die bei der Polizei einging. Der als Zeuge vernommene Polizist schilderte, dass eine Rechtsanwaltskanzlei in Nordrhein-Westfalen im Auftrag verschiedener Politiker – so auch Robert Habeck und Marie-Agnes Strack-Zimmermann - das Internet nach Beleidigungen durchforstet und nach Prüfung eine Strafanzeige erstellt.
Jede Woche 30 bis 50 Fälle
Diese Anzeige landete dann bei dem für den Angeklagten zuständigen Polizeipräsidium Ravensburg. Dort gehen nach Angaben des als Zeuge vernommenen Beamten wöchentlich zwischen 30 und 50 solcher Strafanzeigen ein. Die Polizei suchte nach Eingang der Anzeige sofort den Kontakt mit dem Angeklagten. Der wollte sich zu diesem Zeitpunkt aber nicht zum Sachverhalt äußern.
In der Verhandlung allerdings gab er die Taten vollumfänglich zu - obwohl er, wie er versicherte, sich an das meiste nicht mehr erinnern könne. Es sei aber sein Account und er habe sich zu Beginn des Jahres 2023 in einem psychischen Ausnahmezustand befunden. Familiäre Ereignisse hätten bei ihm eine tiefe Depression ausgelöst und er habe Dinge getan, die er sonst nie tun würde: „Ich bin kein Mensch, der jemanden beleidigt – war aber damals nicht ich selbst.“ Als er dann „mal wieder bei Sinnen war“ und merkte, was er getan hatte, habe er alle Tweets gelöscht und sich auch bei Habeck und Strack-Zimmermann entschuldigt. Im Gerichtssaal wiederholte er dies: „Ich möchte mein Bedauern ausdrücken.“
Als Erklärung führte er seine Depression an und die Geschichte seines Vaters. Dieser war im Zweiten Weltkrieg in Gefangenschaft geraten und hatte seine Kinder danach zur Friedensliebe erzogen. „Und als ich diese Frau gesehen habe, da ist mir mein Vater eingefallen, der immer über Goebbels als Kriegstreiber geschimpft hat.“ Heute sehe er das gelassener und habe nicht mehr die Wut und die Unbeherrschtheit. Dennoch sei diese Frau „fehl am Platz.“
Diese Entschuldigung bewertete die Staatsanwältin zwar genauso als strafmindernd wie die Schuldeinsicht und die Löschung der Tweets. Dennoch blieben massive Beleidigungen, für die sie 140 Tagessätze à 40 Euro forderte.
Der Verteidiger dagegen plädierte auf Freispruch und hob dabei insbesondere auf die Strafanzeige durch eine Rechtsanwaltsgesellschaft ab. Er argumentierte, dass ein Politiker, der die Beleidigung nie gesehen habe, von ihr auch weder beleidigt noch in seinem politischen Handeln beeinträchtigt werden könne. Im Übrigen bezweifelte der Verteidiger, dass jemand, „der wie Frau Strack-Zimmermann auftritt, mit solchen Aussagen beleidigt werden kann.“
Grenze der Meinungsfreiheit überschritten
Dem widersprach Richter Klaus Ferstl in seiner Urteilsbegründung deutlich und hob hervor, dass es dem Angeklagten mit seinen Tweets nicht um eine sachliche Auseinandersetzung ging, sondern um die Person. Das werde besonders deutlich, wenn Frau Strack-Zimmermann mit dem NS-Verbrecher Goebbels verglichen werde. Damit sei die Grenze der Meinungsfreiheit deutlich überschritten. Im Übrigen könne der Angeklagte durch die öffentliche Äußerung auch deren Wirkung nicht mehr steuern und löse gegebenenfalls gar einen Shitstorm aus.
Verständnis äußerte er für Politiker, die angesichts der Fülle von Beleidigungen nicht jede Strafanzeige selbst stellen können. Er verurteilte den Angeklagten daher zu 90 Tagessätzen à 45 Euro und berücksichtigte dabei die Entschuldigung, die Reue, die Einsicht und die schwierige Lebenssituation. Außerdem muss er die Prozesskosten zahlen.
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