Im Kern war es derselbe Vortrag wie vor einigen Wochen im Lindauer Kreisparlament: Im Ravensburger Kreistag wurde auch auf württembergischer Seite das Gutachten zur Krankenhauslandschaft im Westallgäu vorgestellt. Einziger Unterschied: Der „Raum Hergatz“ als möglicher Standort einer länderübergreifenden Gemeinschaftsklinik wurde weniger als gute Idee, denn als abwegiger Einfall aufgenommen.
Offenkundig ist ein Großteil der Kreisräte aus dem württembergischen Allgäu wie aus Oberschwaben der Auffassung, dass ein Krankenhaus für das Westallgäu in die größte Stadt in der Region gehört: Wangen. Dabei hätte es nach dem Willen des Landrats gar keine Standortdebatte geben sollen.
Klinik im Westallgäu: Landrat Sievers will Gespräche fortführen
Das angedachte zentrale Westallgäu-Klinikum soll die drei bisherigen Standorte Lindau, Lindenberg und Wangen ersetzen. Entstehen soll es „irgendwo in der Mitte“, wie Gutachter Alexander Schmid von der Firma „2perspectives“ in der Kreistagssitzung sagte.
Er war sichtlich bemüht, den „Raum Hergatz“, den er bei seinem Vortrag im Lindauer Kreistag genannt hatte, nicht in den Mittelpunkt der Überlegungen zu stellen. Wohl auch, weil Landrat Harald Sievers das anmahnte. „Die Basis für eine Standortdebatte ist im Gutachten dünn und nicht belastbar.“ Sie sei nur ein Fahrtweg-Durchschnitt von Patienten und Mitarbeitern von drei Häusern, „wobei es ein Haus (Lindenberg) schon gar nicht mehr gibt“.
Einer neu zu bauenden, länderübergreifenden Gemeinschaftsklinik erteilte der Baden-Württembergische Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) bereits eine Absage (wir berichteten). Er mahnte stattdessen an, der Kreis Ravensburg solle eine belastbare Kooperation mit dem angeschlagenen Medizin-Campus-Bodensee (MCB) aus Friedrichshafen aufbauen.
Dennoch warb Sievers in der Sitzung: „Wir sollten die Idee nicht aufgeben, dass ein gemeinsamer Standort, ein Gemeinschaftskrankenhaus, die Lösung sein kann.“ Im Wangener Krankenhaus habe man „eine motivierte Mannschaft“, für die man die stabilste Lösung suchen müsse.
Dennoch gelte es, so Sievers, Luchas Warnung vor einem zu großen Neubau ernst zu nehmen: „Wir wollen keine Investitionsruine schaffen, die über den Bedarf hinaus geht.“ Dazu müsse auch die Frage geklärt werden: Will man Patienten, die heute nach Kempten oder Immenstadt gehen, in Zukunft wieder im Westallgäu versorgen oder sollen die dort bleiben. Außerdem sei die Zukunft des Tettnanger Krankenhauses ein entscheidender Faktor. Sievers: „Es darf kein Entweder-Oder zwischen den Achsen Ravensburg-Tettnang-Friedrichshafen und der Gestaltungsaufgabe im Westallgäu geben. Wir brauchen ein Sowohl-Als-Auch.“
Ähnliche Töne stimmte für die CDU-Fraktion Roland Sauter an. „Der Weg, auf den uns Minister Lucha einst geschickt hat, sollte das Kirchturmdenken hinter sich lassen“, rief Sauter in Erinnerung. Luchas Absage an eine länderübergreifende Versorgung sei hierbei alles andere als hilfreich. Schließlich ende die Lebenswirklichkeit der Menschen in der Region nicht an der Landesgrenze. Die CDU sprach sich - wie alle Fraktionen - für ein Fortführen der Gespräche mit den bayerischen Nachbarn und mit dem MCB aus.
Mit Blick auf den MCB gestand Oliver Spieß, Fraktionschef der Freien Wähler, dass man große Hoffnungen auf den neuen Friedrichshafener OB und bisherigen Ravensburger Bürgermeister Simon Blümcke setze. „Wir dürfen keine Türen zumachen“, mahnte Spieß an. „Nicht an der Kreisgrenze Richtung See und nicht an der Landesgrenze.“ Die Kooperationsgespräche fortsetzen will auch die Grünen-Fraktion. Sprecherin Doris Zodel sprach sich aber für den bisherigen Standort am Wangener Engelberg aus. Mit der Psychiatrie, dem Schwesternwohnheim und der Pflegefachschule sei hier die nötige Infrastruktur gegeben.
Max Scharpf (ÖDP/BBM) sagte: „Die Krux ist: Wir könnten einen Teil unserer Kosten mit Bayern teilen. Aber wir wollen kein Signal gegen Wangen senden. Für Patienten und Mitarbeiter dort muss es am Ende eine Verbesserung geben. Wo die beste Lösung liegt, können wir noch nicht sagen.“
Eine eindringliche Wortmeldung kam vom Wangener OB Michael Lang (FW): „Mir fällt es schwer, keine Standortdiskussion zu führen, wenn im Gutachten x-fach ein Standortvorschlag steht“, sagte er. „Man kann auch nicht die Zahlen von 2019 mit 2023 vergleichen – dazwischen wurde die komplette OSK-Struktur verändert.“ Und er fand deutliche Worte für das, was derzeit in den bestehenden Kliniken geleistet wird: „Der Hergatzer Bahnhof ersetzt doch nicht das Know-how der funktionierenden Häuser in Lindau und Wangen.“ Zudem warnte er: „Die funktionierenden Strukturen dürfen wir nicht zerreden und nicht gefährden.“ Das sei für den Alltag wichtiger als Träumereien.
OB fürchtet um seine Klinik
Lang glaubt, dass Luchas Äußerungen mit den Münchner Kollegen abgesprochen seien. Will heißen: In keiner der Landeshauptstädte sei man bereit, Hunderte Millionen Euro für ein neues Krankenhaus „irgendwo auf der grünen Wiese im Westallgäu“ bereitzustellen. Solange man das nicht wisse, brauche man über einen Neubau nicht weiterdiskutieren, so Lang. Das schaffe nur Misstrauen bei Patienten und Personal. Denn: „Der Lindenberger Kollege weiß, wenn man nur lange genug über ein Krankenhaus diskutiert, ist es irgendwann vielleicht gar nicht mehr da.“
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden