In der Allgäuer Kleinstadt Lindenberg gibt es circa 100 Straßen. Viele sind nach einer Person benannt. Allerdings handelt es sich dabei ausschließlich um Männer. Eine Straße, die nach einer Frau benannt wäre, gibt es in der 12.000-Einwohner-Stadt nicht. Das sei im 21. Jahrhundert „nicht mehr zeitgemäß“, so Alyssa Kinzelmann in der Bürgerfragestunde des Stadtrates. „Wir wollen, dass endlich einer Frau die Ehre zuteilwird“, sagte die Gymnasiastin. Sie stellte in der Fragestunde zusammen mit Luis Mayer das Ergebnis eines P-Seminars vor, das sich mit den Straßen der Stadt beschäftigt. Dabei nannten die Gymnasiasten auch drei Frauen, die entsprechend gewürdigt werden könnten.
P-Seminare gehören zum Pflichtprogramm der 11. Jahrgangsstufe an Gymnasien in Bayern. Die jungen Leute setzen sich dabei ein Jahr lang intensiv mit einem Thema auseinander. Eine Gruppe am Gymnasium Lindenberg hat das mit ihrer Lehrerin Sabine Berlinger-Hartmann mit den Straßen in der Stadt und ihrer Geschichte getan.
Die Bestandsaufnahme fiel eher ernüchternd aus. Tatsächlich gibt es etliche Straßen, die nach Männern benannt sind. Künstler wie Maximilian Bentele oder Otto Keck sind genauso darunter wie Politiker (beispielsweise Bürgermeister Schmitt und Minister Fehr) und Unternehmer. Als Beispiele genannt seien der Käsehändler Aurel Kohler und der Pferdehändler Aurel Huber. Allerdings findet sich keine Frau darunter.
Nur einmal ist über einen Frauennamen diskutiert worden
In den vergangenen Jahren ist auch nur einmal über eine entsprechende Namensgebung diskutiert worden. Stadtrat Helmut Wiedemann (SPD) hatte Theresia Reich ins Spiel gebracht. Sie hatte die Hutfabrik Reich - einst größer Arbeitgeber in der Stadt - nach dem Tod ihres Mannes übernommen und ausgebaut. Der Vorschlag von Wiedemann, den Platz an der Kulturfabrik nach ihr zu benennen, fand im Stadtrat allerdings keine Mehrheit. Heute heißt er schlicht Museumsplatz.

Aus Sicht der Gymnasiasten wäre es ein „wichtiges Statement der Stadt, endlich einer Frau die Ehre zu erweisen“. Dabei haben sie an Heimarbeiterinnen gedacht. Sie waren ein wesentlicher Teil der Hut-Fabrikation und haben wesentlich zum Aufschwung der Stadt beigetragen. „Die Hutfabriken haben sehr davon profitiert“, sagte Luis Mayer. Die Frauen hätten schlecht verdient, damit die Fabriken den Gewinn maximieren konnten.
Sie hat 218.000 Hüte im Jahr angefertigt
Drei Frauen nannten er und Alyssa Kinzelmann, nach denen eine Straße in Lindenberg benannt werden könnte. Zum einen Theresia Johler. Sie hat in den 52 Jahren als Heimarbeiterin bei der Firma Reich mehr als 218.000 Hüte angefertigt.
Zweite Möglichkeit, die die Gymnasiasten nannten, war Karoline Schneider. Sie brachte es auf 62 Arbeitsjahre. Sie war damit die am längsten beschäftigte Heimarbeiterin bei der Hutfabrik Reich. Als sie mit der Arbeit begann, war sie noch keine zwölf Jahre alt, wie sie später schilderte.
Als dritte Möglichkeit nannten die Gymnasiasten Agathe Brinz als Beispiel für Frauen, die für sehr wenig Geld gearbeitet haben. Nach den Erinnerungen ihres Bruders nähte sie fünf bis acht Hüte pro Tag. Nach Abschluss der Schule sei sie damit von früh bis spät beschäftigt gewesen.
Die drei Lebensgeschichten der Hutarbeiterinnen, sind auch im Deutschen Hutmuseum und im Buch „Chapeau - das Westallgäu behütet die Welt“ von Georg Grübel, Klaus Gietinger und Manfred Röhrl vorgestellt.
Eine Diskussion zu dem Anliegen der Gymnasiasten gab es nicht. Die ist in der Bürgerfragestunde auch nicht vorgesehen. Von den Stadträtinnen und -räten bekamen Kitzelmann und Mayer stellvertretend für das P-Seminar aber starken Beifall und ein Lob vom Bürgermeister. Es sei gut, wenn jemand nicht nur Probleme benenne, sondern auch gleich Lösungen habe, sagte Eric Ballerstedt.
Helmut Wiedemann griff den Vortrag der Gymnasiasten am Ende der Sitzung kurz auf. Er bat, die Recherchen des P-Seminars an die Stadträte weiterzuleiten.
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