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Häusliche Gewalt in Lindau: Ein Verein kämpft um Lösungen für Betroffene

Gewalt gegen Frauen

Wenn das eigene Zuhause zur Gefahr wird

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     Gewalt in der Familie richtet sich fast immer gegen Frauen und Kinder.
    Gewalt in der Familie richtet sich fast immer gegen Frauen und Kinder. Foto: Anne Wall (Symbolbild)

    Der internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November erinnert an ein Thema, das viele Frauen betrifft. Der Verein „Hilfe für Frauen in Not“ im Landkreis Lindau kämpft seit Jahren mit immer komplexeren Fällen. „Leider ist der Anlass immer aktuell“, sagt Anita Stierle vom Verein mit Blick auf die Zahlen.

    Im vergangenen Jahr haben die Mitglieder des Vereins über 72 persönliche Beratungen gegeben. Die beginnt am Telefon und endet mit der Nachbetreuung. Dazwischen helfen die Vereinsmitglieder den Frauen beispielsweise mit Behördengängen oder Zwischenunterkünften. Die Frauen lernen aber auch, wie sie ihr Leben fortan gestalten können.

    Ziel der Gespräche sei es, den Betroffenen eine Perspektive für ein gewaltfreies Leben zu bieten. Viele Fälle, die besonders schwerwiegend sind, bekomme der Verein aber nicht mit. „Da greifen Polizei oder Jugendamt direkt ein“, so Stierle. Die Frauen und ihre Kinder werden dann sofort in Sicherheit gebracht.

    Laut Martin Hämmerle, Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West, hat es im letzten Jahr etwas weniger als 100 Anzeigen wegen häuslicher Gewalt gegeben. 2024 seien es bisher ungefähr 90 Fälle. „Die Zahlen sind in den letzten Jahren ungefähr gleich geblieben“, sagt Hämmerle.

    Genauso wie die Polizei Hilfsstellen einschalte, vermittle auch der Verein bei akuter Gefahr an Frauenhäuser, wo die Opfer der Gewalt rund um die Uhr betreut werden. Wenn das nicht nötig ist, bestehe die Möglichkeit, in drei Schutzwohnungen des Vereins unterzukommen. Im letzten Jahr haben 13 Frauen und neun Kinder dort Zuflucht gefunden. Manchmal dauern die Aufenthalte nur ein bis zwei Tage. Die Frauen nutzen die Zeit, um in Ruhe über ihre Situation nachzudenken. Viele ziehen anschließend zu Freundinnen oder zur Familie. Doch nicht immer bleiben die Frauen so kurz. „Unser Problem ist, dass die Aufenthaltsdauer immer länger wird, weil es schwierig ist, für die Frauen Wohnungen zu finden“, erklärt Stierle. Der längste Aufenthalt sei ein halbes Jahr gewesen. Deshalb hoffe der Verein endlich auf ein Frauenhaus in der Region.

    Frauenhaus wäre dringen nötig

    Wegen dieser Lücke wurde der Verein 1986 überhaupt gegründet. Doch das Frauenhaus gibt es bis heute nicht und der Verein stößt immer mehr an seine Grenzen. „Das sind fast 40 Jahre, in denen der Verein Tätigkeiten eines Frauenhauses übernimmt“, sagt Stierle.

    18 ehrenamtliche Frauen engagieren sich derzeit im Telefondienst, jeweils neun im oberen und unteren Landkreis. Wichtig sei, dass Betroffene bei besetztem Telefon eine Nachricht hinterlassen, wie sie erreichbar sind. Denn oft würden Telefone von Partnern überwacht, was einen direkten Rückruf gefährlich für die Frauen machen könnte.

    Die Mitglieder suchen dringend weitere Frauen für die Hilfeleistungen. „Die Einarbeitung erfolgt durch andere Kolleginnen und es dauert recht lange, bis man Telefondienst macht“, erklärt Stierle. Dass der Verein nur Frauen als aktive Mitglieder aufnimmt, hat einen Grund: Eine Männerstimme am Telefon könnte Hilfesuchende abschrecken. Auch wenn Männer ebenfalls von häuslicher Gewalt betroffen sind, seien es nach wie vor hauptsächlich Frauen, die sich melden. Im vergangenen Jahr habe es nur einen männlichen Anrufer gegeben. „Wir können in den Schutzwohnungen keine Männer aufnehmen, aber wir können sie weiter verweisen“, erklärt Stierle.

    Deutschlandweit fehlen 14.000 Plätze in Frauenhäusern. „Die Einrichtungen sind überlastet“, sagt sie. Teilweise gebe es lange Wartezeiten und Personalmangel. „Bei Gefahr darf das nicht sein“ (Stierle).

    Doch egal, ob in Frauenhäusern oder Schutzwohnungen - von Gewalt betroffene Frauen brauchen Anlaufstellen wie den Verein in Lindau. Vor allem, weil die Fälle laut Stierle schwieriger werden. Besonders Frauen mit Migrationshintergrund seien oft weniger selbstständig. „Dazu kommen Sprachbarrieren bei Fällen mit Migrationshintergrund“, erklärt Stierle. Diese Frauen bräuchten mehr Unterstützung, wenn sie aufs Amt müssen oder eine Wohnung suchen. Viele junge Frauen führen mit ihrem Partner nur ein Konto, was oft finanzielle Abhängigkeit bedeutet. Doch mangelnde Selbstständigkeit treffe Frauen jeder Herkunft, auch deutsche.

    Wie sehr die Betroffenen kämpfen oder dass sie sich überhaupt in einer solchen Situation befinden, sei von außen oft kaum zu erkennen. Denn Gewalt hat viele Formen. Für Stierle ist es daher wichtig, „dass wir alle aufmerksamer sind und näher hinschauen, wenn wir das Gefühl haben, da stimmt etwas nicht“.

    Für Betroffene ist die Unterstützung durch den Verein immens wichtig. „Irgendwann bekommt man eine Dankes-Whatsapp und da ist man ganz hin und weg“, erzählt Stierle. Eine Schutzsuchende dankte allen Frauen im Verein, „die mir geholfen haben, aus dieser Dunkelheit dorthin zu gelangen, wo ich bin. Jetzt bin ich eine glücklich geschiedene Frau. “

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