An Silvester werden Resi und Heinrich Kretz noch einmal hinter der Theke und in der Küche arbeiten – so, wie sie es 43 Jahre lang getan haben. Es wird der letzte Tag für die beiden als Chefin und Chef im Oberreuter Adler sein. Dann übergeben sie den Betrieb. „Wir sind dankbar für die schönen Jahre, aber auch froh, wenn wir aufhören können“, sagt Heinrich Kretz.
Der Adler ist einer der Traditionsgasthäuser im Westallgäu. Seit 1864 befindet sich das am Ortseingang gelegene Haus im Besitz der Familie Kretz. Heinrich ist die vierte Generation. Und nicht die letzte. Mit dem Jahreswechsel wird ihr Sohn Elmar den Betrieb übernehmen. Er will den Adler in einen Erlebnishof umgestalten, mit Freibereich, moderner Gastronomie und Produkten aus der Region. Resi und Heinrich Kretz sehen die Übernahme positiv. „Wir sind froh, dass er den Adler weiterführt“, sagt seine Mutter.
Dafür setzt ihr Nachfolger auf neue Ideen. So haben es Heinrich und Resi Kretz auch selber nach der Übernahme gehalten. Die beiden haben den Gasthof 1980 mehr oder weniger neu errichtet und mit einem eigenen Konzept weitergeführt. Dazu gehörte der große Saal. Mit ihm wurde der Gasthof weit über das Westallgäu hinaus bekannt. „Wir hatten viele rauschende Feste, aber auch kleine Veranstaltungen“, sagt Resi Kretz. Die Mädle- und Vereinsbälle – bis zu 18 in einer Saison – genossen Kultstatus. Knapp 1000 Paare haben im Adler Hochzeiten gefeiert, zig Vereine ihre Jahresbilanz gezogen und viele Angehörige ihr Trauermahl abgehalten. „Wir haben dafür immer geöffnet. Auch, wenn eigentlich geschlossen war“, sagt Resi Kretz. „Und wir haben es gern gemacht“, ergänzt ihr Mann Heinrich.
Mit seiner Frau hat er viele tausend Stunden im Adler gearbeitet. Und zwar zu allen erdenklichen Tages- und Nachtzeiten. Oft ging es um 3 Uhr ins Bett und um 7 Uhr stand Resi Kretz schon wieder in der Gaststätte, um Frühstück für die Hausgäste zuzubereiten.
„Wir hatten immer ein gutes Verhältnis zum Personal“, sagt die Chefin des Hauses. Entsprechend lange hielten die Mitarbeiter der Familie die Treue. 20, 25 Jahre in Service und Küche waren keine Seltenheit. Nur drei Küchenchefs hatten Resi und Heinrich Kretz in ihrer Zeit. Doch auch in Sachen Mitarbeiter haben sich die Zeiten geändert. „Du findest heute kein Personal mehr für die Küche“, beschreibt Heinrich Kretz die Entwicklung, die die Gastronomie überall zu spüren bekommt. In den vergangenen fünf Jahren sind die beiden auch von ihrem Sohn Simon unterstützt worden.
Der Chef des Adler hatte das Ohr am Volk. Viele Bürger schätzen ihn dafür und haben ihm immer wieder ihr Vertrauen als Kommunalpolitiker geschenkt. Seit 38 Jahren sitzt Heinrich Kretz im Gemeinderat, 30 Jahre im Kreistag. „Ohne den Rückhalt meiner Frau hätte ich das nie machen können“, sagt der langjährige stellvertretende Bürgermeister. Auch aus der Kommunalpolitik wird sich Heinrich Kretz zurückziehen. „Ich bin froh, dass ich es so lange geschafft habe“, sagt der 73-Jährige, der im Frühsommer vergangenen Jahres eine schwere Krankheit überstanden hat.
Mit seiner Frau wird er weiter im Adler wohnen, den Betrieb aber seinem Sohn Elmar überlassen.
Resi und Heinrich Kretz wollen nicht aufhören, ohne „Danke zu sagen“: „den vielen Brautpaaren, Jubilaren, Vereinen, Ferien- und Tagesgästen aus nah und fern, die uns all die Jahre die Treue gehalten haben.“