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Messerattacke auf Kind in Wangen: Täter muss dauerhaft in Psychiatrie

Messerangriff auf Vierjährige

„Keine Chance, in den nächsten zehn, 15 Jahre da rauszukommen“

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    Die Justiz hat den Messerstecher in die geschlossene Psychiatrie geschickt.
    Die Justiz hat den Messerstecher in die geschlossene Psychiatrie geschickt. Foto: David-Wolfgang Ebener/dpa

    Die Gewalttat am 3. April hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt und Menschen weit über Wangen hinaus schockiert: Ein damals 34-jähriger Syrer mit niederländischem Pass griff im „Norma“ eine Vierjährige, die mit ihrer Mutter beim Einkaufen war, mit dem Messer an und verletzte sie durch mehrere Stiche schwer. Das Mädchen musste in einem Krankenhaus notoperiert werden. Der Mann wurde kurz nach der Tat in der Obdachlosenunterkunft auf der anderen Straßenseite festgenommen und einen Tag später in eine geschlossene Psychiatrie eingewiesen. Dort wird er noch lange bleiben müssen.

    Täter war zuvor aufgefallen

    Auch in den Tagen und Wochen danach war die Messerattacke das Thema Nummer eins in Wangen. Wie sich herausstellte, war der Mann einige Monate zuvor aus den Niederlanden nach Wangen gekommen und zunächst auf Besuch bei Familienangehörigen. Danach hielt er sich an mehreren Orten im Stadtgebiet auf - im Wald, in einer Tiefgarage und zuletzt in der besagten Unterkunft. Der Syrer fiel in dieser Zeit wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung auf und war der Polizei bekannt. Sie sprach schon damals bei dem Mann von „psychischen Auffälligkeiten“.

    Ein Gutachter stellte bei dem heute 35-Jährigen nach der Festnahme eine „paranoide Schizophrenie“ fest, woraufhin die Staatsanwaltschaft ein Sicherungsverfahren beantragte. Mit dem Ziel, den womöglich Schuldunfähigen dauerhaft in der geschlossenen Psychiatrie unterzubringen. Bei diesem sogenannten Maßregelvollzug geht es sowohl um die Behandlung des Erkrankten als auch um den Schutz der Gesellschaft vor dem Täter. Der Vorwurf der Anklage im konkreten Fall lautete versuchter Mord.

    Der Prozess am Ravensburger Landgericht startete am 2. Oktober. Schon am ersten Verhandlungstag gestand der Beschuldigte die Tat und sprach von einer „göttlichen Eingebung“, die ihn dazu veranlasste, auf das Mädchen einzustechen. Die Mutter beschrieb eindrücklich, wie die gesamte Familie bis heute vor allem seelisch unter der Gewalttat leide.

    Urteil am vierten Verhandlungstag

    Die hätte womöglich tödlich enden können, wenn ein anderer Supermarkt-Kunde nach den ersten Stichen nicht beherzt eingegriffen und dem Täter das Messer abgenommen hätte. Nachdem der Gutachter in seiner abschließenden Erklärung die psychische Erkrankung des Syrers bestätigte und ihm, was weitere mögliche Taten angeht, keine gute Prognose ausstellte, fiel am vierten Verhandlungstag das Urteil: Der heute 35-Jährige muss für unbestimmte Zeit in der geschlossenen Psychiatrie bleiben.

    Damit war für Uwe Rung zwar das Verfahren abgeschlossen, der Fall und der Verurteilte werden den Strafverteidiger aus Weingarten aber weiter beschäftigen. Denn der 64-jährige Anwalt muss dabei sein, wenn der Syrer einmal jährlich von einem Richter in der Psychiatrie aufgesucht wird. Es gilt dann zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Freiheitsentzug noch gegeben sind und ob Lockerungen bei der Unterbringung möglich sind. Bei dem Wangener Messerstecher ist sich Rung jedoch einigermaßen sicher: „Er wird in den nächsten zehn bis 15 Jahren nicht einmal den Ansatz einer Chance haben, da rauszukommen.“

    Wie man sich ein Leben in der geschlossenen Psychiatrie vorstellen muss? Auf jeden Fall nicht angenehmer als eine Haftstrafe im Gefängnis, wie manche behaupten, sagt Uwe Rung und spricht im Fall der ZfP-Klinik in Weissenau von mehreren Zwei- bis Vierbettzimmern. Die Insassen könnten sich innerhalb der geschlossenen Station zwar frei bewegen, seien aber dauernd zusammen mit anderen psychisch Kranken, nehmen unter Aufsicht ihre Medikamente ein, stünden unter ständiger Kontrolle eines erfahrenen Fachpersonals. „Da möchte ich mal einen gesunden Menschen erleben, der unter solchen Bedingungen leben will.“

    Rung weiß aus fast 30 Jahren Berufserfahrung, wovon er spricht. Er verteidigte unzählige Mörder, Vergewaltiger, Drogendealer, Terroristen, Pädophile - einfach weil es jemand braucht, der die Rechte auch solcher Schwerverbrecher wahrnimmt: „Das gehört eben zu meinem Job dazu.“ In den vergangenen Jahren hatte er es regelmäßig mit psychisch kranken Tätern zu tun, die hier dann zustachen. „Messerdelikte haben zugenommen“, berichtet der Anwalt, der derzeit mehr als 200 Fälle in ganz Süddeutschland am Laufen hat.

    Und geht davon aus, dass der 35-jährige Syrer mit niederländischem Pass bis auf Weiteres in Deutschland in der geschlossenen Psychiatrie bleiben wird. Eine Abschiebung sei zwar ausländerrechtlich unter gewissen Voraussetzungen möglich - und in ein anderes EU-Land wohl auch eher machbar. Wenn man aber kein Risiko eingehen wolle, müsse bei dem Betreffenden erst sichergestellt sein, dass nichts mehr passieren kann. Im Fall des Wangener Messerstechers wird das - nach Einschätzung aller Beteiligter -, wenn überhaupt, noch sehr, sehr lange dauern.

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