Gut 100 Menschen haben sich auf der Straße in der kleinen Ortschaft Itzlings versammelt. An der Absperrung halten Demonstranten ein Tuch „Hergatz bleibt bunt“ in die Höhe. „AfD Faschistenpakt. Wir haben euch zum Kotzen satt“, tönt es über die Straße. Anhänger und Gegner der AfD treffen in der Westallgäuer Gemeinde am Mittwochabend einmal mehr aufeinander. Für Abstand sorgen Beamte der Bereitschaftspolizei.
Der Protest richtet sich gegen den Stammtisch der AfD, den die rechte Partei seit Monaten regelmäßig in einem früheren Gasthof in Itzlings abhält. Bei jedem Termin protestieren Bürgerinnen und Bürger dagegen. Die Polizei ist mit einem stärkeren Aufgebot vor Ort. Knapp ein Dutzend Einsatzfahrzeuge stehen auf der Straße in der kleinen Ortschaft, zum größten Teil Mannschaftstransportwagen. Sie blockieren zum Teil die Fahrbahn. Auch, um Anschläge mit einem Auto zu verhindern. Die Polizei ist auf alle Eventualitäten vorbereitet.

Die Stimmung vor der Kundgebung war angespannt. In Kreisen der AfD-Gegner kursiert ein Beitrag des AfD-Kreisvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Rainer Rothfuß. Dort kündigt er an, die linke Antifa in Itzlings „aufmischen“ zu wollen. Ob er echt ist? Unklar.
Klar ist: Vor Ort taucht Sebastian Weber auf. Dem Kommunalpolitiker der AfD aus dem Kreis Leipzig eilt ein Ruf voraus. Und der ist nicht unbedingt positiv. Weber bezeichnet sich selbst als „Journalist“. Unabhängig ist er nicht: Der Streamer macht mit seinem Weichreite TV auf Telegram und Instagram Propaganda für die rechte Szene. Immer wieder sorgt er bei Kundgebungen gegen die AfD für Provokationen.

In Itzlings taucht er mit Smartphone und Selfiestick auf. Hält die Demonstranten im Bild fest, läuft so mehrfach an dem Bereich vorbei, den die Polizei für die Kundgebung vorgesehen hat. Die Demonstranten halten teils Schirme und Transparente vor sich, ziehen Schals hoch, um in den Beiträgen von Weber nicht erkannt zu werden.
Ein Redner hatte die Demonstranten zuvor gebeten, sich nicht provozieren zu lassen, um Weber „kein Material“ für seine Beiträge zu liefern.

Die Polizei achtet auf Abstand zwischen dem Streamer und den Teilnehmern der Kundgebung. Eine Handvoll Beamte folgt ihm immer in wenigen Metern Abstand. Fünf Stunden ist der Streamer nach eigenem Bekunden für seine Beiträge aus Itzlings ins Allgäu gefahren.
AfD-Kreisvorsitzender Rothfuß taucht nicht auf
Immer wieder skandieren die Teilnehmer der Kundgebung Sprüche gegen die AfD. „Rothfuß Rainer, den braucht keiner“ ist einer davon. Doch der Kreisvorsitzende der AfD, Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der Bayerischen AfD, taucht nicht auf. Er muss in Berlin bleiben, heißt es.
Im Vorfeld hatte Rothfuß auf seinem Telegram-Kanal für den „Freiheitsstammtisch“ in Itzlings geworben. Mit mäßigem Erfolg. Einzelne Anhängerinnen und Anhänger der als rechtsextrem eingestuften Partei treffen nach und nach ein - insgesamt gut zwei Dutzend. „Ihr habt schon mitbekommen, dass wir euch hier in Itzlings nicht haben wollen“, ruft einer der Demonstranten über die Straße. Ein anderer spricht den Besitzer des früheren Gasthofes direkt an. „Hören Sie auf, die AfD in ihre Räume einzuladen“.

Um 19.36 schließt sich die Tür des früheren Gasthauses. „Der Kasper ist in seinem Häuschen“, verkündet eine der Veranstalterinnen der Kundgebung. Eine Vertreterin der Organisation „AfD-Verbot jetzt“ meldet sich zu Wort. „Die AfD ist keine normale Partei“, sagt sie. Es gebe keine Argumente, Vertretern einer verfassungsfeindlichen Partei wichtige Positionen zu überlassen. Sie fordert die Menschen auf, eine Forderung nach dem Verbot der Partei „aktiv zu unterstützen“ auch durch entsprechende Gespräche im Freundeskreis.
Nach und nach leert sich die Straße in Itzlings. Der rechte Streamer Weber ist verschwunden. Grund für die Polizei, die Antifa-Mitglieder aufzufordern, die Vermummung abzulegen. „Es gibt keinen Anlass mehr, die Persönlichkeitsrechte zu wahren“, gibt die Versammlungsleiterin an die Demonstranten durch. Die roten Schals der Antifa gehen nach unten.
Künftig keine Demokratie-Dienstage mehr
Gegen 20 Uhr geht die Versammlung zu Ende. Geordnet und friedlich. Demokratie-Dienstage, die bisher einmal im Monat in Itzlings abgehalten wurden, soll es künftig nicht mehr geben, kündigt ein Sprecher an. Auch mit Rücksicht auf die Bewohner der kleinen Ortschaft. Die Proteste gegen Veranstaltungen der AfD vor Ort sollen aber unvermindert weitergehen. Das kündigt eine Sprecherin an. „Jedes Mal, wenn im Gasthaus Licht brennt, werden wir wieder hier stehen“.
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