Saatkrähen sind keine Sympathieträger. Wenn die streng geschützten Vögel in Städten lautstark in Kolonien nisten und mit ihren Hinterlassenschaften parkende Autos und Sitzbänke verschmutzen, lässt sich der Konflikt mit dem Menschen nicht verleugnen.
Auch in Wangens Stadtmitte breiteten sich Saatkrähen binnen einiger Jahre von wenigen Nestern auf zuletzt rund 70 aus. Wirklich Herr wird die Stadt der Krähen nicht, trotz unterschiedlicher Ansätze. Mit dem Problem ist die Allgäustadt nicht alleine. Die streng geschützte Vogelart gedeiht in Deutschland gut. Für betroffenen Kommunen und Landwirte wird das zum Problem. Stimmen, die eine Überprüfung des strengen Schutzstatus fordern, werden lauter.
In Wangen ließ die Stadtverwaltung im Februar eine ganze Reihe von Platanen im Bereich Festplatz, Kreissporthalle und des Gymnasiums stark zurückschneiden. In den dortigen Bäumen nisteten Krähen, ihr Krächzen störte, ihr Kot verdreckte Sitzbänke und Fußwege. Dass die Stadt dort allerdings tätig wurde, hängt mit einem anderen Argument zusammen: der Verkehrssicherheit.
Einige der Saatkrähennester entlang eines Fußwegs waren vergangenen Herbst aus den Bäumen gestürzt, sie stellten eine Gefahr dar. Mit dem radikalen Rückschnitt der Bäume sind diese fürs Nisten vorerst unbrauchbar. Möglich wurde der Eingriff durch eine Ausnahmegenehmigung des Landkreises, denn eigentlich sind Staatkrähen nach europäischem Recht geschützt und stehen in Deutschland zudem nach dem Bundesnaturschutzgesetz unter einem besonderen Schutz. Sie dürfen grundsätzlich nicht vergrämt, gefangen, gejagt oder ihre Nistplätze zerstört werden.

Das Problem mit den Saatkrähen kommt in Wangen schon seit einigen Jahren auf. Vergrämungsversuche blieben bislang erfolglos. Anfang 2023 und 2024 wurden Nester entfernt - ebenfalls mit einer artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung des Landkreises. Vertreiben lassen haben sich die Krähen nicht. Solange sie genug Nistmaterial finden, bauen sie neue und tendenziell mehr Nester. Mit dem Rückschnitt der Platanen fallen dort zwar keine Nester mehr herab, verschwunden sind die Saatkrähen indes nicht. Sie sind ein paar Bäume weiter gezogen.
Fachmann: Entwicklung kommt nicht überraschend
„Das war absehbar“, sagt einer, der sich auskennt mit den Wangener Saatkrähen. Vogelkundler und Naturschützer Gerhard Lang, bis im Vorjahr zudem langjähriger Stadtrat, zählt dort seit Jahren die Krähennester und begleitete den Rückschnitt. „Es stand im Genehmigungsschreiben, dass man damit rechnen muss, dass die Krähen sich wieder ansiedeln.“ Auf nahen Eichen, wo bisher nie vorhanden Saatkrähen waren, hat Lang nun Nester entdeckt, und auch am Festplatz stehen genug weitere Bäume. Wer dort am Parkplatz steht, muss eigentlich nicht einmal den Blick nach oben in die Baumkronen richten, offene Ohren nehmen die Vögel auch so wahr.

Seit 2019 zählt Lang jedes Jahr die Nester der Saatkrähen rund um den Wangener Festplatz und gibt die Daten an den Dachverband Deutscher Avifaunisten weiter. Der DDA betreut seit 2019 ein Monitoringprogramm zur Erfassung von Saatkrähenkolonien. Aktuell umfasst das Programm rund 1300 Zählgebiete, also Kolonien, über alle 16 Bundesländer. Eine flächendeckende, repräsentative Zählung aller Nester stellt das noch nicht dar. Ziel des Programms ist es, Bestandstrends zu berechnen. Unter dem Vorbehalt der aktuell noch dünnen Datengrundlage, sieht der DDA in seinen Zahlen Hinweise, dass die Kolonien im Schnitt immer größer werden.

Zumindest für Wangen bestätigen Langs Zählungen das. Dort nahm die Zahl der Krähen bislang stetig zu. Waren es 2019 noch 14 Nester, notierte der Vogelkenner bereits 2021 insgesamt 47 Nester. Im Vorjahr waren es 71 Und auch 2025 scheint es keinen Einbruch zu geben: Eine Zählung Anfang April ergab 69 Nester plus einige noch im Bau befindliche.
Die Rabenkrähe darf bejagt werden
„Mit dem jetzigen Schutzstatus sehe ich, außer den Maßnahmen, die man mit artenschutzrechtlicher Genehmigung wegen der Verkehrssicherungspflicht machen kann, keine Möglichkeit, weiter gegen die Vögel vorzugehen“, sagt Lang. Man könne jedenfalls nicht einfach weitere Bäume stutzen, weil die Krähen dorthin umgezogen seien.

Ihrem strengen Schutzstatus nach darf die Vogelart nicht bejagt werden. Anderes gilt für die ähnlich aussehende, auf Feldern durchaus zusammen mit der Saatkrähe vorkommende, aber nicht in Kolonien brütende Rabenkrähe - sie unterliegt dem Jagdrecht. Allerdings: Die Stimmen, die eine Herabsetzung des Schutzstatus für die Saatkrähe fordern, werden lauter.
Gerhard Lang kennt die Diskussion über den Schutzstatus der Saatkrähe. Er sagt: „Ich halte die Diskussion, ihn herabzustufen im Wissen um die Konflikte für gerechtfertigt“, betont aber auch: „Es darf nicht sein, dass wir sie ausrotten.“
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