Mafia

Haftstrafen in Höhe von 2200 Jahren im italienischen Mafiaprozess

In Italien fand der größte Mafia-Prozess seit Jahrzehnten mit hohen Haftstrafen ein Ende. Unser Bild zeigt Beamte, die zuhören, wie Richterin Cavasino die Urteile des Prozesses verliest.

In Italien fand der größte Mafia-Prozess seit Jahrzehnten mit hohen Haftstrafen ein Ende. Unser Bild zeigt Beamte, die zuhören, wie Richterin Cavasino die Urteile des Prozesses verliest.

Bild: Valeria Ferraro, dpa

In Italien fand der größte Mafia-Prozess seit Jahrzehnten mit hohen Haftstrafen ein Ende. Unser Bild zeigt Beamte, die zuhören, wie Richterin Cavasino die Urteile des Prozesses verliest.

Bild: Valeria Ferraro, dpa

Im größten Mafia-Prozess seit über 30 Jahren wurde in Italien Geschichte geschrieben. Einem Mann ist es zu verdanken, dass die Bosse hinter Gitter müssen.
20.11.2023 | Stand: 19:42 Uhr

Von außen macht das extra für diesen Mafia-Großprozess umgebaute Gebäude im Gewerbegebiet von Lamezia Terme einen unscheinbaren, funktionalen Eindruck. Drinnen wurde am Montag italienische Justizgeschichte geschrieben. Im größten Prozess gegen die Organisierte Kriminalität in Italien seit mehr als 30 Jahren verhängten die Richter Haftstrafen in Höhe von insgesamt 2200 Jahren.

Mafia-Prozess in Italien: 338 Menschen waren angeklagt

338 Menschen waren angeklagt, für die in Kalabrien beheimatete und in ganz Europa aktive Mafia-Organisation ' Ndrangheta tätig gewesen zu sein. 80 Angeklagte wurden freigesprochen. Die mit jeweils 30 Jahren längsten Haftstrafen wurden gegen zwei lokale Bosse, Saverio Razionale und Domenico Bonavota verhängt. Pasquale Bonavota, einer der meist gesuchten Verbrecher Italiens , bekam 28 Jahre Haft.

Die Anklagepunkte lauteten auf Mafia-Mitgliedschaft, versuchten Mord, Erpressung, Drogenhandel, Bestechung und illegalen Waffenbesitz. Besonders wurden die Verbindungen der Verbrecherorganisation in Politik , Justiz und Verwaltung deutlich. So bekamen auch mehrere Polizisten und Politiker teilweise lange Haftstrafen , weil sie mit der ' Ndrangheta kooperierten.

Michele M., Mitglied der Dia , der Antimafia-Einheit der Carabinieri, wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt. Der Carabinieri-Oberst Giorgio N. bekam zweieinhalb Jahre Haft, der frühere Chef der Lokalpolizei von Vibo Valentia , Filippo N. , wurde zu vier Jahren Haft verurteilt. Antonio V. , Mitglied der operativen Carabinieri-Einheit muss fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis. Die Polizisten hatten die Bosse der Gegend über die Ermittlungen in Kenntnis gesetzt, anstatt gegen die Kriminellen vorzugehen.

Auch hochrangige Politiker standen der 'Ndrangheta zu Diensten

Auch hochrangige Politiker standen der ' Ndrangheta zu Diensten. Der ehemalige Senator der Berlusconi-Partei Forza Italia, Giancarlo Pittelli, wurde wegen Zugehörigkeit zur Mafia zu elf Jahren Haft verurteilt. Pittelli war Regionalchef der Partei in Kalabrien , Strafverteidiger des im Prozess mitangeklagten Bosses Luigi Mancuso und Mitglied in einer Freimaurer-Loge.

Die Mancuso-Familie gilt als mächtigster Clan in der kalabrischen Provinz Vibo Valentia . Dem Urteil zufolge stand Pittelli den Mancusos und nicht dem Staat, den er als Politiker repräsentierte, zu Diensten. Durch den Politiker hatte die ' Ndrangheta laut Staatsanwaltschaft Zugang zu Banken, ausländischen Firmen, Universitäten und „zu den Institutionen insgesamt“ bekommen.

80 Prozent des Kokainhandels in Europa gehen auf das Konto der 'Ndrangheta

Die auch in Deutschland , der Schweiz , Österreich , Belgien und den Niederlanden aktive Verbrecherorganisation gilt als mächtigste Mafia Italiens . Ihre Ableger auf allen Kontinenten dienen vor allem der Geldwäsche . Ihr Gesamtumsatz wurde vor Jahren auf 50 Milliarden Euro geschätzt. 80 Prozent des Kokainhandels in Europa gehen auf ihr Konto.

Ihre Macht besteht nicht nur in den engen Familienbanden und der Kontrolle des Territoriums in Kalabrien . Ermittler sind sich einig, dass die ' Ndrangheta eine Art Parallel-Staat geschaffen hat, in der Akteure aus Politik , Verwaltung und anderen gesellschaftlichen Bereichen wie etwa der Justiz der Organisation zur Verfügung stehen. Neben Pittelli wurde auch ein weiterer Anwalt aus Vibo Valentia , Francesco S. , zu 14 Jahren Haft verurteilt.

Möglich geworden waren die Ermittlungen durch die Aussagen von knapp 60 Kronzeugen. Für die verschwiegene und durch engste Familienbande zusammen geschweißte süditalienische ' Ndrangheta ist diese Zahl enorm hoch und erklärt, wie es zum größten Mafia-Prozess seit den 1980er-Jahren in Palermo kommen konnte.

Einer der wichtigsten Kronzeugen in dem mit einer großen Razzia im Jahr 2019 begonnenen Verfahren war Emanuele Mancuso , heute 35 Jahre alt. Der Neffe des Clanchefs war in Familienstreitigkeiten verwickelt. Die Staatsanwaltschaft bot Emanuele Mancuso schließlich einen Strafnachlass an. Der Kronzeuge behauptete, er wolle seiner erst vor Kurzem geborenen Tochter „eine andere Zukunft ermöglichen“. Im Gegenzug für seine Aussagen kam Mancuso mit einer Haftstrafe von nur 14 Monaten davon.

Auch ein Priester half dem Clan

Durch den Kronzeugen erfuhren die Ermittler von der Zusammenarbeit der Sicherheitskräfte mit der ' Ndrangheta . Auch ein Priester half dem Clan, als er Mancuso junior drei Wochen lang in einem Pfarrhaus in Nicotera versteckte. „Dieses Verfahren ist ein Meilenstein für die Erkenntnisse über die ' Ndrangheta “, hatte der bislang federführende Staatsanwalt Nicola Gratteri über den Maxi-Prozess gesagt. Gratteri ist nicht mehr in Kalabrien aktiv, er wurde im Oktober nach Neapel versetzt.

VG WORT Zählmarke