Die Klarnamenpflicht im Internet ist ein ebenso umstrittenes wie komplexes Thema. Anwalt Christian Solmecke erklärt die Hintergründe - und wagt eine erste Prognose.
Die Klarnamenpflicht im Internet ist ein ebenso umstrittenes wie komplexes Thema. Anwalt Christian Solmecke erklärt die Hintergründe - und wagt eine erste Prognose.
Aktualisiert am 27. Januar um 10.45 Uhr: Wer seinen echten Namen nicht im Internet preisgeben möchte, kann im Normalfall auf ein Pseudonym zurückgreifen. Dem möchte Facebook einen Riegel vorschieben. Das soziale Netzwerk verlangt von seinen Nutzern die Einhaltung der sogenannten Klarnamenpflicht. Zwei Nutzer haben gegen die Facebook-Regelung geklagt - und hatten vor dem Bundesgerichtshof (BGH) Erfolg.
Welche Konsequenzen und welche Vor-und Nachteile eine Klarnamenpflicht hat, hat allgaeuer-zeitung.de den bekannten Rechtsanwalt, Internetspezialisten und Youtuber Christian Solmecke gefragt.
Müssen Nutzer auf Facebook öffentlich ihren Klarnamen angeben oder dürfen sie auch ein Pseudonym verwenden? Facebook verlangt bereits seit einigen Jahren den echten Namen der User, so Anwalt Solmecke. Das soziale Netzwerk ergreift dabei strenge Maßnahmen: "Ergibt sich der Verdacht, dass ein Name nicht zutreffend verwendet wird, verlangt Facebook von dem jeweiligen Nutzer eine Ausweiskopie und sperrt gegebenenfalls das Nutzerkonto", erklärt der 48-Jährige.
Dies habe bereits in der Vergangenheit zu gerichtlichen Auseinandersetzungen geführt. Zuletzt urteilte das Oberlandesgericht (OLG) München 2020, dass Facebook die Nutzung von Pseudonymen verbieten und damit eine Klarnamenpflicht anordnen dürfe.
Nun wird der BGH laut Solmecke "ein Machtwort sprechen, das eine Entscheidung in der seit Langem geführten Diskussion um ein Recht auf Anonymität Klarnamenpflicht im Internet treffen wird." Der Jurist rechnet damit, dass das erwartete Urteil auch Auswirkungen auf andere soziale Netzwerke als Facebook haben wird.
Anwalt Solmecke sagt: "Verfechter einer Klarnamenpflicht wollen damit vor allem Täter von Hass und Hetze im Internet abhalten. Sie glauben, dass Menschen weniger aggressiv vorgehen, wenn sie Strafverfolgung fürchten müssen."
Die Befürworter des Rechts auf Anonymität würden auf den Schutz der Privatsphäre und vor Hass und Hetze im Internet abzielen. "Außerdem sagen sie, die Diskussion im Netz lebe gerade von der Möglichkeit der Anonymität", klärt Solmecke auf. Die anonyme Kommunikation sei dabei ein wesentlicher Aspekt einer freiheitlichen Ordnung.
Aus rechtlicher Sicht sei dies schwierig zu beurteilen, so Solmecke. Denn das Recht auf Pseudonymität im Internet wird durch Paragraph 13 Absatz 6 des Telemediengesetzes (TMG) abgesichert. Das OLG München sah in diesem Verbot eines Klarnamenszwangs jedoch einen Konflikt mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Denn diese sieht bewusst kein Recht auf ein Pseudonym vor, erläutert Solmecke.
Weil die Vorinstanz das noch ganz anders sah, kann es möglich sein, dass "der BGH hier in der Sache noch nicht entscheiden, sondern die Frage dem Europäischen Gerichtshof vorlegen wird." Der EuGH müsste in dem Fall festlegen, wie die DSGVO auszulegen ist. Er sagt: " Ich glaube aber, dass am Ende keine Klarnamenpflicht kommen wird. Der Grundgedanke der DSGVO ist schließlich, so wenige Daten wie möglich preisgeben zu müssen." (Lesen Sie hier, warum die Klarnamenpflicht erneut vor dem BHG verhandelt wird)
"Ich bin für das Recht auf Anonymität im Internet", sagt Solmecke. Dem Anwalt ist es wichtig, dass Menschen ihre Meinung äußern können, ohne dabei in Gefahr zu laufen, in der realen Welt von Hetzern belästigt zu werden. "Opferschutz geht für mich hier vor." (Lesen Sie auch: Den Kampf gegen den Hass im Netz müssen wir alle führen)
Die Täter müsse man auf andere Weise besser verfolgen können. Als mögliche Lösung sieht Solmecke beispielsweise besser durchsetzbare Auskunftsansprüche der Ermittlungsbehörden gegen soziale Netzwerke an. Er sagt: "Der Gesetzgeber hat hier in der letzten Legislaturperiode allerdings schon viel getan, etwa durch das Gesetz gegen Hasskriminalität. Daran sollte die Ampel nun anknüpfen." (Lesen Sie auch: Foto mit Babybauch: Laura Müller soll schwanger sein - Wird der Wendler Vater?)
Der Anwalt erwartet mit Spannung, wie die neue Bundesregierung auf das BGH-Urteil reagieren wird. "Sie schlagen sich in ihrem Koalitionsvertrag nämlich eindeutig auf die Seite der Anoymitätsverfechter", stellt der 48-Jährige fest. So wollen SPD, Grüne und FDP einvernehmlich die anonyme und pseudonyme Online-Nutzung wahren. (Lesen Sie auch: Wieder ein Fall im Allgäu: Das schmutzige Geschäft mit Sex im Internet)