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Neuer Corona-Impfstoff: Stiko kritisiert dürftige Datenlage

Corona-Pandemie

Stiko: Datenlage bei neuem Corona-Impfstoff ist dürftig

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    Die Ständige Impfkommission hat am Dienstag eine Empfehlung für die Verwendung der an die Omikron-Variante angepassten Impfstoffe abgegeben.
    Die Ständige Impfkommission hat am Dienstag eine Empfehlung für die Verwendung der an die Omikron-Variante angepassten Impfstoffe abgegeben. Foto: Sina Schuldt, dpa

    Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat am Dienstag in einem Beschlussentwurf eine Empfehlung für die Verwendung der an die Omikron-Variante angepassten Impfstoffe abgegeben. Bei diesen neuen Impfstoffen, die an entweder BA.1 oder BA.4/5 angepasst sind, handelt es sich um sogenannte bivalente Impfstoffe - sie basieren also sowohl auf den Sequenzen des Wildtyps als auch auf den Omikron-Subtypen. Die Idee dahinter: Durch die Kombination soll eine bereitere Immunantwort erzielt werden.

    Die neuen Impfstoffe werden für Menschen ab 12 Jahren empfohlen, die bereits eine Grundimmunisierung haben. Für die 3. und 4. Impfung sollen die angepassten Vakzine nun "vorzugsweise" verwendet werden. Es können sowohl Menschen geimpft werden, die bereits infiziert waren, aber auch Menschen, die noch keinen Kontakt zum Virus hatten. Wie bisher rät die Stiko Menschen ab 12 Jahren, die zwei Mal geimpft sind, zu einer dritten Impfung. Eine vierte Impfung wird für Menschen über 60 Jahren empfohlen, für Menschen ab 5 Jahren, die aufgrund einer Erkrankung ein eingeschränktes Immunsystem und somit ein höheres Risiko für einen schwereren Verlauf haben und für Menschen, die dem Virus häufiger ausgesetzt sind, etwa medizinisches Personal. Besteht im Alter von 5 bis 11 Jahren eine besondere Indikation für die Durchführung einer Auffrischimpfung, sollen aber weiterhin die monovalenten Wildtyp-Impfstoffe verwendet werden und nicht die an Omikron angepassten Vakzine. Diese sollen erst bei Menschen ab 12 Jahren verwendet werden.

    Omikron-Impfstoff BA.4 und BA.5: Nur Daten aus Maus-Experimenten

    Bei der Stiko ist man allerdings trotz der ausgesprochenen Empfehlung nicht ganz glücklich. Während es für den Impfstoff, der an die BA.1-Subvariante angepasst ist, klinische Daten gebe, sei das beim BA.4/5.-Vakzin nicht der Fall. "Wir haben keine Humandaten, sondern Daten aus Maus-Experimenten", sagt Prof. Dr. Christian Bogdan, Direktor des Mikrobiologischen Instituts am Universitätsklinikum Erlangen, sowie Mitglied der Stiko im Vorfeld der neuen Empfehlung. Im Tierversuch sei untersucht worden, ob beim BA.4/5-Impfstoff in Analogie zu den bisherigen Vakzinen eine Antikörperreaktion ausgelöst wird und ob diese Antikörper dann in der Lage sind, die Variante zu neutralisieren. "Und das war der Fall", sagt Bogdan. Es gebe keinen Grund zur Annahme, dass das beim Menschen nicht auch so sein sollte. Aber natürlich, fährt Bogdan fort, sei das ein Schwachpunkt. "Da sind wir vonseiten der Stiko nicht besonders glücklich, dass keine Humandaten vorliegen und für uns ist es auch ein bisschen schwer nachzuvollziehen, warum die noch nicht da sind."

    Sein Stiko-Kollege Prof. Dr. Jörg Meerpohl, Direktor des Instituts für Evidenz in der Medizin am Universitätsklinikum Freiburg, ergänzt: "Das ist nicht das, was wir uns wünschen würden. Wenn das eine neue Impfung, ein neues Virus wäre, dann würden wir auf dieser Basis sicher keine Empfehlung aussprechen." Aber in der aktuellen Lage sei es so, dass man "verschiedene Evidenzkörper" habe, die man nun zusammenführen müsse, "Wir wissen einiges aus den Zulassungsstudien zu den klassischen Impfstoffen, da haben wir mittlerweile viel Erfahrung", sagt Meerpohl. Zudem haben man für den an die BA.1-Variante angepassten Impfstoff Human-Daten. "Das ist ein weiteres Puzzlestück, wie die Wirksamkeit hier einzuschätzen ist." Und dann gebe es eben noch die Daten aus den Mäuse-Experimenten. "Wir können uns die Welt nicht so malen wie sie gerne hätten, sondern müssen mit dem leben, was wir haben", sagt Meerpohl. "Trotzdem wäre es aus meiner Sicht ganz wichtig, dass wir hier noch mal festhalten, dass das kein Dauerzustand sein kann. Das ist nicht befriedigend. Weder sollte es für diese einzelne Impfempfehlung ein Dauerzustand sein, noch - und das wäre mir noch ein größeres Anliegen - für die Zukunft. Wir sollten nicht in eine Situation hineinlaufen, wo neue Impfstoffe grundsätzlich nach einem solchen Modell entwickelt werden."

    Stiko: Impfstoffe sind sicher und gut verträglich

    Die Omikron-adaptierten Impfstoffe verwenden der Stiko zufolge dieselbe mRNA-Plattform wie die bisher erhältlichen Wildtyp-mRNA-Impfstoffe. Da der Unterschied in nur wenigen abgeänderten Nukleotiden besteht und die Immunantwort auch bei den adaptierten Impfstoffen aus einer Auseinandersetzung mit dem Spikeprotein von SARS-CoV-2 resultiert, schätzt die Kommission "die neuen bivalenten Impfstoffe trotz der begrenzten klinischen Studiendaten als sicher und gut verträglich ein".

    Der BA.1-Impfstoff wirkt den Expertinnen und Experten zufolge übrigens auch gegen BA.5. Denn zwischen den beiden Untervariante gebe es nur wenige Veränderungen. Der größte Sprung sei der vom Wildtyp zu Omikron gewesen, hier unterscheiden sich die Spike-Proteine an dreißig Stellen, erklärt Prof. Dr. Christine Falk, die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Stiko-Mitglied Bogdan ergänzt, dass auch die bisherigen Impfstoffe weiterhin verwendet werden könnten: "Alle vorhandenen Impfstoffe, auch die bisherigen, schützen vor schweren Verläufen."

    Von der Probenahme bis zum Ergebnis: So läuft ein PCR-Test

    Der PCR-Test gilt als "Goldstandard" unter Corona-Tests. Dabei wird mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) untersucht, ob das Coronavirus in einer Probe enthalten ist. Im Labor wird das Erbmaterial des Virus so stark vervielfältigt, bis nachgewiesen werden kann, ob ein positiver Befund vorliegt oder nicht.

    Die Probeentnahme: Normalerweise entnimmt Fachpersonal eine Probe per Abstrich aus den Schleimhäuten der Atemwege - also von der Rachenwand oder vom Nasen-Rachenraum. Auch Gurgeln mit einer Spüllösung ("PCR-Spucktest") ist möglich.

    Die Vorbereitung: Über einen Code auf dem Röhrchen wird die Probe in der Software des Labors registriert. Dann wird die Probe unter einer "Sicherheitswerkbank" vorbereitet. Dabei wird die Probe mit verschiedenen Substanzen gemischt - allen voran mit Nukleinbasen - und per Pipette auf eine Kassette mit Dutzenden weiteren Proben übertragen. Anschließend werden die Erbinformationen aus dem Virus (RNA) in einer speziellen Maschine herausgefiltert. Mittels eines Enzyms wird die extrahierte RNA dann in DNA umgeschrieben. Am Ende steht eine bunte Mischung, bestehend etwa aus Teilen der Schleimhautzellen, Enzymen und Bausteinen für DNA-Sequenzen.

    Die Untersuchung: Die Kassette wird in eine spezielle Maschine gegeben, die die Proben etwa eine Stunde lang immer wieder erhitzt und abkühlt, zwischen 45 und knapp 100 Grad. Die Probe wird erhitzt, damit sich die DNA-"Reißverschlüsse" in der Mischung öffnen. Jetzt können sich Primer, "Köder" für die gesuchte Gen-Sequenz, an die Stellen der Reißverschlusshälften heften. Durch ein Enzym entsteht anschließend ein neuer Reißverschluss, und ein neuer Zyklus beginnt: aus zwei Strängen werden vier, aus vier acht und so weiter. Am Ende jedes Zyklus kontrollieren spezielle Sensoren, ob schon Bausteine des Virus nachgewiesen werden konnten.

    Das Ergebnis: Was die Untersuchung ergeben hat, zeigen pro Probe zwei Kurven: eine bestätigt, dass tatsächlich Zellmaterial untersucht wurde und der Test somit "gültig" war; die zweite zeigt an, ob Corona nachgewiesen wurde. Falls ja, bekommen Gesundheitsamt und die Getesteten das Ergebnis. Falls nein, geht die Benachrichtigung nur an Letztere raus.

    Neue Omikron-Variante könnte sich durchsetzen

    Auch das Bundesgesundheitsministerium hat sich zu den neuen Vakzinen geäußert. Die Wirkung und Verträglichkeit des BA.1-Impfstoffs sei mit mehreren tausend Probanden getestet worden, schreibt das Ministerium auf Twitter und fügt hinzu: "Die durch die BA.4/BA.5-Anpassung verbesserte Wirksamkeit bei der Antikörperbildung wurde in Tierversuchsreihen bestätigt, die übrige Zusammensetzung des Impfstoffs bleibt gleich."

    Mit den angepassten Impfstoffen wollen man sich für die Zukunft aufstellen, sagt Stiko-Mitglied Bogdan. Das heißt: Auf eventuell auftretende weitere Varianten der Omikron-Mutante. "Da könnte man annehmen, dass die Benutzung der bivalenten Impfstoffe einen Vorteil gegenüber der monovalenten haben könnte." Eine solche neue Omikron-Variante steht möglicherweise schon in den Startlöchern: BA2.75.2. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach schreibt am Montag auf Twitter: "BA2.75.2 könnte die nächste Variante werden, die sich durchsetzt."

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