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Afrika: Die Generäle weichen im Niger nicht zurück

Afrika

Die Generäle weichen im Niger nicht zurück

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    Unterstützer der regierenden Junta halten eine russische Fahne. Die neue Militärjunta im Niger hat ihre Macht gefestigt.
    Unterstützer der regierenden Junta halten eine russische Fahne. Die neue Militärjunta im Niger hat ihre Macht gefestigt. Foto: Sam Mednick, dpa

    Die Sorge um Nigers vor zwei Wochen gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum wächst. Am Mittwoch veröffentlichte seine Partei, die „Nigrische Partei für Demokratie und Sozialismus“ (PNDS), ein Statement, demzufolge Bazoum und seine Familie keinen Zugang zu fließendem Wasser, Medizin und Strom gewährt werde. „Das ist eine Situation, die uns zunehmend mit Sorge erfüllt“, sagte Matthew Miller, der Sprecher des US-Außenministeriums. Die Nachrichtenagentur AP berichtete mit Bezug auf eine westliche Militärquelle, dass Nigers Junta am Montag gegenüber der geschäftsführenden Vize-Außenministerin der USA, Victoria Nuland, mit der Tötung Bazoums gedroht habe, sollten Nachbarstaaten des Nigers einmarschieren. Eine Bestätigung für diese Behauptung liegt nicht vor.

    Er hat wohl keine politische Zukunft mehr in Niger: Mohamed Bazoum.
    Er hat wohl keine politische Zukunft mehr in Niger: Mohamed Bazoum. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Das Szenario eines Einmarsches durch Truppen der Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas steht aber ausdrücklich weiter im Raum. Am Ende eines Krisengipfels in Abuja betonte am Donnerstag der aktuelle Ecowas-Vorsitzende, Nigerias Präsident Bola Tinubu, dass weiterhin „keine Option vom Tisch sei“ – also auch nicht die militärische Intervention, „als letztes Mittel“. Das war eigentlich schon nach Ablauf eines Ultimatums am Sonntag angedroht war.

    Ecowas stellt Eingreiftruppe für Einsatz im Niger bereit

    In einem von Omar Touray, dem Präsidenten der ECOWAS-Kommission, verlesenen Communiqué wurde nach dem Gipfel bekanntgegeben, dass die ECOWAS ihre Militärchefs angewiesen hätten, „sofort“ eine Eingreiftruppe für einen möglichen Einsatz in Niger zusammenzustellen. Priorität habe aber der Versuch, die verfassungsmäßige Ordnung mit friedlichen Mitteln wiederherzustellen. Auch Tinubu betonte, dass die elf verbliebenen demokratischen Ecowas-Staaten (vier sind wegen Putschen suspendiert) friedliche Mittel „jeder anderen Lösung vorziehen“.

    Doch mit jedem Tag schwindet auch die Hoffnung auf eine Rückkehr zu einer zivilen Ordnung, zumal eine unter der Führung Bazoums. Die Militärjunta im Niger macht zumindest keine derartigen Anzeichen. Angesichts der anti-französischen Ressentiments, die von der Junta weiter angefacht werden, und Bazoums Nähe zum Westen ist seine Wiedereinsetzung unwahrscheinlich.

    Nach Putsch im Niger: Generäle halten sich an der Macht

    Zumindest vorerst versuchen sich die Generäle, in der Macht einzunisten. Vor dem Ecowas-Krisengipfel in Abuja am Donnerstag gab es kleinere Beschwichtigungsgesten in Richtung der westafrikanischen Staatengemeinschaft. Am Mittwoch setzte man einen neuen Premierminister ein, den Ökonomen Lamine Zeine, der bis zum Jahr 2010 schon einmal Finanzminister war und in der Region bekannt ist. Dazu 21 Minister.

    Das ging überraschend schnell, wohl auch, um der um Stabilität besorgten Ecowas Handlungsfähigkeit auf der Arbeitsebene zu signalisieren. Die Macht bleibt freilich beim Militär, alle Verfassungsorgane sind außer Kraft. Für Zeine's Karriere, könnte man sarkastisch anmerken, schließt sich ein Kreis: Damals gehörte Zeine zu der letzten Regierung des westafrikanischen Landes, die durch einen Putsch zu Fall gebracht worden war. Danach dauerte es zehn Monate bis zu den Wahlen.

    Personal, Verbündete, Pläne für Gegenwehr: Militärjunta im Niger agiert schnell

    Generell geht die aktuelle Militärjunta in Niger im rasanten Tempo vor. Kommandanten, die als Bazoum-nah galten, wurden ausgetauscht. Die Generäle suchten den Schulterschluss mit den Militärregierungen in Mali, Burkina Faso und Guinea, veröffentlichten Bilder aus einem Stadion in Niamey, in dem Tausende den neuen Machthabern zujubelten – und signalisierten der Ecowas so, dass sie bei dem angedrohten Einmarsch mit erheblicher Gegenwehr zu rechnen hätten.

    Die Wirtschaftsgemeinschaft offenbarte in den Tagen vor Ablauf des Ultimatums am Sonntagabend, dass sich die Mitgliedsstaaten doch nicht so einig waren, wie sie in einer ersten Reaktion auf den Putsch den Anschein erweckt hatten. Die angekündigte Eingreiftruppe ist in ihrer Verfassung vorgesehen, aber alles andere als sofort einsatzbereit. Nigeria ist offenbar willens, Soldaten zu schicken, aber ein Alleingang wäre politisch nicht zu vermitteln nicht. Die Elfenbeinküste signalisierte angeblich Bereitschaft, der Benin lehnt eine Truppenentsendung bislang ab.

    Sanktionen der Ecowas-Gemeinschaft verärgern Menschen im Niger

    Anfang der Woche hatte die Junta einer Ecowas-Delegation die Einreise verweigert, mit Verweis auf Sicherheitsbedenken. Die Ecowas-Sanktionen hätten die Bevölkerung verärgert. Wie uneins die Ecowas ist, zeigt auch, dass Togos Präsident Faure Gnassingbé danach einen eigenen Vermittlungsversuch unternahm. Er wurde unter anderem von Junta-Chef  Abdourahmane Tchiani empfangen – ohne Wissen mächtiger Ecowas-Staaten wie Nigeria und Senegal, deren Regierungen schwer verärgert sind. In einer solchen Gemengelage einen möglichen Krieg gegen mehrere Länder in der Region zu riskieren, scheint vielen westafrikanischen Staaten inzwischen zu heikel.

    „Die Ecowas-Position der Härte in der ersten Woche hat im Niger zu einer radikalisierten Gegenposition geführt“, sagt Anna Schmauder von der Denkfabrik „Global Public Policy Institute“, „so wurde der Dialog mit Ecowas und den USA abgelehnt, stattdessen gab es Gespräche mit der Wagner-Gruppe.“

    Frankreich hat im Niger seinen Einfluss eingebüßt

    Klar scheint jedenfalls, dass im Niger der Bruch der Generäle mit Frankreich kaum zu kitten ist. Die einstige Kolonialmacht hat offiziell 1500 Soldaten im Land, wahrscheinlich sind es deutlich mehr – schließlich hatte es hierher im vergangenen Jahr Truppenverlegungen aus Mali und Burkina Faso gegeben, wo Frankreich nicht mehr willkommen war. Für die Erlaubnis hatte es erhebliche Kritik aus der Bevölkerung an Bazoum gegeben, schließlich hat die anti-französische Stimmung auch im Niger zugenommen.

    Putschisten behaupten nun, die französischen Streitkräfte hätten „gefangene Terroristen“ freigelassen und gegen die Luftraumsperrung verstoßen. Frankreich wies beide Vorwürfe zurück. Es sei kein Terrorist befreit worden, die Flugbewegungen seien aufgrund früherer Vereinbarungen mit nigrischen Streitkräften rechtmäßig gewesen.

    Die Anzeichen verdichten sich, dass Frankreich unter den neuen Machthabern im Niger nicht länger erwünscht ist – trotz der damit klaffenden Lücke, die im Kampf gegen islamistische Gruppierungen in der Sahelzone zu erwarten ist. Die Generäle haben fünf Abkommen zu Militärkooperationen mit Frankreich aufgekündigt.

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