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Eisenbahn: Ein Franke stellt jetzt bei den Eisenbahnern die Weichen

Eisenbahn

Ein Franke stellt jetzt bei den Eisenbahnern die Weichen

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    Martin Burkert ist der neue Vorsitzende der Eisenbahnergewerkschaft EVG.
    Martin Burkert ist der neue Vorsitzende der Eisenbahnergewerkschaft EVG. Foto: Jörg Carstensen, dpa (Archivbild)

    Vor über 40 Jahren Lehrling bei der Bahn, jetzt Chef der Eisenbahnergewerkschaft EVG: Martin Burkert hat eine steile Karriere hingelegt. Dazwischen war der Nürnberger Gewerkschaftssekretär und saß 15 Jahre als Verkehrspolitiker für die SPD im Bundestag. Die Eisenbahner haben sich am Montag auf dem Gewerkschaftstag in Berlin für einen politischen Profi entschieden.

    Und bei dem Zustand der Bahn können sie den gut gebrauchen. Burkert übernimmt die Gewerkschaftsspitze, während das System Schiene in einer tiefen Krise steckt. Die Pünktlichkeit ist im Keller, es mangelt überall an Personal und die Passagiere sind häufig unzufrieden, weil Anschlüsse verpasst werden, das Bord-Bistro geschlossen hat und Zug-Toiletten zugesperrt sind. "Das Netz platzt aus allen Nähten. Das Personal arbeitet über dem Limit. Doch bei all dem macht die Regierung: nichts", beklagte Burkert in seiner Grundsatzrede. Bisher war er die Nummer zwei der EVG, jetzt gibt er die Richtung vor.

    Das Verhältnis zwischen EVG und Verkehrsminister Wissing ist angespannt

    Zuständig in der Regierung für den Verkehrsbereich ist Volker Wissing. Das Verhältnis zwischen dem FDP-Minister und der EVG ist angespannt, um es freundlich auszudrücken.

    Wissing wollte dem Gewerkschaftstag eigentlich fernbleiben, was für die Eisenbahner einem Affront gleichgekommen wäre. Nach einigen deutlichen Telefonaten lenkte er ein und kündigte sich an. Die EVG will am Mittwoch dennoch vor seinem Ministerium demonstrieren. "Am liebsten wollen wir gleich rein in sein Büro", polterte ein EVG-Funktionär in der Mittagspause.

    Der Pfiff ertönt zu oft zu spät - ein Schaffner gibt das Abfahrtszeichen für einen ICE.
    Der Pfiff ertönt zu oft zu spät - ein Schaffner gibt das Abfahrtszeichen für einen ICE. Foto: Carsten Koall, dpa

    Der neue Vorsitzende der 185.000 Mitglieder schaltet direkt auf Angriff: "Herr Wissing, für Sie zur besseren Einordnung: 185.000, das sind in FDP-Mitgliedern ausgedrückt fast zweieinhalb-mal so viele Mitglieder wie bei Ihnen", rief er seinen Leuten zu. Der 58-Jährige ist normalerweise kein Lautsprecher, sondern pflegt einen fränkisch-gemütlichen Umgang. Er erinnerte den Verkehrsminister daran, dass das Versprechen Schiene vor Straße bislang nur ein Versprechen ist. Und Burkert forderte eine Ausbildungsoffensive bei der Bahn, um die Lücken auf Zügen, in Bahnhöfen und den Ausbesserungswerken zu verkleinern. Wie belastet das Verhältnis zu Wissing ist, wurde in der Rede des scheidenden EVG-Chefs Klaus-Dieter Hommel greifbar. "Wissing muss weg", lautete sein Abschiedsgruß.

    Neben dem Verkehrsminister muss sich auch der Vorstand der Deutschen Bahn auf klare Ansagen einstellen. "In Zeiten von Inflation und Nebenkostenexplosionen muss es eine kräftige Lohnerhöhung geben", verlangte Burkert. Kräftig heißt in diesem Fall, dass sie die Inflation ausgleichen soll. Bei Raten von zehn Prozent droht das zur finanziellen Belastung für den Schienenkonzern zu werden, der natürlich die enormen Preissprünge bei Strom und Diesel zu spüren bekommt. Für nächstes Jahr rechnet das Unternehmen allein dadurch mit Mehrbelastungen in Höhe von zwei Milliarden Euro.

    Zwei Gewerkschaften kämpfen um Einfluss bei der Bahn

    Das Bahnmanagement hat das Problem, dass es neben der EVG auch mit der Lokführergewerkschaft GDL auskommen muss. Deren Chef Claus Weselsky legt im Zweifel den Zugverkehr lahm, um mehr für seine Leute rauszuholen. Das Verhältnis zwischen den beiden Eisenbahnergewerkschaften ist legendär schlecht. Im Vergleich dazu ist selbst die Beziehung zum ungeliebten Verkehrsminister liebevoll entspannt. Kostprobe: "Gott hat die GDL vielleicht nur erschaffen, um uns zu prüfen", ätzte Martin Burkert. Er griff damit ein Zitat von Alt-Kanzlerin Angela Merkel auf, die das einmal über die FDP gesagt haben soll.

    Aus den Gesprächen der Eisenbahner untereinander spricht ein tiefer Frust über die Verkehrspolitik und das Bahnmanagement. Das hochfliegende Ziel, im Jahr 2030 doppelt so viele Fahrgäste im Fernverkehr zu zählen, halten sie für unerreichbar. Das Gleisnetz sei dafür trotz aller Ertüchtigungen nicht stark genug und die Inflation schmelze die zugesagten Milliarden wie die Sonne das Eis. Von den neuen Kollegen gehe ein Drittel nach einem halben Jahr wieder, weil die Dienstpläne keine Planbarkeit bringen, wie sie erzählen. Die Zeichen bei der Bahn stehen mit dem neuen EVG-Vorsitzenden auf Konfrontation.

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