Ein Aktivist der Gruppe «Letzte Generation» blockiert eine Kreuzung.
Bild: Swen Pförtner, dpa (Symbolbild)
Ein Aktivist der Gruppe «Letzte Generation» blockiert eine Kreuzung.
Bild: Swen Pförtner, dpa (Symbolbild)
So eine Klimaklebe-Aktion kann ganz schön aufwändig sein. Angenommen, man kommt aus Berlin und wollte sich in einem Münchner Museum an den Rahmen eines berühmten Gemäldes kleben, da fällt einiges an: Zuerst Anreise und Übernachtung. Danach können dann schnell Kosten für einen Polizeieinsatz, einen Prozess, einen Rechtsanwalt und ein Schadenersatz fällig werden. Dass sich unter den Aktivisten der "Letzten Generation" besonders viele leitende Angestellte mit hohem Einkommen befinden, ist nicht bekannt. Wer bezahlt also all die Aktionen und deren Folgen? Und woher haben die Klimaschützer das Geld?
Die Erkenntnisse der bayerischen Ermittler im Zusammenhang mit der großen Razzia vom Mittwoch erlauben tiefe Einblicke in die Finanzierungsstruktur der "Letzten Generation". Und sie werfen auch Fragen auf.
Die grundsätzliche Frage nach der Herkunft des Geldes ist zunächst einmal rasch beantwortet: Die Klimakleber finanzieren sich zum allergrößten Teil aus Spenden, beziehungsweise Crowdfunding, wie es heute heißt. Von besonders großen Einzelspenden durch reiche Gönner ist trotz anders lautender Gerüchte bislang nichts bekannt geworden. Die Masse vieler kleiner Spenden macht es. Auf diese Weise soll die "Letzte Generation" zwischen Anfang 2022 und Anfang März dieses Jahres 1.413.086,07 Euro gesammelt haben, wie aus dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts München für die Razzia hervorgeht. Dieser liegt unserer Redaktion vor.
Im selben Zeitraum sind demnach mehr als 600.000 Euro ausgegeben worden, vor allem zur Ermöglichung von Straftaten, sind die Ermittler sicher. Knapp 800.000 Euro sind auf dem Konto verblieben. Dieses Geld hat die bayerische Justiz fürs Erste eingezogen. Das dürfte einer der Hauptzwecke der großen Durchsuchungsaktion gewesen sein. Der Vermögensarrest und die Beschlagnahme zweier Konten trifft die "Letzte Generation" empfindlich.
Zum einen fehlt das Geld nun schlicht, um Aktionen zu finanzieren. Zum anderen zielt die Maßnahme auf eine wesentliche Strategie der Klimakleber. Den Aktivisten verspricht die Gruppierung, dass sie nicht selbst auf Kosten sitzen bleiben. Diese Freistellung von jeglichen Zahlungsverpflichtungen ist ein wichtiges Element bei der Rekrutierung von aktiven Mitgliedern. Hauptberuflichen Aktivisten soll die "Letzte Generation" sogar bei den Kosten für allgemeine Lebenshaltung helfen. Fällt diese Unterstützung nun fürs Erste weg, könnte es für die Klimakleber weitaus schwieriger werden, Aktivisten zu spektakulären – und am Ende kostspieligen – Aktionen zu motivieren.
Die Finanzen der "Letzten Generation" werden nach Erkenntnissen der Ermittler zentral verwaltet. Die Spenden liefen zunächst über den Verein Elinor Treuhand e.V. in Hessen. Das ist eine Onlineplattform, die sogenannte Gruppenkonten anbietet. Dabei handelt es sich um eine Art digitalen Sammeltopf für politische Aktivisten, Selbsthilfegruppen, Sportmannschaften oder gar Schulklassen. Der Spendenbutton auf der – jetzt beschlagnahmten – Homepage der "Letzten Generation" führte auf die Elinor-Seite, die Spenden gingen auf ein Konto der GLS-Gemeinschaftsbank, ein Institut der Volksbanken und Raiffeisenbanken, das damit wirbt, nachhaltig, sozial und ökologisch zu sein.
Im März 2023 kündigte Elinor der "Letzten Generation" allerdings das Konto. Warum, ist bisher unklar. Danach lief die Finanzierung offenbar über die gemeinnützige GmbH KUEÖ in Hamburg, die ein neues Spendenkonto für die Klimaschutz-Gruppierung verwaltete. Als steuerbegünstigter Zweck dieser Gesellschaft ist die Förderung des Naturschutzes angegeben. Bei der Razzia am Mittwoch durchsuchten die Ermittler nach Informationen unserer Redaktion Räume von Verantwortlichen der beiden Organisationen.
Vor allem die Gemeinnützigkeit der KUEÖ wirft im Zusammenhang mit der "Letzten Generation" Fragen auf. Der langjährige Vorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Thomas Eigenthaler, schrieb nach der Razzia auf Facebook: "Nun, gemeinnützig kann das Konstrukt nicht sein, da das kalkulierte Begehen von Straftaten zum Geschäftsmodell gehört. Straftaten und Gemeinnützigkeit schließen sich klar aus!" Das Anliegen des Klimaschutzes werde so "massiv diskreditiert". Und Eigenthaler geht sogar noch weiter: "Wo viel unklares Geld ist, ist das Dunkle meist nicht weit", schreibt er. Das Ganze sei "auch ein Fall für die Finanzbehörden".
Ob das Kalkül der bayerischen Justiz aufgeht, der "Letzten Generation" den Geldhahn zuzudrehen, wird sich zeigen. Die Klimakleber berichten von einer riesigen Welle der Unterstützung und dem Eingang vieler neuer Spenden. Die "Letzte Generation" werde ihre Aktionen ausweiten, schrieb die Gruppierung und sei nach der Razzia "stärker als je zuvor".