Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Berlin-Wahl: Mit Dialekt gegen das Prädikat Chaosstadt: So kämpft Giffey um ihren Job

Berlin-Wahl

Mit Dialekt gegen das Prädikat Chaosstadt: So kämpft Giffey um ihren Job

    • |
    • |
    Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey muss damit rechnen, dass die Berliner sie am Sonntag abwählen.
    Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey muss damit rechnen, dass die Berliner sie am Sonntag abwählen. Foto: Fabian Sommer, dpa

    Wenn es schlecht läuft für Franziska Giffey, fängt sie an zu berlinern. In den letzten Wochen hat die Regierende Bürgermeisterin viel berlinert. „Wenn ich sehen will, wat los is, dann geh ick hin“, sagt sie nach den Silvesterkrawallen. Oder: „Ich war sechz’n Jahre Bürgameisterijn in Neukölln“, um ihre Kompetenz für schwierige Stadtviertel zu unterstreichen. 

    Die Gewaltexplosion über den Jahreswechsel hat Giffey besonders empfindlich getroffen. Sie steckt im Wahlkampf und muss nun gegen den Eindruck ankämpfen, Berlin sei eine Chaosstadt. Der bayerische Ministerpräsident hatte ihr das genüsslich vorgeworfen.

    Die Feuerwehr löscht in der Silvesternacht an der Sonnenallee im Bezirk Neukölln einen brennenden Bus. Der Gewaltausbruch und die Debatte um die Integration lasten auf Giffeys Ruf.
    Die Feuerwehr löscht in der Silvesternacht an der Sonnenallee im Bezirk Neukölln einen brennenden Bus. Der Gewaltausbruch und die Debatte um die Integration lasten auf Giffeys Ruf. Foto: Paul Zinken, dpa (Archivbild)

    Vor der Wahl in Berlin: Die SPD liegt weit hinter der CDU

    Bislang scheinen die Berliner weder von der Ansprache im Dialekt noch den Erklärungsversuchen der Regierenden angetan. Die jüngste Umfrage der Berliner Zeitung sieht Giffeys SPD bei 17 Prozent. Damit liegt sie neun Zähler hinter der CDU. Giffey kann vor der Wiederholungswahl am Sonntag jede Hilfe gebrauchen. 

    Sie ist nötig, weil die deutsche Hauptstadt vor anderthalb Jahren alle Klischees über sich erfüllte und die Abstimmung zum Fiasko missriet. Fehlende Wahlzettel, falsche Wahlzettel, stundenlanges Warten und Stimmabgabe weit nach 18 Uhr. 

    Damals im September 2021 hatte es knapp für Giffey gereicht. Doch nun wird es eng für die 44-Jährige. Sie wollte die Stadt sauberer machen, sicherer machen und dafür sorgen, dass die Hauptstädter auf den Ämtern Termine bekommen. In den Straßen liegen aber Unrat und Hundehaufen wie eh und je. Ob Rettungswagen oder Polizei schnell zum Notfall kommen, ist unsicher. Ein Termin beim Bürgeramt ist für die Berliner beinahe so schwer zu ergattern, wie für DDR-Bürger ein Trabi. 

    Kanzler Scholz kommt und leistet Wahlkampfhilfe

    Die Regierende hat also ihre Versprechen nicht halten können und das schlägt sich in den Umfragen nieder. Hilfe bekommt sie von Bundeskanzler Olaf Scholz. Der Parteifreund absolviert einen Termin mit ihr, sechs Tage vor der Wahl. Der Chemie- und Pharmariese Bayer will an seinem Werk in der Hauptstadt gemeinsam mit der Charité ein Forschungszentrum bauen. 

    Scholz bringt 44 Millionen aus der Bundeskasse mit, Berlin steuert fünf Millionen bei. „Wir haben hier wirklich im letzten Jahr ein besonders innovatives Programm ins Leben gerufen“, sagt Giffey. „Deutschland ist unverändert vorne dabei, wenn es um neue Technologie und Wissenschaft geht“, sagt Scholz.

    Beide stehen vor einer Wand mit grünen Zimmerpflanzen. Die Aufnahmen mit dem Kanzler sind das entscheidende für die Wahlkämpferin an diesem Tag. Zuvor hatten beide mit ausgesuchten Lehrlingen, Werkstudenten und dem Bayer-Chef an einem Tisch bei Kuchen geplaudert. Das Gespräch glückt. Es wird viel gelacht, obwohl es unter den Augen von einer Traube Journalisten stattfindet, die zwei Meter entfernt die Kaffeetafel beobachten.

    Die Sperrung der Friedrichstraße regt in Berlin viele auf

    Im Wahlkampf werden Ereignisse gemacht, kleine und große. Groß aus Sicht der Berliner ist die aktuelle Sperrung der berühmten Friedrichstraße für Autos. Sie war gerade erst vor fünf Wochen wieder für Autos freigegeben worden, nachdem ein Gericht das verunglückte Experiment einer Flaniermeile mit Schnellspur für Radler beendet hatte. 

    Den neuerlichen Auto-Bann hat Verkehrssenatorin Bettina Jarasch eilig verfügt. Die Bilanz der Grünen-Spitzenkandidatin nach einem Jahr ist nicht gut – kaum neue Radwege, nervende Baustellen bei U- und S-Bahn. Sie suchte einen Erfolg. Doch die überstürzte Entscheidung gegen das Auto wird für Jarasch zum genauen Gegenteil. In der Friedrichstraße stehen jetzt ausgeblichene Bänke trostlos auf der Fahrbahn, für das Frühjahr wird angekündigt, dass Gärtner Blumenkübel bepflanzen.

    Verblichene Eintracht: Bürgermeisterin Franziska Giffey (links) und Verkehrssenatorin Bettina Jarasch haben kein gutes Verhältnis mehr.
    Verblichene Eintracht: Bürgermeisterin Franziska Giffey (links) und Verkehrssenatorin Bettina Jarasch haben kein gutes Verhältnis mehr. Foto: Fabian Sommer, dpa

    Giffey und Jarasch streiten über die Sperrung und bestätigen eindrucksvoll, wie wenig der rot-rot-grüne Senat harmoniert. Zwei Drittel der Berliner sind mit ihrer Landesregierung unzufrieden. Lange sah es so aus, als würden die beiden Frauen das Rennen unter sich ausmachen. Die Augsburgerin Jarasch zielt in ihrem Wahlerfolg auf das grüne Milieu der zugezogenen Akademiker. Sie berlinert nicht, sondern spricht mit der weichen Färbung ihrer Heimat. Unter den Ur-Einwohnern Berlins löst das nicht zwingend Sympathie aus.

    Beendet Wegner die SPD-Herrschaft in Berlin?

    Profitieren von der Schwäche der beiden Favoritinnen wird Kai Wegner, wenn die Meinungsforscher recht behalten. Der Fraktionschef der Berliner CDU im Abgeordnetenhaus hat seine Partei auf neue Umfragehöhen geführt und könnte 20 Jahre SPD-Herrschaft im roten Berlin beenden.

    Kai Wegner könnte am Sonntag nach 20 Jahren SPD-Herrschaft das Rote Rathaus für die CDU erobern.
    Kai Wegner könnte am Sonntag nach 20 Jahren SPD-Herrschaft das Rote Rathaus für die CDU erobern. Foto: Christophe Gateau, dpa

    Der West-Berliner hat seinen Wahlkampf direkt gegen linke Lieblingsthemen ausgerichtet. Er hat ein Herz für Autofahrer und will sie nicht aussperren. Er verspricht Recht und Ordnung, aber mit Augenzwinkern. „Was Kriminelle bald häufiger hören: Haftbefehl.“ Haftbefehl ist einer der bekanntesten Gangster-Rapper Deutschlands. Wegner wirbt damit, dass unter ihm die Stadt endlich wieder funktionieren wird. „Arm, aber sexy“ soll „bieder und beständig“ weichen. Der 50-Jährige ist gelernter Versicherungsvertreter. 

    Doch selbst wenn Wegner am Sonntag einen Sieg holt, ist ungewiss, ob er in das Rote Rathaus als Regierender einzieht. Denn trotz der schwächelnden Gegner SPD und Grüne würde es wohl rein rechnerisch für eine Fortsetzung der amtierenden Koalition reichen, in der die Linke dritter Partner ist. Ob sich Giffey und Jarasch nach einer Schlappe halten könnten, ist offen. 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden