Die deutschen Wälder leiden, die Trockenheit der vergangenen Jahre hat ihnen schwer zugesetzt. Laut dem neuen Waldmonitor hat ein Viertel der Bäume massiv an Lebenskraft verloren. Die Kronen werden licht, weil zu wenige Nährstoffe ankommen. Nur noch jeder fünfte Baum ist gesund.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke will den Wald retten, in dem weniger Bäume gefällt werden. Bislang waren die Wälder vor allem darauf getrimmt, Rohstoffe zu liefern. Das soll sich ändern. „Wir brauchen einen Paradigmenwechsel im Wald“, sagte sie am Dienstag beim Waldklimagipfel in Berlin.
Lemkes Ideen haben es in sich. In alten Wäldern und Buchenbeständen soll gar nicht mehr eingeschlagen werden. Reine Holzplantagen will die Grünen-Politikerin umbauen, neue sollen nicht mehr angepflanzt werden. Was in der Praxis den Waldbesitzern abgerungen werden muss und Jahrzehnte dauert, hat aber selbst in der Theorie einen Haken. Denn die Wälder sollen dennoch weiter Holz liefern, damit es beim Bau von Häusern und Wohnungen eingesetzt werden kann.
Mehr Holz heißt weniger Beton und damit weniger C02, das in die Atmosphäre gelangt. Denn bei der Beton-Herstellung wird viel Treibhausgas freigesetzt. „Wir müssen jetzt anfangen zu handeln, wir haben nicht genug getan“, fordert Lemke.

Deutschlands bekanntester Förster lädt ein
Eingeladen zu diesem Waldgipfel hatte Deutschlands bekanntester Förster. Peter Wohlleben hat auf die Forderung der Ministerin eine Antwort, die im ersten Moment paradox klingt. Das von Lemke angemahnte Handeln soll Nicht-Handeln sein. „Die Wälder, die man in Ruhe lässt, die kommen besser durch die Klimakrise“, sagt Wohlleben. Wenn er das Wort Waldumbau hört, fängt Wohlleben direkt an zu protestieren. „Man kann den Wald nicht umbauen. Das ist eine Hybris.“ Der Mann aus der Eifel glaubt, dass es die Natur allein richtet. „Sie tut das seit 300 Millionen Jahren.“
Wohlleben arbeitet heute nicht mehr als Förster. Er schreibt Bücher, die Millionen lesen, hat ein eigenes Magazin und betreibt eine Waldakademie. Bei Waldbesitzern und Forstwissenschaftlern ist er umstritten, gilt vielen als Esoteriker, weil er geschrieben hat, dass die Bäume miteinander kommunizieren.
Prämien für das In-Ruhe-Lassen
Doch dem 58-Jährigen ist bewusst, dass mit dem Wald weiter Geld verdient werden soll. Also sollen seine Besitzer – Privatleute und Staatsbetriebe – Geld für das In-Ruhe-Lassen bekommen. Waldbesitzer werden als Klimaschützer entlohnt. „Ein alter Buchenwald ist 8 Grad kühler als ein Fichtenwald“, sagt Wohlleben. Laubwälder halten auch das Wasser besser. Für diese Klimaleistung sollen die Besitzer Prämien vom Staat bekommen. Überprüft werden könnte das mit Satelliten, die auch die Temperatur über einem Landstrich messen können. Wohllebens Idee: Werden mehr Bäume geschlagen, wird das Waldstück wärmer, die staatlichen Zuschüsse kleiner.
Die Umweltministerin sammelt gerade Ideen für die Rettung des Waldes. Steffi Lemke macht anders als ihr Gastgeber keine Politik im luftleeren Raum. Ökonomische Interessen muss sie berücksichtigen, das Bauen mit Holz soll in Deutschland keine exotische Ausnahme mehr bleiben. „Die Holzwirtschaft ist wichtig, dass will ich gar nicht abstreiten“, meint sie. Ein Ausweg aus dem Dilemma könnte sein, dass es wieder mehr Wald gibt.
Die Vorgänger der jetzigen Ampel-Regierung hatten Millionen neue Bäume versprochen, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auch. Doch in der Realität verliert Deutschland jeden Tag ganze Fußballfelder, weil darauf Wohnungen, Straßen, und Fabriken errichtet werden. Der Waldrettung geht es wie der Energiewende. Die meisten sind dafür, doch in der Praxis sind die Widrigkeiten groß.