Die 25-jährige Nordirin Shelby Lynn ist das Gesicht der Bewegung gegen Rammstein. Sie sprach online aus, dass sie bei einem Konzert unter Drogen gesetzt und geschlagen wurde. Lynn brach ihr Schweigen und ermutigte damit weitere Frauen, die sexuelle Gewalt bei Rammstein-Konzerten erlebt hatten. Am Mittwochabend war sie zu Gast beim "Ladies Circle" der Unionsfraktion und sprach mit Dorothee Bär, der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Ein ungewöhnliches Duo: Shelby Lynn, im Gothic-Look mit vielen Tattoos, die sich im Rahmen der Veranstaltung unter anderem für den Schutz von queeren Personen in einer Welt "zugeschnitten auf weiße cis-Männer" aussprach. Und daneben Dorothee Bär, die erklärtermaßen das konservative Familienbild "Vater, Mutter, Kind" bevorzugt. Aber darum sollte es an diesem Abend nicht gehen. Die Veranstaltung "Gewalt gegen Frauen - das Schweigen brechen" befasste sich mit der Frage: Wo steht Deutschland beim Schutz von Frauen? Und was muss besser werden?
Frauenhäuser in Deutschland sind überfüllt und unterfinanziert
So viel vorweg: Es muss noch einiges geschehen und es sieht nicht rosig aus. Gerade im Bereich der Frauenhäuser fehlt es an Tausenden Plätzen und sicherer Finanzierung. "Seit 40 Jahren befinden sich Frauenhäuser im Projektstatus", sagte Gisela Pingen-Reiner, stellvertretende Vorsitzende der Frauenhauskoordinierung. Für 2020 bis 2024 waren 30 Millionen Euro jährlich an Bundesmitteln veranschlagt worden. Was danach passiert, sei bislang unklar. Die fehlende Finanzierung führt zum nächsten Problem und zu einer Hürde für viele Frauen, denn ohne Sozialhilfe müssen Frauen in Arbeitsverhältnissen, Studentinnen, Auszubildende und auch Asylbewerberinnen die Kosten selbst tragen. "Das darf es nicht geben", sagte Pingen-Reiner.
Dazu kommt, dass Frauen auf den Start der Gerichtsprozesse, wenn es denn so weit kommt, lange warten müssen. Iris Brand, Initiatorin von "Die Nächste" und selbst Betroffene, musste drei Jahre warten. Dazwischen ließ ihr damaliger Partner, der Täter, noch immer nicht von ihr ab und stalkte sie. Auch um solche Vorfälle zu vermeiden, müsse geprüft werden, ob Fußfesseln oder Therapieanordnungen bei einer Wegweisung durch die Polizei geeignete Mittel sind, um die Frauen vor weiteren Übergriffen zu schützen.
Gewaltfreiheit für Frauen bedeutet vor allem einen gesellschaftlichen Wandel
Damit solche Maßnahmen in Kraft gesetzt werden können, müssen Frauen allerdings erst das Wort ergreifen, ihr Schweigen brechen und Hilfe suchen. Und: Den Frauen muss geglaubt werden. Als Betroffene von häuslicher Gewalt habe Iris Brand es als große Belastung empfunden, gegenüber dem Gericht beweisen zu müssen, dass sie nicht lügt.
Ein Aspekt jedoch, der eigentlich der Auslöser der Probleme ist, wurde bei der Veranstaltung kaum besprochen: Wie schaffen wir es als Gesellschaft, dass Männer nicht mehr schlagen? Der geladene Psychologe Gerhard Hafner beschäftigt sich damit in der Täterarbeit. Ein Problem, das alle gesellschaftlichen Schichten betrifft. Um Gewalttäter zu einer Veränderung zu bringen, brauche es die Einsicht der Täter und den eigenen Willen, etwas zu verändern. Es helfe aber schon, wenn Männer merkten, dass Gewalt in der Partnerschaft kein privates Geschehen sei, sondern von öffentlichem Interesse mit rechtlichen Folgen.
Worin sich alle Beteiligten einig sind: Damit Frauen vor Gewalt geschützt werden, braucht es gesellschaftlichen Wandel, der erkennt, dass Frauen gleichberechtigt sind und Gewalt kein Weg ist. Dafür müssen Frauen aus dem Abhängigkeits- und Machtverhältnis gegenüber Männern ausbrechen können. Die Nordirin Shelby Lynn zeigt sich schockiert von den deutschen Verhältnissen und beendete ihr Gespräch mit Dorothee Bär mit einem Appell, die Regierung müsse mehr für den Schutz von Frauen tun.