28 Jahre und acht Monate lang hat sich Harald Thomas als Geschäftsführer des Caritas-Kreisverbands Lindau für einkommensschwache Menschen eingesetzt. Nun geht er in den Ruhestand.
Sein Ziel war stets, die Armut in der Gesellschaft zu bekämpfen. Dabei hatte Thomas als junger Mann seinen „Traumberuf“ schon gefunden. Er arbeitete im Schwarzwald fünf Jahre in der Drogenprävention, hatte aber nur eine befristete Anstellung. Und so kam er 1996 nach Lindau mit der Absicht, hier vier bis fünf Jahre zu bleiben.
Dass es sein gesamtes Berufsleben wurde, lag an der „Vielfalt der Stelle“, erklärt er. Thomas war in der Beratung tätig und als Geschäftsführer auch für das Finanzielle zuständig – für das Spendenmarketing, die Entwicklung neuer Projekte und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter rund 350 Ehrenamtliche. Der Job sei immer „spannend“ und erfüllend gewesen. „Ich habe nie an der Sinnhaftigkeit meines Tuns gezweifelt.“
Tafelläden als Lebenswerk
Ob Ehrenamtliche oder Spender: „Ich bin sehr stolz, so viele Menschen von unserer Arbeit begeistert zu haben“, sagt Thomas. Lachend bezeichnet er sich selbst als „Menschen-Fischer“. Andere zu überzeugen, sei seine Stärke. Die Lindauer Caritas hat er „vorsichtig entwickelt“. Bei neuen Angeboten habe er immer überlegt, „was passt zu uns und zum Landkreis“, sagt Thomas.
Auf die Tafeln traf das zu. Sie waren ein Herzenswunsch der damaligen Vorsitzenden Hermine Schediwy und wurden zu Thomas‘ „Lebenswerk“. Innerhalb von zwei Jahren eröffneten beide Läden in Lindau (2006) und Lindenberg (2008).
Dass es dort keine fertig abgepackten Tüten für die Kunden geben wird, war von vornherein klar. „Menschenwürde funktioniert nur mit dem Tante-Emma-Prinzip“, davon ist Thomas überzeugt. Dass die Kunden bedient werden, sei „Wertschätzung, die sie sonst nicht erfahren im Leben“.
„Wir mussten zum ersten Mal Einkaufsbeschränkungen machen.“
Harald Thomas, Scheidender Caritas-Chef
Die Tafeln hält er für dringend nötig. Die Bedürftigkeit im Landkreis habe zugenommen. 2015, als erstmals viele Geflüchtete nach Lindau gekommen sind, erfolgte der erste Sprung, ein weiterer zum Corona-Lockdown. Als 2022 viele Ukrainer nach Lindau kamen, spitzte sich die Lage zu: „Wir mussten zum ersten Mal Einkaufsbeschränkungen machen.“
Die Inflation habe denen weh getan, die ohnehin schon wenig hatten. „Das hat uns viele neue Klienten gebracht“, sagt Harald Thomas. Menschen, die vorher dem Mittelstand angehörten, seien abgerutscht. Vor allem Ältere, aber auch Alleinerziehende und Familien seien von Armut betroffen.
Was Harald Thomas wütend macht
Wenn Politiker von „Sozialschmarotzern“ sprechen, wird der Caritas-Chef wütend. Wer keinen kenne, für den Kaffee teurer Luxus ist, solle zu diesem Thema lieber schweigen, meint er. Menschen, die sich bei der Caritas finanzielle Hilfe erschummelt haben, seien „Einzelfälle“. Hier gehe es vor allem um Hilfe zur Selbsthilfe. Stolz mache ihn, dass mit Caritas-Unterstützung immer wieder Menschen den Ausstieg aus der Langzeit-Arbeitslosigkeit geschafft haben.
Thomas blickt auf viele „Leuchtturm-Projekte“ in seiner Amtszeit zurück: Patenschaften für Bedürftige, der Mittagstisch in Lindau und Lindenberg, die sich zu einem Projekt gegen die Einsamkeit entwickelten, der Alleinerziehenden-Treff mit der Pfarrei St. Josef, das Nachsorge-Angebot im Rahmen der Kurberatung und der Kaffeenachmittag an Heiligabend.
Bei der Beschaffung von Lebensmitteln für die Tafeln musste Thomas immer wieder neue Wege finden. „Die Waren-Akquise wird schwieriger“, sagt er. Sei es, weil Discounter besser kalkulieren oder aber selbst „Retter-Tüten“ anbieten. Oberstes Ziel sei es, zu vermeiden, dass Lebensmittel weggeworfen werde. „Wenn der Discounter das selbst macht, ist es für mich richtig.“
Wer die Nachfolgerin von Thomas ist
Harald Thomas hat seinen Beruf immer mit Leidenschaft geführt. Aber er hat sich zu viel zugemutet, wie er nun einräumt. Im März 2024 merkte er dann: Die Überlastung war zu groß, er musste die Reißleine ziehen: „Es ging nicht mehr.“ Für seine Mitarbeiter Katharina Pschibul und Daniel Notz war der lange Ausfall ihres Chefs damals eine Herausforderung. Aber mit Unterstützung des Vorsitzenden Helmut Pietsch stemmten sie die Situation.
Nun ist der Sozialpädagoge offiziell in Rente. Und weil Pschibul seine Nachfolgerin wurde, erfolgte der Übergang in der Lindauer Caritas ohne Brüche.

Die Hände wird Thomas nicht in den Schoß legen. Er engagiert sich im Verein „Wir helfen“ und will als Lesepate einsteigen. Eigentlich hatte er auch vor, als Leihopa zur Verfügung zu stehen. Aber daraus wird nun nichts. „Ich werde jetzt ein echter Opa“, verrät er lachend. Künftig hat er mehr Zeit, Boule zu spielen und in sein Lieblingsland Frankreich zu reisen.
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